Menge Wäscherinnen an der reichen schönen Quelle. Das Wasser ist gewöhnlich rein und hell, aber nicht mehr, wie ehemahls, ungewöhnlich schön. Ich stieg so tief als möglich hinunter und schöpfte mit der hoh¬ len Hand: man kann zwar das Wasser trinken, aber es schmeckt doch noch etwas brackisch, wie das meiste Wasser der Brunnen in Holland. Die Vermischung mit dem Meere muss also durch die neueste Verände¬ rung noch nicht gänzlich wieder gehoben seyn. Alles Wasser auf der kleinen Insel hat die nehmliche Be¬ schaffenheit, und gehört wahrscheinlich durchaus zu der nehmlichen Quelle. In der Kirche Sankt Philippi ist eine alte tiefe tiefe Gruft mit einer ziemlich be¬ quemen Wendeltreppe hinab, wo unten Wasser von der nehmlichen Beschaffenheit ist; nur fand ich es et¬ was salziger: das mag vielleicht von der grossen Tiefe und dem beständig verschlossenen Raum herkommen. Landolina hält es für das alte Lustralwasser, welches man oft in griechischen Tempeln fand. Sehr mög¬ lich; es lässt sich gegen die Vermuthung nichts sagen. Aber kann es nicht eben so wohl ein gewöhnlicher Brunnen zum öffentlichen Gebrauch gewesen seyn? Er hatte unstreitig das nehmliche Schicksal mit der Arethuse in den verschiedenen Erderschütterungen. Man weiss die Insel machte bey den alten Tyrannen die Hauptfestung der Stadt aus. Man hatte ausser der Arethuse wenig Wasser in den Werken. Diese schöne Quelle lag dicht am Meere und war sehr bekannt. Der Feind konnte Mittel finden sie zu nehmen oder zu verderben. War der Gedanke, sich noch einen Wasserplatz auf diesen Fall zu verschaffen und ihn
Menge Wäscherinnen an der reichen schönen Quelle. Das Wasser ist gewöhnlich rein und hell, aber nicht mehr, wie ehemahls, ungewöhnlich schön. Ich stieg so tief als möglich hinunter und schöpfte mit der hoh¬ len Hand: man kann zwar das Wasser trinken, aber es schmeckt doch noch etwas brackisch, wie das meiste Wasser der Brunnen in Holland. Die Vermischung mit dem Meere muſs also durch die neueste Verände¬ rung noch nicht gänzlich wieder gehoben seyn. Alles Wasser auf der kleinen Insel hat die nehmliche Be¬ schaffenheit, und gehört wahrscheinlich durchaus zu der nehmlichen Quelle. In der Kirche Sankt Philippi ist eine alte tiefe tiefe Gruft mit einer ziemlich be¬ quemen Wendeltreppe hinab, wo unten Wasser von der nehmlichen Beschaffenheit ist; nur fand ich es et¬ was salziger: das mag vielleicht von der groſsen Tiefe und dem beständig verschlossenen Raum herkommen. Landolina hält es für das alte Lustralwasser, welches man oft in griechischen Tempeln fand. Sehr mög¬ lich; es läſst sich gegen die Vermuthung nichts sagen. Aber kann es nicht eben so wohl ein gewöhnlicher Brunnen zum öffentlichen Gebrauch gewesen seyn? Er hatte unstreitig das nehmliche Schicksal mit der Arethuse in den verschiedenen Erderschütterungen. Man weiſs die Insel machte bey den alten Tyrannen die Hauptfestung der Stadt aus. Man hatte auſser der Arethuse wenig Wasser in den Werken. Diese schöne Quelle lag dicht am Meere und war sehr bekannt. Der Feind konnte Mittel finden sie zu nehmen oder zu verderben. War der Gedanke, sich noch einen Wasserplatz auf diesen Fall zu verschaffen und ihn
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Menge Wäscherinnen an der reichen schönen Quelle.
Das Wasser ist gewöhnlich rein und hell, aber nicht
mehr, wie ehemahls, ungewöhnlich schön. Ich stieg
so tief als möglich hinunter und schöpfte mit der hoh¬
len Hand: man kann zwar das Wasser trinken, aber
es schmeckt doch noch etwas brackisch, wie das meiste
Wasser der Brunnen in Holland. Die Vermischung
mit dem Meere muſs also durch die neueste Verände¬
rung noch nicht gänzlich wieder gehoben seyn. Alles
Wasser auf der kleinen Insel hat die nehmliche Be¬
schaffenheit, und gehört wahrscheinlich durchaus zu
der nehmlichen Quelle. In der Kirche Sankt Philippi
ist eine alte tiefe tiefe Gruft mit einer ziemlich be¬
quemen Wendeltreppe hinab, wo unten Wasser von
der nehmlichen Beschaffenheit ist; nur fand ich es et¬
was salziger: das mag vielleicht von der groſsen Tiefe
und dem beständig verschlossenen Raum herkommen.
Landolina hält es für das alte Lustralwasser, welches
man oft in griechischen Tempeln fand. Sehr mög¬
lich; es läſst sich gegen die Vermuthung nichts sagen.
Aber kann es nicht eben so wohl ein gewöhnlicher
Brunnen zum öffentlichen Gebrauch gewesen seyn?
Er hatte unstreitig das nehmliche Schicksal mit der
Arethuse in den verschiedenen Erderschütterungen.
Man weiſs die Insel machte bey den alten Tyrannen
die Hauptfestung der Stadt aus. Man hatte auſser der
Arethuse wenig Wasser in den Werken. Diese schöne
Quelle lag dicht am Meere und war sehr bekannt.
Der Feind konnte Mittel finden sie zu nehmen oder
zu verderben. War der Gedanke, sich noch einen
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/282>, abgerufen am 18.04.2024.
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