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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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zeugt war. Antiquitäten schienen zwar seine Sache
nicht zu seyn; aber dafür war er desto bekannter mit
der neuen Welt. Er sprach französisch und englisch
mit vieler Geläufigkeit, weil er in beyden Ländern
einige Zeit gewesen war; eine nicht gewöhnliche Er¬
scheinung unter den Italiänern. Je m'appelle Prince,
sagte er, mais je ne le suis pas; indessen hatten ihn
die Franzosen nach seiner Angabe prinzlich genug be¬
handelt, alle seine Oehlbäume umgehauen, und ihm
auf lange Zeit einen jährlichen Verlust von zweytau¬
send Piastern verursacht. Die Wahrheit daran lasse
ich auf seiner Erzählung beruhen. Der junge Mann
zeigte viel Offenheit, Gewandtheit und Humanität in
seinem Charakter. Sodann führte er mich einige hun¬
dert Schritte weiter zu einer alten Eiche an dem
Wege nach Aricia, nicht weit von dem Eingange in
den Park und die Gärten des Fürsten Chigi. Die Ei¬
che sollte von seltener Schönheit seyn, und sie ist
auch wirklich sehr ansehnlich und malerisch: aber wir
haben bey uns in Deutschland an vielen Orten grössere
und schönere.

Den Herrn Fürsten Chigi kannte ich aus Charak¬
teristiken von Rom, und hätte wohl Lust gehabt seine
Besitzungen näher zu besehen. Er selbst ist als Dich¬
ter und Deklamator in der Stadt bekannt und soll
wirklich unter diesen Rubricken viel Verdienst haben.
Er muss indessen ein sehr sonderbarer Bukoliker und
Idyllendichter seyn; denn in seinem Park hat er den
schönsten und herrlichsten Eichenhain niederhauen
lassen, und in dem Ueberreste lässt er die Schweine
so wild herum laufen, als ob er sich ganz allein von

zeugt war. Antiquitäten schienen zwar seine Sache
nicht zu seyn; aber dafür war er desto bekannter mit
der neuen Welt. Er sprach französisch und englisch
mit vieler Geläufigkeit, weil er in beyden Ländern
einige Zeit gewesen war; eine nicht gewöhnliche Er¬
scheinung unter den Italiänern. Je m'appelle Prince,
sagte er, mais je ne le suis pas; indessen hatten ihn
die Franzosen nach seiner Angabe prinzlich genug be¬
handelt, alle seine Oehlbäume umgehauen, und ihm
auf lange Zeit einen jährlichen Verlust von zweytau¬
send Piastern verursacht. Die Wahrheit daran lasse
ich auf seiner Erzählung beruhen. Der junge Mann
zeigte viel Offenheit, Gewandtheit und Humanität in
seinem Charakter. Sodann führte er mich einige hun¬
dert Schritte weiter zu einer alten Eiche an dem
Wege nach Aricia, nicht weit von dem Eingange in
den Park und die Gärten des Fürsten Chigi. Die Ei¬
che sollte von seltener Schönheit seyn, und sie ist
auch wirklich sehr ansehnlich und malerisch: aber wir
haben bey uns in Deutschland an vielen Orten gröſsere
und schönere.

Den Herrn Fürsten Chigi kannte ich aus Charak¬
teristiken von Rom, und hätte wohl Lust gehabt seine
Besitzungen näher zu besehen. Er selbst ist als Dich¬
ter und Deklamator in der Stadt bekannt und soll
wirklich unter diesen Rubricken viel Verdienst haben.
Er muſs indessen ein sehr sonderbarer Bukoliker und
Idyllendichter seyn; denn in seinem Park hat er den
schönsten und herrlichsten Eichenhain niederhauen
lassen, und in dem Ueberreste läſst er die Schweine
so wild herum laufen, als ob er sich ganz allein von

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[167/0193] zeugt war. Antiquitäten schienen zwar seine Sache nicht zu seyn; aber dafür war er desto bekannter mit der neuen Welt. Er sprach französisch und englisch mit vieler Geläufigkeit, weil er in beyden Ländern einige Zeit gewesen war; eine nicht gewöhnliche Er¬ scheinung unter den Italiänern. Je m'appelle Prince, sagte er, mais je ne le suis pas; indessen hatten ihn die Franzosen nach seiner Angabe prinzlich genug be¬ handelt, alle seine Oehlbäume umgehauen, und ihm auf lange Zeit einen jährlichen Verlust von zweytau¬ send Piastern verursacht. Die Wahrheit daran lasse ich auf seiner Erzählung beruhen. Der junge Mann zeigte viel Offenheit, Gewandtheit und Humanität in seinem Charakter. Sodann führte er mich einige hun¬ dert Schritte weiter zu einer alten Eiche an dem Wege nach Aricia, nicht weit von dem Eingange in den Park und die Gärten des Fürsten Chigi. Die Ei¬ che sollte von seltener Schönheit seyn, und sie ist auch wirklich sehr ansehnlich und malerisch: aber wir haben bey uns in Deutschland an vielen Orten gröſsere und schönere. Den Herrn Fürsten Chigi kannte ich aus Charak¬ teristiken von Rom, und hätte wohl Lust gehabt seine Besitzungen näher zu besehen. Er selbst ist als Dich¬ ter und Deklamator in der Stadt bekannt und soll wirklich unter diesen Rubricken viel Verdienst haben. Er muſs indessen ein sehr sonderbarer Bukoliker und Idyllendichter seyn; denn in seinem Park hat er den schönsten und herrlichsten Eichenhain niederhauen lassen, und in dem Ueberreste läſst er die Schweine so wild herum laufen, als ob er sich ganz allein von

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/193>, abgerufen am 24.04.2024.