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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.

Nur in den Regierungsbezirken Aachen und Koblenz wurden 1818
bis 1820 hiervon für nahezu 5 Millionen M. verkauft.

In Deutschland haben seit 1820 die umfassenden Forstrechts-
ablösungen
in manchen Staaten noch eine bedeutende und bisweilen
im allgemeinen Interesse später beklagte Verkleinerung der Staatswald-
fläche herbeigeführt.

In Oesterreich wurde aber der Verkauf von Staatswaldungen fast
bis zur Neuzeit noch als eine Finanzmassregel betrieben. Von 1800
bis 1877 wurden hier 1369000 ha Domänen und zwar meist Wald ver-
äussert.1)

Auch in Frankreich sind im Laufe des 19. Jahrhunderts noch grosse
Strecken Staatswaldes verkauft worden.2)

§ 2. Allgemeine Erörterungen über Veräusserungen und Neuerwer-
bungen von Staatswaldungen
. Wie am Schlusse des vorausgehenden Para-
graphen erwähnt worden ist, hat gegen das Ende des 18. Jahrhunderts
eine auf Veräusserung der Staatsforsten gerichtete Bewegung begonnen,
welche auch im 19. Jahrhundert noch längere Zeit fortdauerte.

Die geschichtliche Entwickelung während des letzten Jahrhunderts
hat zu der Erkenntnis geführt, dass die gegen den Staatsbesitz ange-
führten Gründe haltlos oder wenigstens nicht schwerwiegend genug sind,
um prinzipiell die Veräusserung sämtlicher Staatsforsten zu veran-
lassen, sondern dass deren Beibehaltung aus triftigen Gründen notwendig
ist. Heutzutage wird diese Forderung von keiner Seite mehr ernstlich
aufgestellt, im Gegenteil überwiegen jetzt die Stimmen, welche eine
weitere Ausdehnung des Staatswaldbesitzes befürworten, abgesehen von
der sozialistischen Forderung einer allgemeinen Verstaatlichung des
Grundbesitzes.

Am bedeutungsvollsten dürfte für die Entscheidung dieser Frage das
Beispiel Oesterreichs und der nordamerikanischen Union sein.

In Oesterreich war man lange Zeit durch die Finanznot und Über-
lastung mit Berechtigungen genötigt, in grossem Umfang Staatswaldungen

1) Von 1804--1848 sind 1802000 ha Staatsgüter veräussert worden, worunter
allerdings der im Gemeindegut aufgegangene dalmatinische Staatsbesitz von rund
960000 ha inbegriffen ist. Im Jahre 1855 wurden alsdann der österreichischen Na-
tionalbank etwa 660000 ha Staatsgüter übergeben, aus denen sie sich für ihre For-
derungen an den Staat bezahlt machen sollte. Trotz des Widerstandes des Reichs-
rates drängte die Finanznot dazu, diese Veräusserung fast vollständig durchzuführen;
von 1848--1870 hat der Staats- und Fondsgüterbesitz eine Fläche von 527000 ha
eingebüsst. (Dimitz, Oesterreichs Forstwesen 1848--1888.)
2) In der Zeit von 1814--1870 sind in Frankreich 352646 ha Staatswaldungen
verkauft worden, hauptsächlich infolge der Gesetze von 1814, 1817 und 1834; ebenso
hat das Gesetz vom 28. Juli 1860 über die Wiederbewaldung der Gebirge die Ver-
äusserung von Staatswaldungen bis zum Betrag von 5 Millionen Frcs. vorgesehen,
um die Mittel zur Durchführung dieser Massregel zu erhalten.
B. Zweiter (spezieller) Teil.

Nur in den Regierungsbezirken Aachen und Koblenz wurden 1818
bis 1820 hiervon für nahezu 5 Millionen M. verkauft.

In Deutschland haben seit 1820 die umfassenden Forstrechts-
ablösungen
in manchen Staaten noch eine bedeutende und bisweilen
im allgemeinen Interesse später beklagte Verkleinerung der Staatswald-
fläche herbeigeführt.

In Oesterreich wurde aber der Verkauf von Staatswaldungen fast
bis zur Neuzeit noch als eine Finanzmaſsregel betrieben. Von 1800
bis 1877 wurden hier 1369000 ha Domänen und zwar meist Wald ver-
äuſsert.1)

Auch in Frankreich sind im Laufe des 19. Jahrhunderts noch groſse
Strecken Staatswaldes verkauft worden.2)

§ 2. Allgemeine Erörterungen über Veräuſserungen und Neuerwer-
bungen von Staatswaldungen
. Wie am Schlusse des vorausgehenden Para-
graphen erwähnt worden ist, hat gegen das Ende des 18. Jahrhunderts
eine auf Veräuſserung der Staatsforsten gerichtete Bewegung begonnen,
welche auch im 19. Jahrhundert noch längere Zeit fortdauerte.

Die geschichtliche Entwickelung während des letzten Jahrhunderts
hat zu der Erkenntnis geführt, daſs die gegen den Staatsbesitz ange-
führten Gründe haltlos oder wenigstens nicht schwerwiegend genug sind,
um prinzipiell die Veräuſserung sämtlicher Staatsforsten zu veran-
lassen, sondern daſs deren Beibehaltung aus triftigen Gründen notwendig
ist. Heutzutage wird diese Forderung von keiner Seite mehr ernstlich
aufgestellt, im Gegenteil überwiegen jetzt die Stimmen, welche eine
weitere Ausdehnung des Staatswaldbesitzes befürworten, abgesehen von
der sozialistischen Forderung einer allgemeinen Verstaatlichung des
Grundbesitzes.

