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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes.
mit Wasser vollgesogen auf den unterliegenden, steil geneigten Sand-
steinschichten abrutschten und so mit dem darauf stockenden Wald-
bestand in die Tiefe kamen.

Es muss aber nachdrücklich darauf hingewiesen werden, dass nach
Rodung des Waldes derartige Katastrophen noch verheerender und in
viel grösserem Masse auftreten würden.

Von grösster Bedeutung für die Schutzwirkung des Waldes im Hoch-
gebirge ist der Umstand, ob die Waldvegetation bis zur Spitze des Berges
hinaufreicht oder nicht.

In letzterem Falle kann natürlich durch den Wald die Entstehung
von Wildbächen und Muren in den oberhalb liegenden Partien ebenso-
wenig verhindert werden, als die Bildung von Lawinen. 1) Der Wald
kann hier nur bis zu einem gewissen Grade Schutz gegen die von oben
kommenden Stein- und Gerölle- oder Schneemassen gewähren. Dieser
wird um so geringer sein, je grösser diese Massen und je höher die ober-
halb liegenden Berghänge sind, weil hiermit deren Energie zur Über-
windung des vom Walde geleisteten Widerstandes wächst.

§ 6. Die Bindung der Flugsandschollen und Wanderdünen. Nicht
minder verheerend als die Wucht der mit elementarer Gewalt nieder-
stürzenden Wildbäche und Muren ist das zwar langsame, aber stetige
und unaufhaltsame Wirken des Flugsandes!

Dieser findet sich hauptsächlich an der Meeresküste als Dünensand;
aber auch das Binnenland hat ausgedehnte Gebiete fliegenden Sandes
aufzuweisen. 2)

Der Wald ist für beide Formen von grösster Wichtigkeit, da die
unvorsichtige Rodung des Waldes in vielen Fällen die Bildung von
Flugsandschollen und Wanderdünen veranlasst hat, sowie anderseits die
Aufforstung in der Regel das beste und vielfach sogar das einzige Mittel
ist, um den Flugsand zu binden und die betreffenden Flächen nutzbar
zu machen.

Bezüglich der binnenländischen Flugsandschollen behauptet Wessely,
dieselben seien sämtlich in historischer Zeit dadurch hervorgerufen worden,
dass in der Regel durch den Unverstand der keine Zukunft, sondern nur
den Moment berücksichtigenden Habsucht der Menschen auf einer Sand-
heide irgendwo die schützende Pflanzendecke samt der zunächst dar-
unterliegenden humosen und deshalb bindenden Sandschichte beseitigt,
sowie damit der unter der letzteren vorkommende lose Sand der Ein-
wirkung des Windes eröffnet worden ist.

In vielen Fällen ist nachweisbar, dass die Entwaldung die Veran-

1) In der Schweiz brachen 1887--88: 803 Lawinen oberhalb und 210 Lawinen
unter der Waldgrenze los.
2) In Preussen sind ca. 30000 ha, in Frankreich 78000 ha Flugsand, in Ungarn
umfasst die Deliblater Puszta 10000 ha Flugsand.

II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes.
mit Wasser vollgesogen auf den unterliegenden, steil geneigten Sand-
steinschichten abrutschten und so mit dem darauf stockenden Wald-
bestand in die Tiefe kamen.

Es muſs aber nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daſs nach
Rodung des Waldes derartige Katastrophen noch verheerender und in
viel gröſserem Maſse auftreten würden.

Von gröſster Bedeutung für die Schutzwirkung des Waldes im Hoch-
gebirge ist der Umstand, ob die Waldvegetation bis zur Spitze des Berges
hinaufreicht oder nicht.

In letzterem Falle kann natürlich durch den Wald die Entstehung
von Wildbächen und Muren in den oberhalb liegenden Partien ebenso-
wenig verhindert werden, als die Bildung von Lawinen. 1) Der Wald
kann hier nur bis zu einem gewissen Grade Schutz gegen die von oben
kommenden Stein- und Gerölle- oder Schneemassen gewähren. Dieser
wird um so geringer sein, je gröſser diese Massen und je höher die ober-
halb liegenden Berghänge sind, weil hiermit deren Energie zur Über-
windung des vom Walde geleisteten Widerstandes wächst.

§ 6. Die Bindung der Flugsandschollen und Wanderdünen. Nicht
minder verheerend als die Wucht der mit elementarer Gewalt nieder-
stürzenden Wildbäche und Muren ist das zwar langsame, aber stetige
und unaufhaltsame Wirken des Flugsandes!

