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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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A. Erster (allgemeiner) Teil.

§ 7. Die sanitäre Bedeutung des Waldes. Die sanitären Einflüsse
des Waldes pflegen von seiten des grossen Publikums meist gewaltig über-
schätzt zu werden, indem man häufig dem Walde die Fähigkeit zu-
schreibt, Gegenden, in welchen gewisse Krankheiten, z. B. Malaria,
endemisch sind, hiervon vollständig zu befreien. Die Eukalyptuskulturen
in der Campagna und die selbst in Fachkreisen zu einer sagenhaften
Berühmtheit gewordene Erzählung von dem Kloster Tre Fontane spielen
hierbei eine wesentliche Rolle; die "ozonreiche" Waldluft ist ein eben
so ständiger Reklameartikel für alle Luftkurorte, wie eine beliebte Ro-
manphrase.

Leider vermögen diese Anschauungen der exakten Forschung gegen-
über nicht stand zu halten.

Wenn man auch absieht von der in der Kreisen der Chemiker
bestehenden Meinungsverschiedenheit über das Wesen und Verhalten
des Ozons, so ist doch nunmehr nachgewiesen, dass das Ozon irgend
welche hygienische Bedeutung nicht besitzt und namentlich in keinem
Zusammenhange mit dem Auftreten von Epidemien steht.

Das Trappistenkloster Tre Fontane war als ungemein ungesund
bekannt, bis angeblich infolge der 1868 dort begonnenen Eukalyptus-
kulturen um das Jahr 1880 das Fieber vollständig aus demselben ver-
schwunden war.

Die Ursachen dieser Assanierung wurden gesucht

a) in der Wasseraufsaugung mittels der Eukalyptuswurzeln, sowie

b) in der Durchbrechung und Zersetzung der festen Tuffschicht
des Untergrundes durch die Eukalyptuswurzeln und in der hierdurch
veranlassten Beseitigung des Sickerwassers.

Eine königliche Untersuchungskommission stellte jedoch 1881 fest,
dass die Entwässerung lediglich eine Folge der Wiederinstandsetzung
eines bereits früher vorhandenen, allmählich jedoch vollständig un-
wegsam gewordenen Kanalsystems ist. 1)

Ausserdem sind aber auch, wie Tomasi Crudeli auf dem V. Inter-
nationalen Kongress für Hygiene und Demographie (Comptes rendus,
t. II. p. 25) mitteilte, die Sumpffieber aus der Campagna romana keines-
wegs verschwunden; epidemische Wechselfieber gehören vielmehr so-
gar in den Eukalyptuswaldungen keineswegs zu den Seltenheiten.

Die Berichte von der Assanierung ungesunder Gegenden lediglich
durch Aufforstung sind daher sehr skeptisch aufzunehmen. Insoweit
diese Verbesserung darauf beruhen soll, dass der Grundwasserstand
modifiziert und ein Überfluss von Feuchtigkeit durch die Verdunstung
beseitigt wird, kann der Wald nach den bisherigen Erörterungen nur

1) Della influenza dei boschi sulla malaria dominante nella regione maritima
della provincia di Roma. (Auszugsweise mitgeteilt von Perona in der Allgem. Forst-
und Jagdzeitung 1885.)
A. Erster (allgemeiner) Teil.

§ 7. Die sanitäre Bedeutung des Waldes. Die sanitären Einflüsse
des Waldes pflegen von seiten des groſsen Publikums meist gewaltig über-
schätzt zu werden, indem man häufig dem Walde die Fähigkeit zu-
schreibt, Gegenden, in welchen gewisse Krankheiten, z. B. Malaria,
endemisch sind, hiervon vollständig zu befreien. Die Eukalyptuskulturen
in der Campagna und die selbst in Fachkreisen zu einer sagenhaften
Berühmtheit gewordene Erzählung von dem Kloster Tre Fontane spielen
hierbei eine wesentliche Rolle; die „ozonreiche“ Waldluft ist ein eben
so ständiger Reklameartikel für alle Luftkurorte, wie eine beliebte Ro-
manphrase.

Leider vermögen diese Anschauungen der exakten Forschung gegen-
über nicht stand zu halten.

Wenn man auch absieht von der in der Kreisen der Chemiker
bestehenden Meinungsverschiedenheit über das Wesen und Verhalten
des Ozons, so ist doch nunmehr nachgewiesen, daſs das Ozon irgend
welche hygienische Bedeutung nicht besitzt und namentlich in keinem
Zusammenhange mit dem Auftreten von Epidemien steht.

Das Trappistenkloster Tre Fontane war als ungemein ungesund
bekannt, bis angeblich infolge der 1868 dort begonnenen Eukalyptus-
kulturen um das Jahr 1880 das Fieber vollständig aus demselben ver-
schwunden war.