Am bedeutungsvollsten dürfte für die Entscheidung dieser Frage das
Beispiel Oesterreichs und der nordamerikanischen Union sein.

In Oesterreich war man lange Zeit durch die Finanznot und Über-
lastung mit Berechtigungen genötigt, in groſsem Umfang Staatswaldungen

1) Von 1804—1848 sind 1802000 ha Staatsgüter veräuſsert worden, worunter
allerdings der im Gemeindegut aufgegangene dalmatinische Staatsbesitz von rund
960000 ha inbegriffen ist. Im Jahre 1855 wurden alsdann der österreichischen Na-
tionalbank etwa 660000 ha Staatsgüter übergeben, aus denen sie sich für ihre For-
derungen an den Staat bezahlt machen sollte. Trotz des Widerstandes des Reichs-
rates drängte die Finanznot dazu, diese Veräuſserung fast vollständig durchzuführen;
von 1848—1870 hat der Staats- und Fondsgüterbesitz eine Fläche von 527000 ha
eingebüſst. (Dimitz, Oesterreichs Forstwesen 1848—1888.)
2) In der Zeit von 1814—1870 sind in Frankreich 352646 ha Staatswaldungen
verkauft worden, hauptsächlich infolge der Gesetze von 1814, 1817 und 1834; ebenso
hat das Gesetz vom 28. Juli 1860 über die Wiederbewaldung der Gebirge die Ver-
äuſserung von Staatswaldungen bis zum Betrag von 5 Millionen Frcs. vorgesehen,
um die Mittel zur Durchführung dieser Maſsregel zu erhalten.
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[80/0098] B. Zweiter (spezieller) Teil. Nur in den Regierungsbezirken Aachen und Koblenz wurden 1818 bis 1820 hiervon für nahezu 5 Millionen M. verkauft. In Deutschland haben seit 1820 die umfassenden Forstrechts- ablösungen in manchen Staaten noch eine bedeutende und bisweilen im allgemeinen Interesse später beklagte Verkleinerung der Staatswald- fläche herbeigeführt. In Oesterreich wurde aber der Verkauf von Staatswaldungen fast bis zur Neuzeit noch als eine Finanzmaſsregel betrieben. Von 1800 bis 1877 wurden hier 1369000 ha Domänen und zwar meist Wald ver- äuſsert. 1) Auch in Frankreich sind im Laufe des 19. Jahrhunderts noch groſse Strecken Staatswaldes verkauft worden. 2) § 2. Allgemeine Erörterungen über Veräuſserungen und Neuerwer- bungen von Staatswaldungen. Wie am Schlusse des vorausgehenden Para- graphen erwähnt worden ist, hat gegen das Ende des 18. Jahrhunderts eine auf Veräuſserung der Staatsforsten gerichtete Bewegung begonnen, welche auch im 19. Jahrhundert noch längere Zeit fortdauerte. Die geschichtliche Entwickelung während des letzten Jahrhunderts hat zu der Erkenntnis geführt, daſs die gegen den Staatsbesitz ange- führten Gründe haltlos oder wenigstens nicht schwerwiegend genug sind, um prinzipiell die Veräuſserung sämtlicher Staatsforsten zu veran- lassen, sondern daſs deren Beibehaltung aus triftigen Gründen notwendig ist. Heutzutage wird diese Forderung von keiner Seite mehr ernstlich aufgestellt, im Gegenteil überwiegen jetzt die Stimmen, welche eine weitere Ausdehnung des Staatswaldbesitzes befürworten, abgesehen von der sozialistischen Forderung einer allgemeinen Verstaatlichung des Grundbesitzes. Am bedeutungsvollsten dürfte für die Entscheidung dieser Frage das Beispiel Oesterreichs und der nordamerikanischen Union sein. In Oesterreich war man lange Zeit durch die Finanznot und Über- lastung mit Berechtigungen genötigt, in groſsem Umfang Staatswaldungen 1) Von 1804—1848 sind 1802000 ha Staatsgüter veräuſsert worden, worunter allerdings der im Gemeindegut aufgegangene dalmatinische Staatsbesitz von rund 960000 ha inbegriffen ist. Im Jahre 1855 wurden alsdann der österreichischen Na- tionalbank etwa 660000 ha Staatsgüter übergeben, aus denen sie sich für ihre For- derungen an den Staat bezahlt machen sollte. Trotz des Widerstandes des Reichs- rates drängte die Finanznot dazu, diese Veräuſserung fast vollständig durchzuführen; von 1848—1870 hat der Staats- und Fondsgüterbesitz eine Fläche von 527000 ha eingebüſst. (Dimitz, Oesterreichs Forstwesen 1848—1888.) 2) In der Zeit von 1814—1870 sind in Frankreich 352646 ha Staatswaldungen verkauft worden, hauptsächlich infolge der Gesetze von 1814, 1817 und 1834; ebenso hat das Gesetz vom 28. Juli 1860 über die Wiederbewaldung der Gebirge die Ver- äuſserung von Staatswaldungen bis zum Betrag von 5 Millionen Frcs. vorgesehen, um die Mittel zur Durchführung dieser Maſsregel zu erhalten.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/98>, abgerufen am 28.03.2024.