Dieser findet sich hauptsächlich an der Meeresküste als Dünensand;
aber auch das Binnenland hat ausgedehnte Gebiete fliegenden Sandes
aufzuweisen. 2)

Der Wald ist für beide Formen von gröſster Wichtigkeit, da die
unvorsichtige Rodung des Waldes in vielen Fällen die Bildung von
Flugsandschollen und Wanderdünen veranlaſst hat, sowie anderseits die
Aufforstung in der Regel das beste und vielfach sogar das einzige Mittel
ist, um den Flugsand zu binden und die betreffenden Flächen nutzbar
zu machen.

Bezüglich der binnenländischen Flugsandschollen behauptet Wessely,
dieselben seien sämtlich in historischer Zeit dadurch hervorgerufen worden,
daſs in der Regel durch den Unverstand der keine Zukunft, sondern nur
den Moment berücksichtigenden Habsucht der Menschen auf einer Sand-
heide irgendwo die schützende Pflanzendecke samt der zunächst dar-
unterliegenden humosen und deshalb bindenden Sandschichte beseitigt,
sowie damit der unter der letzteren vorkommende lose Sand der Ein-
wirkung des Windes eröffnet worden ist.

In vielen Fällen ist nachweisbar, daſs die Entwaldung die Veran-

1) In der Schweiz brachen 1887—88: 803 Lawinen oberhalb und 210 Lawinen
unter der Waldgrenze los.
2) In Preuſsen sind ca. 30000 ha, in Frankreich 78000 ha Flugsand, in Ungarn
umfaſst die Deliblater Puszta 10000 ha Flugsand.
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[63/0081] II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes. mit Wasser vollgesogen auf den unterliegenden, steil geneigten Sand- steinschichten abrutschten und so mit dem darauf stockenden Wald- bestand in die Tiefe kamen. Es muſs aber nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daſs nach Rodung des Waldes derartige Katastrophen noch verheerender und in viel gröſserem Maſse auftreten würden. Von gröſster Bedeutung für die Schutzwirkung des Waldes im Hoch- gebirge ist der Umstand, ob die Waldvegetation bis zur Spitze des Berges hinaufreicht oder nicht. In letzterem Falle kann natürlich durch den Wald die Entstehung von Wildbächen und Muren in den oberhalb liegenden Partien ebenso- wenig verhindert werden, als die Bildung von Lawinen. 1) Der Wald kann hier nur bis zu einem gewissen Grade Schutz gegen die von oben kommenden Stein- und Gerölle- oder Schneemassen gewähren. Dieser wird um so geringer sein, je gröſser diese Massen und je höher die ober- halb liegenden Berghänge sind, weil hiermit deren Energie zur Über- windung des vom Walde geleisteten Widerstandes wächst. § 6. Die Bindung der Flugsandschollen und Wanderdünen. Nicht minder verheerend als die Wucht der mit elementarer Gewalt nieder- stürzenden Wildbäche und Muren ist das zwar langsame, aber stetige und unaufhaltsame Wirken des Flugsandes! Dieser findet sich hauptsächlich an der Meeresküste als Dünensand; aber auch das Binnenland hat ausgedehnte Gebiete fliegenden Sandes aufzuweisen. 2) Der Wald ist für beide Formen von gröſster Wichtigkeit, da die unvorsichtige Rodung des Waldes in vielen Fällen die Bildung von Flugsandschollen und Wanderdünen veranlaſst hat, sowie anderseits die Aufforstung in der Regel das beste und vielfach sogar das einzige Mittel ist, um den Flugsand zu binden und die betreffenden Flächen nutzbar zu machen. Bezüglich der binnenländischen Flugsandschollen behauptet Wessely, dieselben seien sämtlich in historischer Zeit dadurch hervorgerufen worden, daſs in der Regel durch den Unverstand der keine Zukunft, sondern nur den Moment berücksichtigenden Habsucht der Menschen auf einer Sand- heide irgendwo die schützende Pflanzendecke samt der zunächst dar- unterliegenden humosen und deshalb bindenden Sandschichte beseitigt, sowie damit der unter der letzteren vorkommende lose Sand der Ein- wirkung des Windes eröffnet worden ist. In vielen Fällen ist nachweisbar, daſs die Entwaldung die Veran- 1) In der Schweiz brachen 1887—88: 803 Lawinen oberhalb und 210 Lawinen unter der Waldgrenze los. 2) In Preuſsen sind ca. 30000 ha, in Frankreich 78000 ha Flugsand, in Ungarn umfaſst die Deliblater Puszta 10000 ha Flugsand.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/81>, abgerufen am 24.04.2024.