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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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A. Erster (allgemeiner) Teil.
lassung zur Flugsandbildung gegeben hat, so z. B. nach Burckhardt
im Emsland bezüglich der dort fast 6000 ha umfassenden Flugsand-
flächen; ebenso bieten die gerodeten Weideabfindungsflächen in den
östlichen Provinzen Preussens recht ausgedehnte und traurige Beispiele
in dieser Richtung.

In noch höherem Grade zeigen sich die bösen Folgen der Entwaldung
an der Seeküste durch Bildung von Wanderdünen, da hier die Wirkung
des Windes ungleich energischer und langdauernder ist, als im Binnenlande.

So hat die Entwaldung der frischen Nehrung zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts ein Gelände von circa 100 km Länge in eine Wüste verwandelt,
das frische Haff teilweise versandet und die Wasserstrasse zwischen El-
bing, dem Meere und Königsberg unfahrbar gemacht.

Die ausgedehnten Aufforstungen von Flugsandschollen, welche be-
reits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, in grossem Massstabe aber seit
etwa 50 Jahren in fast allen Kulturländern Europas stattgefunden haben,
tragen bereits die besten Früchte und bilden den besten Beweis für die
hohe volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes unter derartigen Ver-
hältnissen.

Eine der grossartigsten Anlagen dieser Art ist die Wiederbewaldung
der Landes de Gascogne, eines Landstriches, der in beiläufiger Aus-
dehnung von 800000 ha südlich von Bordeaux zwischen den Flussthälern
der Garonne und des Adour gelegen ist. 1) Vor 70 Jahren trug derselbe
noch den Charakter einer ungeheuren Wüste, welche im Winter über-
schwemmt, im Sommer dagegen heiss und trocken war. Die fast hori-
zontale Lage des Bodens, sowie der Umstand, dass der Sand in einer
Tiefe von meist nur 40--50 cm von Ortstein unterlagert war, gestattete
den im Winter reichlich niedergehenden Regengüssen weder einen ober-
noch einen unterirdischen Abfluss; dagegen gab es auf dem ganzen
Plateau dadurch, dass das Wasser durch die brennenden Sonnenstrahlen
rasch verdunstete, weder Quellen noch Wasseradern.

Heute haben sich die ehemaligen Heide- und Flugsandflächen in
herrliche Seekiefern- und Eichenwälder verwandelt, und die Landes sind
das waldreichste Departement Frankreichs geworden. Bahnen, Kanäle,
Strassen und Wege durchziehen nach allen Richtungen den ganzen Land-
strich, und an Stelle der vom Fieber dezimierten und moralisch tief-
stehenden Hirtenbevölkerung ist ein gesundes, gesittetes, glückliches und
reiches Industrievolk getreten.

Blanc sagt über den Einfluss der Kultur von Pinus maritima in
den Landes in einem Artikel der Revue des eaux et forets: l'arbre in-

1) Eingeleitet wurden diese Aufforstungen durch das Gesetz vom 14. Dezember
1810: decret relatif a la plantation des dunes und die Verordnung vom 5. Febr.
1817: ordonnance relative a la fixation et a l'ensemencement des dunes dans les
departements de la Gironde et des Landes.

A. Erster (allgemeiner) Teil.
lassung zur Flugsandbildung gegeben hat, so z. B. nach Burckhardt
im Emsland bezüglich der dort fast 6000 ha umfassenden Flugsand-
flächen; ebenso bieten die gerodeten Weideabfindungsflächen in den
östlichen Provinzen Preuſsens recht ausgedehnte und traurige Beispiele
in dieser Richtung.

In noch höherem Grade zeigen sich die bösen Folgen der Entwaldung
an der Seeküste durch Bildung von Wanderdünen, da hier die Wirkung
des Windes ungleich energischer und langdauernder ist, als im Binnenlande.

So hat die Entwaldung der frischen Nehrung zu Anfang des 18. Jahr-
hunderts ein Gelände von circa 100 km Länge in eine Wüste verwandelt,
das frische Haff teilweise versandet und die Wasserstraſse zwischen El-
bing, dem Meere und Königsberg unfahrbar gemacht.

Die ausgedehnten Aufforstungen von Flugsandschollen, welche be-
reits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, in groſsem Maſsstabe aber seit
etwa 50 Jahren in fast allen Kulturländern Europas stattgefunden haben,
tragen bereits die besten Früchte und bilden den besten Beweis für die
hohe volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes unter derartigen Ver-
hältnissen.

