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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.

Das unter 2 genannte Motiv der Lieferung des "nötigen" Holzes
hat gegenwärtig einen vollständig veränderten Charakter angenommen.

Der Staat besitzt nach wie vor ein Interesse, dass die zum Betrieb
der Gewerbe und der Industrien nötigen Rohprodukte, welche mit Vor-
teil im Inlande gewonnen werden können, auch daselbst erzeugt werden.

Die Mittel und Wege, um dieses Ziel zu erreichen, unterscheiden
sich jedoch, wie die spätere Darstellung zeigen wird, gewaltig von jenen,
die im 17. und 18. Jahrhundert angewendet wurden. Infolgedessen
sind die Vorschriften über Beseitigung der Holzverschwendung, die Ver-
bote der Holzausfuhr, des Verkaufs von Wäldern an Fremde u. s. w.
beseitigt worden.

In der Hauptsache wird die Anzucht des erforderlichen Holzes
dem egoistischen Interesse der Waldbesitzer überlassen; soweit von
Staatswegen hierauf noch ein Einfluss geübt wird, tritt dieser hauptsäch-
lich bei Bewirtschaftung der Staatswaldungen und allenfalls noch bei
jener der Gemeinden hervor. Weiterhin kommen hierfür auch die Mass-
regeln der Zollpolitik und die Eisenbahntarife in Betracht. Die Furcht vor
"Holznot" besteht bei den verbesserten Verkehrsmitteln nicht mehr.

Auch die Beschränkungen der freien Preisbildung im früheren Sinne
durch Aufstellung von Taxen, umfangreiche Abgaben aus dem Staats-
walde zu sehr ermässigten Preisen u. s. w. sind gefallen. Nur auf dem
Wege der Zollpolitik und der Eisenbahntarife wird gegenwärtig noch
eine Einwirkung auf den Holzpreis geübt.

An dieser Stelle ist noch eines Strebens zu gedenken, welches zwar
praktisch keine erhebliche Bedeutung gewonnen hat, aber in den forst-
politischen Schriften der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Vorliebe
behandelt wurde.

Als man nämlich anfing, darauf zu verzichten, durch Holztaxen und
Ausfuhrverbote für die nachhaltige Befriedigung des Holzbedarfs zu
sorgen, glaubte man letzteren wenigstens durch Erhaltung der "not-
wendigen Waldfläche
" sichern zu sollen. Pfeil spottete zwar
schon 1816 hierüber, indem er sagte, es sei unmöglich zu berechnen,
was die vorhandene Waldfläche produziere und die Bevölkerung zur
Deckung ihres Bedarfes brauche; allein die statistischen Untersuchungen
über diese beiden Punkte spielten trotzdem noch lange Zeit in der
forstlichen Litteratur eine grosse Rolle.

Die Beaufsichtigung der Vermögensverwaltung von Gemein-
den
und Stiftungen ist auch noch seit der Entwickelung der modernen
politischen Gemeinde bestehen geblieben, hat jedoch einen wesentlich
veränderten Charakter angenommen; für die Gestaltung der Aufsicht
über die Forstwirtschaft der Gemeinden speziell sind zwar vielfach die
historisch entstandenen Verhältnisse massgebend gewesen, doch hat in
neuester Zeit die Entwickelung der Anschauungen bezüglich des Ver-

B. Zweiter (spezieller) Teil.

Das unter 2 genannte Motiv der Lieferung des „nötigen“ Holzes
hat gegenwärtig einen vollständig veränderten Charakter angenommen.

Der Staat besitzt nach wie vor ein Interesse, daſs die zum Betrieb
der Gewerbe und der Industrien nötigen Rohprodukte, welche mit Vor-
teil im Inlande gewonnen werden können, auch daselbst erzeugt werden.

Die Mittel und Wege, um dieses Ziel zu erreichen, unterscheiden
sich jedoch, wie die spätere Darstellung zeigen wird, gewaltig von jenen,
die im 17. und 18. Jahrhundert angewendet wurden. Infolgedessen
sind die Vorschriften über Beseitigung der Holzverschwendung, die Ver-
bote der Holzausfuhr, des Verkaufs von Wäldern an Fremde u. s. w.
beseitigt worden.

In der Hauptsache wird die Anzucht des erforderlichen Holzes
dem egoistischen Interesse der Waldbesitzer überlassen; soweit von
Staatswegen hierauf noch ein Einfluſs geübt wird, tritt dieser hauptsäch-
lich bei Bewirtschaftung der Staatswaldungen und allenfalls noch bei
jener der Gemeinden hervor. Weiterhin kommen hierfür auch die Maſs-
regeln der Zollpolitik und die Eisenbahntarife in Betracht. Die Furcht vor
„Holznot“ besteht bei den verbesserten Verkehrsmitteln nicht mehr.

