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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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hier nach Alcamo hinab in dem Gebirge, wo die Leute
griechisch sprächen oder gar türkisch, so dass man sie
gar nicht verstehen könnte, wie das oft der Fall zu
Girgenti auf dem Markte wäre. Hier führte er eine
Menge Wörter an, die ich leider wieder vergessen
habe. Non sono cosi boni latini, come noi autri,
sagte er. Du siehst der Mensch hat Ehre im Leibe.

Den musikalischen Talenten und der musikali¬
schen Neigung der Italiäner kann ich bis jetzt eben
keine grossen Lobsprüche machen. Ich habe von
Triest bis hierher, auf dem Lande und in den Städ¬
ten, auch noch keine einzige Melodie gehört, die mich
beschäftigt hätte, welches doch in andern Ländern
manchmahl der Fall gewesen ist. Das beste war noch
von eben diesem meinem ästhetischen Cicerone aus
Agrigent, der eine Art Liebesliedchen sang und sehr
emphatisch drollig genug immer wiederholte ; Kischta
nutte, kischta nutte in verru, iu verru. (Questa notte
io verro.)

Eben bin ich unten am Hafen gewesen, der vier
italiänische Meilen von der Stadt liegt. Der Weg da¬
hin ist sehr angenehm durch lauter Oehlpflanzungen
und Mandelgärten. Hier und da sind sie mit Zäunen
von Aloen besetzt, die in Sicilien zu einer ausseror¬
dentlichen Grösse wachsen; noch häufiger aber mit
indischen Feigen, die erst im September reif werden
und von denen ich das Stück, so selten sind sie jetzt,
in der Stadt mit fast einem Gulden bezahlen musste,
da ich die Seltenheit doch kosten wollte. Die Karu¬
ben oder Johannisbrotbäume gewinnen hier einen
Umfang, von dem wir bey uns gar keine Begriffe ha¬

hier nach Alcamo hinab in dem Gebirge, wo die Leute
griechisch sprächen oder gar türkisch, so daſs man sie
gar nicht verstehen könnte, wie das oft der Fall zu
Girgenti auf dem Markte wäre. Hier führte er eine
Menge Wörter an, die ich leider wieder vergessen
habe. Non sono cosi boni latini, come noi autri,
sagte er. Du siehst der Mensch hat Ehre im Leibe.

Den musikalischen Talenten und der musikali¬
schen Neigung der Italiäner kann ich bis jetzt eben
keine groſsen Lobsprüche machen. Ich habe von
Triest bis hierher, auf dem Lande und in den Städ¬
ten, auch noch keine einzige Melodie gehört, die mich
beschäftigt hätte, welches doch in andern Ländern
manchmahl der Fall gewesen ist. Das beste war noch
von eben diesem meinem ästhetischen Cicerone aus
Agrigent, der eine Art Liebesliedchen sang und sehr
emphatisch drollig genug immer wiederholte ; Kischta
nutte, kischta nutte in verru, iu verru. (Questa notte
io verro.)

Eben bin ich unten am Hafen gewesen, der vier
italiänische Meilen von der Stadt liegt. Der Weg da¬
hin ist sehr angenehm durch lauter Oehlpflanzungen
und Mandelgärten. Hier und da sind sie mit Zäunen
von Aloen besetzt, die in Sicilien zu einer auſseror¬
dentlichen Gröſse wachsen; noch häufiger aber mit
indischen Feigen, die erst im September reif werden
und von denen ich das Stück, so selten sind sie jetzt,
in der Stadt mit fast einem Gulden bezahlen muſste,
da ich die Seltenheit doch kosten wollte. Die Karu¬
ben oder Johannisbrotbäume gewinnen hier einen
Umfang, von dem wir bey uns gar keine Begriffe ha¬

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[220/0246] hier nach Alcamo hinab in dem Gebirge, wo die Leute griechisch sprächen oder gar türkisch, so daſs man sie gar nicht verstehen könnte, wie das oft der Fall zu Girgenti auf dem Markte wäre. Hier führte er eine Menge Wörter an, die ich leider wieder vergessen habe. Non sono cosi boni latini, come noi autri, sagte er. Du siehst der Mensch hat Ehre im Leibe. Den musikalischen Talenten und der musikali¬ schen Neigung der Italiäner kann ich bis jetzt eben keine groſsen Lobsprüche machen. Ich habe von Triest bis hierher, auf dem Lande und in den Städ¬ ten, auch noch keine einzige Melodie gehört, die mich beschäftigt hätte, welches doch in andern Ländern manchmahl der Fall gewesen ist. Das beste war noch von eben diesem meinem ästhetischen Cicerone aus Agrigent, der eine Art Liebesliedchen sang und sehr emphatisch drollig genug immer wiederholte ; Kischta nutte, kischta nutte in verru, iu verru. (Questa notte io verro.) Eben bin ich unten am Hafen gewesen, der vier italiänische Meilen von der Stadt liegt. Der Weg da¬ hin ist sehr angenehm durch lauter Oehlpflanzungen und Mandelgärten. Hier und da sind sie mit Zäunen von Aloen besetzt, die in Sicilien zu einer auſseror¬ dentlichen Gröſse wachsen; noch häufiger aber mit indischen Feigen, die erst im September reif werden und von denen ich das Stück, so selten sind sie jetzt, in der Stadt mit fast einem Gulden bezahlen muſste, da ich die Seltenheit doch kosten wollte. Die Karu¬ ben oder Johannisbrotbäume gewinnen hier einen Umfang, von dem wir bey uns gar keine Begriffe ha¬

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/246>, abgerufen am 25.04.2024.