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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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des Plinius darüber entbehren; es hat nur noch das
Interesse des Alterthums.

Eine drollige Anekdote darf ich Dir noch mitthei¬
len, welche die gelehrten Späher und Seher betrifft,
und die mir der besten einer unter ihnen, Landolina
selbst, mit vieler Jovialität erzählte, als wir nach ei¬
nem Spaziergange in dem alten griechischen Theater
sassen und ausruhten. Landolina machte mit einer
Gesellschaft, von welcher er einen unserer Landsleute,
ich glaube den Baron von Hildesheim, nannte, eine
ähnliche Wanderung. Hier entstand ein Zwist über
eine Vertiefung in dem Felsen, die ein jeder nach sei¬
ner Weise interpretierte. Einige hielten sie für ein
Grab eines Kindes irgend einer alten vornehmen Fa¬
milie, und brachten Beweise, die vielleicht eben so
problematisch waren, wie die Sache, welche sie bewei¬
sen sollten. Man sprach und stritt her und hin. Das
bemerkte ein alter Bauer nicht weit davon, dass man
über dieses Loch sprach. Er kam näher und erkun¬
digte sich und hörte, wovon die Rede war. Das kann
ich Ihnen leicht erklären, hob er an; vor ungefähr
zwanzig Jahren habe ich es selbst gehauen, um meine
Schweine daraus zu füttern: da ich nun seit mehrern
Jahren keine Schweine mehr habe, füttere ich keine
mehr daraus. Die Archäologen lachten über die bün¬
dige Erklärung, ohne welche sie unstreitig noch lange
sehr gelehrt darüber gesprochen und vielleicht sogar
geschrieben hätten. So geht es uns wohl noch manch¬
mal, setzte Landolina sehr launig hinzu.

Die hiesigen Katakomben unterscheiden sich we¬
sentlich von denen zu Neapel. Was beyde ursprüng¬

des Plinius darüber entbehren; es hat nur noch das
Interesse des Alterthums.

Eine drollige Anekdote darf ich Dir noch mitthei¬
len, welche die gelehrten Späher und Seher betrifft,
und die mir der besten einer unter ihnen, Landolina
selbst, mit vieler Jovialität erzählte, als wir nach ei¬
nem Spaziergange in dem alten griechischen Theater
saſsen und ausruhten. Landolina machte mit einer
Gesellschaft, von welcher er einen unserer Landsleute,
ich glaube den Baron von Hildesheim, nannte, eine
ähnliche Wanderung. Hier entstand ein Zwist über
eine Vertiefung in dem Felsen, die ein jeder nach sei¬
ner Weise interpretierte. Einige hielten sie für ein
Grab eines Kindes irgend einer alten vornehmen Fa¬
milie, und brachten Beweise, die vielleicht eben so
problematisch waren, wie die Sache, welche sie bewei¬
sen sollten. Man sprach und stritt her und hin. Das
bemerkte ein alter Bauer nicht weit davon, daſs man
über dieses Loch sprach. Er kam näher und erkun¬
digte sich und hörte, wovon die Rede war. Das kann
ich Ihnen leicht erklären, hob er an; vor ungefähr
zwanzig Jahren habe ich es selbst gehauen, um meine
Schweine daraus zu füttern: da ich nun seit mehrern
Jahren keine Schweine mehr habe, füttere ich keine
mehr daraus. Die Archäologen lachten über die bün¬
dige Erklärung, ohne welche sie unstreitig noch lange
sehr gelehrt darüber gesprochen und vielleicht sogar
geschrieben hätten. So geht es uns wohl noch manch¬
mal, setzte Landolina sehr launig hinzu.

Die hiesigen Katakomben unterscheiden sich we¬
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[260/0286] des Plinius darüber entbehren; es hat nur noch das Interesse des Alterthums. Eine drollige Anekdote darf ich Dir noch mitthei¬ len, welche die gelehrten Späher und Seher betrifft, und die mir der besten einer unter ihnen, Landolina selbst, mit vieler Jovialität erzählte, als wir nach ei¬ nem Spaziergange in dem alten griechischen Theater saſsen und ausruhten. Landolina machte mit einer Gesellschaft, von welcher er einen unserer Landsleute, ich glaube den Baron von Hildesheim, nannte, eine ähnliche Wanderung. Hier entstand ein Zwist über eine Vertiefung in dem Felsen, die ein jeder nach sei¬ ner Weise interpretierte. Einige hielten sie für ein Grab eines Kindes irgend einer alten vornehmen Fa¬ milie, und brachten Beweise, die vielleicht eben so problematisch waren, wie die Sache, welche sie bewei¬ sen sollten. Man sprach und stritt her und hin. Das bemerkte ein alter Bauer nicht weit davon, daſs man über dieses Loch sprach. Er kam näher und erkun¬ digte sich und hörte, wovon die Rede war. Das kann ich Ihnen leicht erklären, hob er an; vor ungefähr zwanzig Jahren habe ich es selbst gehauen, um meine Schweine daraus zu füttern: da ich nun seit mehrern Jahren keine Schweine mehr habe, füttere ich keine mehr daraus. Die Archäologen lachten über die bün¬ dige Erklärung, ohne welche sie unstreitig noch lange sehr gelehrt darüber gesprochen und vielleicht sogar geschrieben hätten. So geht es uns wohl noch manch¬ mal, setzte Landolina sehr launig hinzu. Die hiesigen Katakomben unterscheiden sich we¬ sentlich von denen zu Neapel. Was beyde ursprüng¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/286>, abgerufen am 28.03.2024.