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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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und wahrscheinlich ist er hier begraben. Danat, der
es, wenn ich nicht irre, zuerst erzählt, konnte wohl
noch sichere Nachrichten haben, konnte davon Augen¬
zeuge gewesen seyn, dass das Monument noch ganz
und wohl erhalten war; hatte durchaus keine Ursache,
diesem Fleckchen irgend einem Vorzug vor den übri¬
gen zu geben, und dieses ist der Ort seiner Angabe;
zwey Steine von der Stadt, an dem Wege nach Pu¬
teoli, nicht weit von dem Eingange in die Grotte.
Ich will nun auch einmal glauben; man hat für man¬
chen Glauben weit schlechtere Gründe: und also glau¬
be ich, dass dieses Maros Grab sey. Den Lorber
suchst Du nun umsonst; die gottlosen Afterverehrer
haben ihn so lange bezupft, dass kein Blättchen mehr
davon zu sehen ist. Ich nahm mir die Mühe hinauf
zu steigen und fand nichts als einige wild verschlun¬
gene Kräuter. Der Gärtner beklagte sich, dass die gott¬
losen vandalischen Franzosen ihm den allerletzten
Zweig des heiligen Lorbers geraubt haben. Dichter
müssen es nicht gewesen seyn: denn davon wäre
doch wohl etwas in die Welt erschollen, dass der Lor¬
ber von dem Lateiner neuerdings auf einen Gallier
übergegangen sey. Vielleicht schlägt er dort am
Grabe des Mantuaners wieder aus. Man sollte we¬
nigstens zur Fortsetzung der schönen Fabel das seini¬
ge beytragen; ich gab dem Gärtner gerade zu den
Rath.

Als ich hier und bey Sanazars Grabe nicht weit
davon in der Servitenkirche war, verfolgte mich ein
trauriger Cicerone so fürchterlich mit seiner Dienstfer¬
tigkeit mir die Antiquitäten erklären zu wollen, dass

und wahrscheinlich ist er hier begraben. Danat, der
es, wenn ich nicht irre, zuerst erzählt, konnte wohl
noch sichere Nachrichten haben, konnte davon Augen¬
zeuge gewesen seyn, daſs das Monument noch ganz
und wohl erhalten war; hatte durchaus keine Ursache,
diesem Fleckchen irgend einem Vorzug vor den übri¬
gen zu geben, und dieses ist der Ort seiner Angabe;
zwey Steine von der Stadt, an dem Wege nach Pu¬
teoli, nicht weit von dem Eingange in die Grotte.
Ich will nun auch einmal glauben; man hat für man¬
chen Glauben weit schlechtere Gründe: und also glau¬
be ich, daſs dieses Maros Grab sey. Den Lorber
suchst Du nun umsonst; die gottlosen Afterverehrer
haben ihn so lange bezupft, daſs kein Blättchen mehr
davon zu sehen ist. Ich nahm mir die Mühe hinauf
zu steigen und fand nichts als einige wild verschlun¬
gene Kräuter. Der Gärtner beklagte sich, daſs die gott¬
losen vandalischen Franzosen ihm den allerletzten
Zweig des heiligen Lorbers geraubt haben. Dichter
müssen es nicht gewesen seyn: denn davon wäre
doch wohl etwas in die Welt erschollen, daſs der Lor¬
ber von dem Lateiner neuerdings auf einen Gallier
übergegangen sey. Vielleicht schlägt er dort am
Grabe des Mantuaners wieder aus. Man sollte we¬
nigstens zur Fortsetzung der schönen Fabel das seini¬
ge beytragen; ich gab dem Gärtner gerade zu den
Rath.

Als ich hier und bey Sanazars Grabe nicht weit
davon in der Servitenkirche war, verfolgte mich ein
trauriger Cicerone so fürchterlich mit seiner Dienſtfer¬
tigkeit mir die Antiquitäten erklären zu wollen, daſs

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[191/0217] und wahrscheinlich ist er hier begraben. Danat, der es, wenn ich nicht irre, zuerst erzählt, konnte wohl noch sichere Nachrichten haben, konnte davon Augen¬ zeuge gewesen seyn, daſs das Monument noch ganz und wohl erhalten war; hatte durchaus keine Ursache, diesem Fleckchen irgend einem Vorzug vor den übri¬ gen zu geben, und dieses ist der Ort seiner Angabe; zwey Steine von der Stadt, an dem Wege nach Pu¬ teoli, nicht weit von dem Eingange in die Grotte. Ich will nun auch einmal glauben; man hat für man¬ chen Glauben weit schlechtere Gründe: und also glau¬ be ich, daſs dieses Maros Grab sey. Den Lorber suchst Du nun umsonst; die gottlosen Afterverehrer haben ihn so lange bezupft, daſs kein Blättchen mehr davon zu sehen ist. Ich nahm mir die Mühe hinauf zu steigen und fand nichts als einige wild verschlun¬ gene Kräuter. Der Gärtner beklagte sich, daſs die gott¬ losen vandalischen Franzosen ihm den allerletzten Zweig des heiligen Lorbers geraubt haben. Dichter müssen es nicht gewesen seyn: denn davon wäre doch wohl etwas in die Welt erschollen, daſs der Lor¬ ber von dem Lateiner neuerdings auf einen Gallier übergegangen sey. Vielleicht schlägt er dort am Grabe des Mantuaners wieder aus. Man sollte we¬ nigstens zur Fortsetzung der schönen Fabel das seini¬ ge beytragen; ich gab dem Gärtner gerade zu den Rath. Als ich hier und bey Sanazars Grabe nicht weit davon in der Servitenkirche war, verfolgte mich ein trauriger Cicerone so fürchterlich mit seiner Dienſtfer¬ tigkeit mir die Antiquitäten erklären zu wollen, daſs

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/217>, abgerufen am 16.04.2024.