Auch die Beschränkungen der freien Preisbildung im früheren Sinne
durch Aufstellung von Taxen, umfangreiche Abgaben aus dem Staats-
walde zu sehr ermäſsigten Preisen u. s. w. sind gefallen. Nur auf dem
Wege der Zollpolitik und der Eisenbahntarife wird gegenwärtig noch
eine Einwirkung auf den Holzpreis geübt.

An dieser Stelle ist noch eines Strebens zu gedenken, welches zwar
praktisch keine erhebliche Bedeutung gewonnen hat, aber in den forst-
politischen Schriften der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Vorliebe
behandelt wurde.

Als man nämlich anfing, darauf zu verzichten, durch Holztaxen und
Ausfuhrverbote für die nachhaltige Befriedigung des Holzbedarfs zu
sorgen, glaubte man letzteren wenigstens durch Erhaltung der „not-
wendigen Waldfläche
“ sichern zu sollen. Pfeil spottete zwar
schon 1816 hierüber, indem er sagte, es sei unmöglich zu berechnen,
was die vorhandene Waldfläche produziere und die Bevölkerung zur
Deckung ihres Bedarfes brauche; allein die statistischen Untersuchungen
über diese beiden Punkte spielten trotzdem noch lange Zeit in der
forstlichen Litteratur eine groſse Rolle.

Die Beaufsichtigung der Vermögensverwaltung von Gemein-
den
und Stiftungen ist auch noch seit der Entwickelung der modernen
politischen Gemeinde bestehen geblieben, hat jedoch einen wesentlich
veränderten Charakter angenommen; für die Gestaltung der Aufsicht
über die Forstwirtschaft der Gemeinden speziell sind zwar vielfach die
historisch entstandenen Verhältnisse maſsgebend gewesen, doch hat in
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[74/0092] B. Zweiter (spezieller) Teil. Das unter 2 genannte Motiv der Lieferung des „nötigen“ Holzes hat gegenwärtig einen vollständig veränderten Charakter angenommen. Der Staat besitzt nach wie vor ein Interesse, daſs die zum Betrieb der Gewerbe und der Industrien nötigen Rohprodukte, welche mit Vor- teil im Inlande gewonnen werden können, auch daselbst erzeugt werden. Die Mittel und Wege, um dieses Ziel zu erreichen, unterscheiden sich jedoch, wie die spätere Darstellung zeigen wird, gewaltig von jenen, die im 17. und 18. Jahrhundert angewendet wurden. Infolgedessen sind die Vorschriften über Beseitigung der Holzverschwendung, die Ver- bote der Holzausfuhr, des Verkaufs von Wäldern an Fremde u. s. w. beseitigt worden. In der Hauptsache wird die Anzucht des erforderlichen Holzes dem egoistischen Interesse der Waldbesitzer überlassen; soweit von Staatswegen hierauf noch ein Einfluſs geübt wird, tritt dieser hauptsäch- lich bei Bewirtschaftung der Staatswaldungen und allenfalls noch bei jener der Gemeinden hervor. Weiterhin kommen hierfür auch die Maſs- regeln der Zollpolitik und die Eisenbahntarife in Betracht. Die Furcht vor „Holznot“ besteht bei den verbesserten Verkehrsmitteln nicht mehr. Auch die Beschränkungen der freien Preisbildung im früheren Sinne durch Aufstellung von Taxen, umfangreiche Abgaben aus dem Staats- walde zu sehr ermäſsigten Preisen u. s. w. sind gefallen. Nur auf dem Wege der Zollpolitik und der Eisenbahntarife wird gegenwärtig noch eine Einwirkung auf den Holzpreis geübt. An dieser Stelle ist noch eines Strebens zu gedenken, welches zwar praktisch keine erhebliche Bedeutung gewonnen hat, aber in den forst- politischen Schriften der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit Vorliebe behandelt wurde. Als man nämlich anfing, darauf zu verzichten, durch Holztaxen und Ausfuhrverbote für die nachhaltige Befriedigung des Holzbedarfs zu sorgen, glaubte man letzteren wenigstens durch Erhaltung der „not- wendigen Waldfläche“ sichern zu sollen. Pfeil spottete zwar schon 1816 hierüber, indem er sagte, es sei unmöglich zu berechnen, was die vorhandene Waldfläche produziere und die Bevölkerung zur Deckung ihres Bedarfes brauche; allein die statistischen Untersuchungen über diese beiden Punkte spielten trotzdem noch lange Zeit in der forstlichen Litteratur eine groſse Rolle. Die Beaufsichtigung der Vermögensverwaltung von Gemein- den und Stiftungen ist auch noch seit der Entwickelung der modernen politischen Gemeinde bestehen geblieben, hat jedoch einen wesentlich veränderten Charakter angenommen; für die Gestaltung der Aufsicht über die Forstwirtschaft der Gemeinden speziell sind zwar vielfach die historisch entstandenen Verhältnisse maſsgebend gewesen, doch hat in neuester Zeit die Entwickelung der Anschauungen bezüglich des Ver-

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/92>, abgerufen am 29.03.2024.