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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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aus Seewasser, zu welcher Operation man einen gros¬
sen Strich todtes Erdreich brauchte. Nirgends habe ich
so schwelgerische Vegetation gesehen, als in dieser Ge¬
gend. Die Stadt ist rings um vom Meere umgeben,
und es führt nur eine ziemlich feste Brücke hinüber.
Von der Landseite ist der Ort also gut vertheidigt und
es würde eine förmliche Belagerung dazu gehören ihn
zu nehmen. Von der Seeseite scheint das nicht zu
seyn. Die wenigen Werke nach dem Wasser zu wol¬
len nicht viel sagen. Die Stadt ist nicht viel kleiner
als die Insel Ortygia oder das heutige Syrakus. Ich
wurde zu dem Stadthauptmann geführt, der meinen
Pass besah und mir ihn sogleich ohne Umstände mit
vieler Höflichkeit zurück gab. Hier wurde ich, aus
meinem Passe, Don Juan getauft, welchen Namen ich
sodann auf dem übrigen Wege durch die ganze Insel
bey allen Mauleseltreibern durch Ueberlieferung be¬
hielt. Der Gouverneur oder Stadthauptmann, was er
seyn mochte, denn ich habe mich um seinen Posten
weiter nicht bekümmert, bewirthete mich mit dem
berühmten syrakusischen Muskatensekt, den endlich
dieser Herr wohl gut haben muss, und mit englischem
Ale und Biskuit. Das Ale war gut und das Biskuit
besser, und über den Wein habe ich keine Stimme.
Mir war er zu stark und zu süss. Ein Perukenma¬
cher, der in dem Hause des Stadthauptmanns war,
führte mich gerade in sein eigenes Haus, bewirthete
mich ziemlich gut und liess mich noch besser bezah¬
len. Dafür wurde ich aber so viel beexcellenzt, als
ob ich der erste Ordensgeneral wäre, der den grossen
päbstlichen Ablass auf hundert Jahre herum trüge.

aus Seewasser, zu welcher Operation man einen gros¬
sen Strich todtes Erdreich brauchte. Nirgends habe ich
so schwelgerische Vegetation gesehen, als in dieser Ge¬
gend. Die Stadt ist rings um vom Meere umgeben,
und es führt nur eine ziemlich feste Brücke hinüber.
Von der Landseite ist der Ort also gut vertheidigt und
es würde eine förmliche Belagerung dazu gehören ihn
zu nehmen. Von der Seeseite scheint das nicht zu
seyn. Die wenigen Werke nach dem Wasser zu wol¬
len nicht viel sagen. Die Stadt ist nicht viel kleiner
als die Insel Ortygia oder das heutige Syrakus. Ich
wurde zu dem Stadthauptmann geführt, der meinen
Paſs besah und mir ihn sogleich ohne Umstände mit
vieler Höflichkeit zurück gab. Hier wurde ich, aus
meinem Passe, Don Juan getauft, welchen Namen ich
sodann auf dem übrigen Wege durch die ganze Insel
bey allen Mauleseltreibern durch Ueberlieferung be¬
hielt. Der Gouverneur oder Stadthauptmann, was er
seyn mochte, denn ich habe mich um seinen Posten
weiter nicht bekümmert, bewirthete mich mit dem
berühmten syrakusischen Muskatensekt, den endlich
dieser Herr wohl gut haben muſs, und mit englischem
Ale und Biskuit. Das Ale war gut und das Biskuit
besser, und über den Wein habe ich keine Stimme.
Mir war er zu stark und zu süſs. Ein Perukenma¬
cher, der in dem Hause des Stadthauptmanns war,
führte mich gerade in sein eigenes Haus, bewirthete
mich ziemlich gut und lieſs mich noch besser bezah¬
len. Dafür wurde ich aber so viel beexcellenzt, als
ob ich der erste Ordensgeneral wäre, der den groſsen
päbstlichen Ablaſs auf hundert Jahre herum trüge.

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[239/0265] aus Seewasser, zu welcher Operation man einen gros¬ sen Strich todtes Erdreich brauchte. Nirgends habe ich so schwelgerische Vegetation gesehen, als in dieser Ge¬ gend. Die Stadt ist rings um vom Meere umgeben, und es führt nur eine ziemlich feste Brücke hinüber. Von der Landseite ist der Ort also gut vertheidigt und es würde eine förmliche Belagerung dazu gehören ihn zu nehmen. Von der Seeseite scheint das nicht zu seyn. Die wenigen Werke nach dem Wasser zu wol¬ len nicht viel sagen. Die Stadt ist nicht viel kleiner als die Insel Ortygia oder das heutige Syrakus. Ich wurde zu dem Stadthauptmann geführt, der meinen Paſs besah und mir ihn sogleich ohne Umstände mit vieler Höflichkeit zurück gab. Hier wurde ich, aus meinem Passe, Don Juan getauft, welchen Namen ich sodann auf dem übrigen Wege durch die ganze Insel bey allen Mauleseltreibern durch Ueberlieferung be¬ hielt. Der Gouverneur oder Stadthauptmann, was er seyn mochte, denn ich habe mich um seinen Posten weiter nicht bekümmert, bewirthete mich mit dem berühmten syrakusischen Muskatensekt, den endlich dieser Herr wohl gut haben muſs, und mit englischem Ale und Biskuit. Das Ale war gut und das Biskuit besser, und über den Wein habe ich keine Stimme. Mir war er zu stark und zu süſs. Ein Perukenma¬ cher, der in dem Hause des Stadthauptmanns war, führte mich gerade in sein eigenes Haus, bewirthete mich ziemlich gut und lieſs mich noch besser bezah¬ len. Dafür wurde ich aber so viel beexcellenzt, als ob ich der erste Ordensgeneral wäre, der den groſsen päbstlichen Ablaſs auf hundert Jahre herum trüge.

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/265>, abgerufen am 28.03.2024.