Die Ursachen dieser Assanierung wurden gesucht

a) in der Wasseraufsaugung mittels der Eukalyptuswurzeln, sowie

b) in der Durchbrechung und Zersetzung der festen Tuffschicht
des Untergrundes durch die Eukalyptuswurzeln und in der hierdurch
veranlaſsten Beseitigung des Sickerwassers.

Eine königliche Untersuchungskommission stellte jedoch 1881 fest,
daſs die Entwässerung lediglich eine Folge der Wiederinstandsetzung
eines bereits früher vorhandenen, allmählich jedoch vollständig un-
wegsam gewordenen Kanalsystems ist. 1)

Auſserdem sind aber auch, wie Tomasi Crudeli auf dem V. Inter-
nationalen Kongreſs für Hygiene und Demographie (Comptes rendus,
t. II. p. 25) mitteilte, die Sumpffieber aus der Campagna romana keines-
wegs verschwunden; epidemische Wechselfieber gehören vielmehr so-
gar in den Eukalyptuswaldungen keineswegs zu den Seltenheiten.

Die Berichte von der Assanierung ungesunder Gegenden lediglich
durch Aufforstung sind daher sehr skeptisch aufzunehmen. Insoweit
diese Verbesserung darauf beruhen soll, daſs der Grundwasserstand
modifiziert und ein Überfluſs von Feuchtigkeit durch die Verdunstung
beseitigt wird, kann der Wald nach den bisherigen Erörterungen nur

1) Della influenza dei boschi sulla malaria dominante nella regione maritima
della provincia di Roma. (Auszugsweise mitgeteilt von Perona in der Allgem. Forst-
und Jagdzeitung 1885.)
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[66/0084] A. Erster (allgemeiner) Teil. § 7. Die sanitäre Bedeutung des Waldes. Die sanitären Einflüsse des Waldes pflegen von seiten des groſsen Publikums meist gewaltig über- schätzt zu werden, indem man häufig dem Walde die Fähigkeit zu- schreibt, Gegenden, in welchen gewisse Krankheiten, z. B. Malaria, endemisch sind, hiervon vollständig zu befreien. Die Eukalyptuskulturen in der Campagna und die selbst in Fachkreisen zu einer sagenhaften Berühmtheit gewordene Erzählung von dem Kloster Tre Fontane spielen hierbei eine wesentliche Rolle; die „ozonreiche“ Waldluft ist ein eben so ständiger Reklameartikel für alle Luftkurorte, wie eine beliebte Ro- manphrase. Leider vermögen diese Anschauungen der exakten Forschung gegen- über nicht stand zu halten. Wenn man auch absieht von der in der Kreisen der Chemiker bestehenden Meinungsverschiedenheit über das Wesen und Verhalten des Ozons, so ist doch nunmehr nachgewiesen, daſs das Ozon irgend welche hygienische Bedeutung nicht besitzt und namentlich in keinem Zusammenhange mit dem Auftreten von Epidemien steht. Das Trappistenkloster Tre Fontane war als ungemein ungesund bekannt, bis angeblich infolge der 1868 dort begonnenen Eukalyptus- kulturen um das Jahr 1880 das Fieber vollständig aus demselben ver- schwunden war. Die Ursachen dieser Assanierung wurden gesucht a) in der Wasseraufsaugung mittels der Eukalyptuswurzeln, sowie b) in der Durchbrechung und Zersetzung der festen Tuffschicht des Untergrundes durch die Eukalyptuswurzeln und in der hierdurch veranlaſsten Beseitigung des Sickerwassers. Eine königliche Untersuchungskommission stellte jedoch 1881 fest, daſs die Entwässerung lediglich eine Folge der Wiederinstandsetzung eines bereits früher vorhandenen, allmählich jedoch vollständig un- wegsam gewordenen Kanalsystems ist. 1) Auſserdem sind aber auch, wie Tomasi Crudeli auf dem V. Inter- nationalen Kongreſs für Hygiene und Demographie (Comptes rendus, t. II. p. 25) mitteilte, die Sumpffieber aus der Campagna romana keines- wegs verschwunden; epidemische Wechselfieber gehören vielmehr so- gar in den Eukalyptuswaldungen keineswegs zu den Seltenheiten. Die Berichte von der Assanierung ungesunder Gegenden lediglich durch Aufforstung sind daher sehr skeptisch aufzunehmen. Insoweit diese Verbesserung darauf beruhen soll, daſs der Grundwasserstand modifiziert und ein Überfluſs von Feuchtigkeit durch die Verdunstung beseitigt wird, kann der Wald nach den bisherigen Erörterungen nur 1) Della influenza dei boschi sulla malaria dominante nella regione maritima della provincia di Roma. (Auszugsweise mitgeteilt von Perona in der Allgem. Forst- und Jagdzeitung 1885.)

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/84>, abgerufen am 19.04.2024.