Eine der groſsartigsten Anlagen dieser Art ist die Wiederbewaldung
der Landes de Gascogne, eines Landstriches, der in beiläufiger Aus-
dehnung von 800000 ha südlich von Bordeaux zwischen den Fluſsthälern
der Garonne und des Adour gelegen ist. 1) Vor 70 Jahren trug derselbe
noch den Charakter einer ungeheuren Wüste, welche im Winter über-
schwemmt, im Sommer dagegen heiſs und trocken war. Die fast hori-
zontale Lage des Bodens, sowie der Umstand, daſs der Sand in einer
Tiefe von meist nur 40—50 cm von Ortstein unterlagert war, gestattete
den im Winter reichlich niedergehenden Regengüssen weder einen ober-
noch einen unterirdischen Abfluſs; dagegen gab es auf dem ganzen
Plateau dadurch, daſs das Wasser durch die brennenden Sonnenstrahlen
rasch verdunstete, weder Quellen noch Wasseradern.

Heute haben sich die ehemaligen Heide- und Flugsandflächen in
herrliche Seekiefern- und Eichenwälder verwandelt, und die Landes sind
das waldreichste Departement Frankreichs geworden. Bahnen, Kanäle,
Straſsen und Wege durchziehen nach allen Richtungen den ganzen Land-
strich, und an Stelle der vom Fieber dezimierten und moralisch tief-
stehenden Hirtenbevölkerung ist ein gesundes, gesittetes, glückliches und
reiches Industrievolk getreten.

Blanc sagt über den Einfluſs der Kultur von Pinus maritima in
den Landes in einem Artikel der Revue des eaux et forêts: l’arbre in-

1) Eingeleitet wurden diese Aufforstungen durch das Gesetz vom 14. Dezember
1810: décret relatif à la plantation des dunes und die Verordnung vom 5. Febr.
1817: ordonnance relative à la fixation et à l’ensemencement des dunes dans les
départements de la Gironde et des Landes.
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[64/0082] A. Erster (allgemeiner) Teil. lassung zur Flugsandbildung gegeben hat, so z. B. nach Burckhardt im Emsland bezüglich der dort fast 6000 ha umfassenden Flugsand- flächen; ebenso bieten die gerodeten Weideabfindungsflächen in den östlichen Provinzen Preuſsens recht ausgedehnte und traurige Beispiele in dieser Richtung. In noch höherem Grade zeigen sich die bösen Folgen der Entwaldung an der Seeküste durch Bildung von Wanderdünen, da hier die Wirkung des Windes ungleich energischer und langdauernder ist, als im Binnenlande. So hat die Entwaldung der frischen Nehrung zu Anfang des 18. Jahr- hunderts ein Gelände von circa 100 km Länge in eine Wüste verwandelt, das frische Haff teilweise versandet und die Wasserstraſse zwischen El- bing, dem Meere und Königsberg unfahrbar gemacht. Die ausgedehnten Aufforstungen von Flugsandschollen, welche be- reits seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, in groſsem Maſsstabe aber seit etwa 50 Jahren in fast allen Kulturländern Europas stattgefunden haben, tragen bereits die besten Früchte und bilden den besten Beweis für die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes unter derartigen Ver- hältnissen. Eine der groſsartigsten Anlagen dieser Art ist die Wiederbewaldung der Landes de Gascogne, eines Landstriches, der in beiläufiger Aus- dehnung von 800000 ha südlich von Bordeaux zwischen den Fluſsthälern der Garonne und des Adour gelegen ist. 1) Vor 70 Jahren trug derselbe noch den Charakter einer ungeheuren Wüste, welche im Winter über- schwemmt, im Sommer dagegen heiſs und trocken war. Die fast hori- zontale Lage des Bodens, sowie der Umstand, daſs der Sand in einer Tiefe von meist nur 40—50 cm von Ortstein unterlagert war, gestattete den im Winter reichlich niedergehenden Regengüssen weder einen ober- noch einen unterirdischen Abfluſs; dagegen gab es auf dem ganzen Plateau dadurch, daſs das Wasser durch die brennenden Sonnenstrahlen rasch verdunstete, weder Quellen noch Wasseradern. Heute haben sich die ehemaligen Heide- und Flugsandflächen in herrliche Seekiefern- und Eichenwälder verwandelt, und die Landes sind das waldreichste Departement Frankreichs geworden. Bahnen, Kanäle, Straſsen und Wege durchziehen nach allen Richtungen den ganzen Land- strich, und an Stelle der vom Fieber dezimierten und moralisch tief- stehenden Hirtenbevölkerung ist ein gesundes, gesittetes, glückliches und reiches Industrievolk getreten. Blanc sagt über den Einfluſs der Kultur von Pinus maritima in den Landes in einem Artikel der Revue des eaux et forêts: l’arbre in- 1) Eingeleitet wurden diese Aufforstungen durch das Gesetz vom 14. Dezember 1810: décret relatif à la plantation des dunes und die Verordnung vom 5. Febr. 1817: ordonnance relative à la fixation et à l’ensemencement des dunes dans les départements de la Gironde et des Landes.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/82>, abgerufen am 28.03.2024.