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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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er durchaus nicht eher von meiner Seite ging, bis ich
ihm einige kleine Silberstücke gab, die er sehr höflich
und dankbar annahm. Ich habe mich nicht enthalten
können bey dieser Gelegenheit wahres Mitleid mit dem
grossen Cicero zu haben, dass sein Name hier so er¬
bärmlich herumgetragen wird. Die Ciceronen sind
die Plagen der Reisenden, und immer ist einer un¬
wissender und abenteuerlicher als der andere. Den
vernünftigsten habe ich noch in Tivoli getroffen, der
mir auf der Eselspromenade zum wenigsten ein Duz¬
zend von Horazens Oden rezitirte und nach seiner
Weise kommentirte.

Ich versuchte es an dem Fusse des Posilippo an
dem Strande hinaus bis an die Spitze zu wandeln; es
war aber nicht möglich weiter als ungefähr eine Stun¬
de zu kommen: dann hörte jede Bahn auf, und das
Ufer bestand hier und da aus schroffen Felsen. Hier
stehen in einer Entfernung von ungefähr einer Vier¬
telstunde zwey alte Gebäude, die man für Schlösser der
Königin Johanna hält, wo sie zuweilen auch ihr be¬
rüchtigtes Unwesen getrieben haben soll. Sie sind
ziemlich zu so etwas geeignet, gehen weit ins Meer
hinein, und es liesse sich sehr gut zeigen, wozu dieses
und jenes gedient haben könnte. Zwischen diesen bey¬
den alten leeren Gebäuden liegt das niedliche Casino
des Ritters Hamilton, wo er beständig den Vesuv vor
Augen hatte; und man thut ihm vielleicht nicht ganz
Unrecht, wenn man aus dem Ort seiner Vergnügun¬
gen auf etwas Aehnlichkeit mit dem Geschmack der
schönen Königin schliesst, die von der bösen Geschichte
doch wohl etwas schlimmer gemacht worden ist als

er durchaus nicht eher von meiner Seite ging, bis ich
ihm einige kleine Silberstücke gab, die er sehr höflich
und dankbar annahm. Ich habe mich nicht enthalten
können bey dieser Gelegenheit wahres Mitleid mit dem
groſsen Cicero zu haben, daſs sein Name hier ſo er¬
bärmlich herumgetragen wird. Die Ciceronen sind
die Plagen der Reisenden, und immer ist einer un¬
wissender und abenteuerlicher als der andere. Den
vernünftigsten habe ich noch in Tivoli getroffen, der
mir auf der Eselspromenade zum wenigsten ein Duz¬
zend von Horazens Oden rezitirte und nach seiner
Weise kommentirte.

Ich versuchte es an dem Fuſse des Posilippo an
dem Strande hinaus bis an die Spitze zu wandeln; es
war aber nicht möglich weiter als ungefähr eine Stun¬
de zu kommen: dann hörte jede Bahn auf, und das
Ufer bestand hier und da aus schroffen Felsen. Hier
stehen in einer Entfernung von ungefähr einer Vier¬
telstunde zwey alte Gebäude, die man für Schlösser der
Königin Johanna hält, wo sie zuweilen auch ihr be¬
rüchtigtes Unwesen getrieben haben soll. Sie sind
ziemlich zu so etwas geeignet, gehen weit ins Meer
hinein, und es lieſse sich sehr gut zeigen, wozu dieses
und jenes gedient haben könnte. Zwischen diesen bey¬
den alten leeren Gebäuden liegt das niedliche Caſino
des Ritters Hamilton, wo er beständig den Veſuv vor
Augen hatte; und man thut ihm vielleicht nicht ganz
Unrecht, wenn man aus dem Ort seiner Vergnügun¬
gen auf etwas Aehnlichkeit mit dem Geschmack der
schönen Königin schlieſst, die von der bösen Geschichte
doch wohl etwas schlimmer gemacht worden ist als

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[192/0218] er durchaus nicht eher von meiner Seite ging, bis ich ihm einige kleine Silberstücke gab, die er sehr höflich und dankbar annahm. Ich habe mich nicht enthalten können bey dieser Gelegenheit wahres Mitleid mit dem groſsen Cicero zu haben, daſs sein Name hier ſo er¬ bärmlich herumgetragen wird. Die Ciceronen sind die Plagen der Reisenden, und immer ist einer un¬ wissender und abenteuerlicher als der andere. Den vernünftigsten habe ich noch in Tivoli getroffen, der mir auf der Eselspromenade zum wenigsten ein Duz¬ zend von Horazens Oden rezitirte und nach seiner Weise kommentirte. Ich versuchte es an dem Fuſse des Posilippo an dem Strande hinaus bis an die Spitze zu wandeln; es war aber nicht möglich weiter als ungefähr eine Stun¬ de zu kommen: dann hörte jede Bahn auf, und das Ufer bestand hier und da aus schroffen Felsen. Hier stehen in einer Entfernung von ungefähr einer Vier¬ telstunde zwey alte Gebäude, die man für Schlösser der Königin Johanna hält, wo sie zuweilen auch ihr be¬ rüchtigtes Unwesen getrieben haben soll. Sie sind ziemlich zu so etwas geeignet, gehen weit ins Meer hinein, und es lieſse sich sehr gut zeigen, wozu dieses und jenes gedient haben könnte. Zwischen diesen bey¬ den alten leeren Gebäuden liegt das niedliche Caſino des Ritters Hamilton, wo er beständig den Veſuv vor Augen hatte; und man thut ihm vielleicht nicht ganz Unrecht, wenn man aus dem Ort seiner Vergnügun¬ gen auf etwas Aehnlichkeit mit dem Geschmack der schönen Königin schlieſst, die von der bösen Geschichte doch wohl etwas schlimmer gemacht worden ist als

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/218>, abgerufen am 23.04.2024.