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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes.
hierdurch wieder ist der Einsturz des höher gelegenen Geländes be-
dingt. Diese zerstörenden Wirkungen wiederholen sich und bewirken
eine Reihe von Einstürzen, deren Massen sich mit den von der
Bergseite herabgekommenen vereinigen und zusammen jene grossen
Muren bilden, welche das bewohnte und fruchtbare Gelände auf weite
Entfernungen in Wüsten verwandeln.

Wie kolossal die Erdmassen sind, welche bei derartigen Katastro-
phen bewegt werden, zeigt ein von Demontzey mitgeteilter Fall, wo
bei einem einzigen Gewitter am 13. August 1876 im Thale der Ubaye der
Wildbach von Faucon (Kanton und Arrondissement Barcelonette) nicht
weniger als 169000 cbm feste Masse und 65000 cbm Wasser herabbrachte.

Die Erkenntnis der vorteilhaften Wirkung des Waldes ist schon
alt; die Franzosen haben zuerst von der Schutzwirkung desselben einen
ausgedehnten Gebrauch gemacht, nachdem Surell bereits 1842 in seinem
Werke "Etude sur les torrents des Hautes Alpes" folgende Sätze aufgestellt:

1. Die Bestockung eines Bodens mit Wald verhindert die Bildung
von Wildbächen.

2. Die Entwaldung liefert den Boden den Wildbächen als Beute aus.

3. Durch Ausdehnung der Wälder werden die Wildbäche beseitigt.

Über die in Frankreich angewandte Methode der Wildbachverbau-
ung und die damit erzielten Erfolge hat Demontzey in seinem berühm-
ten Werke "Etude sur les travaux de reboisement et de gazonnement
des montagnes" berichtet und wird auf dieses von Seckendorff über-
setzte Buch bezüglich der Details der Wildbachverbauung verwiesen. In
Oesterreich, Italien und der Schweiz hat man, dem Beispiele Frankreichs
folgend den gleichen Weg betreten, welcher zwar langsam, aber doch
sicher günstige Resultate liefert.

Wenn nun auch diese Katastrophen im Hochgebirge wegen der
grösseren Niederschlagsmengen, der Steilheit der Gehänge und der be-
deutenderen Höhenunterschiede am grossartigsten und verheerendsten
sind, so kommen doch ähnliche Beschädigungen je nach den geogno-
stischen und topographischen Verhältnissen im Mittelgebirge und sogar
im Hügellande ebenfalls vor, wo sie wegen der höheren Stufe der Boden-
kultur und der dichteren Bevölkerung um so verheerender wirken.

Dass auch hier der Wald einen vortrefflichen Schutz gewährt, ist
durch die neueren Untersuchungen im Gebiete des Rheinstromes bestä-
tigt worden, von denen die eine, oben bereits erwähnte sich nur auf
die Hauensteiner Alb bezog, während die zweite, im Auftrage der Reichs-
kommission zur Untersuchung der Rheinstromverhältnisse, das Stromge-
biet des Rheines und seiner Nebenflüsse von den Quellen bis zum Aus-
tritt des Stromes aus dem deutschen Reiche in Betracht gezogen hat.

Honsell, Vorstand des badischen Zentralbüreaus für Meteorologie
und Hydrographie, bemerkt über die Wirkung des Waldes in dem erst-

II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes.
hierdurch wieder ist der Einsturz des höher gelegenen Geländes be-
dingt. Diese zerstörenden Wirkungen wiederholen sich und bewirken
eine Reihe von Einstürzen, deren Massen sich mit den von der
Bergseite herabgekommenen vereinigen und zusammen jene groſsen
Muren bilden, welche das bewohnte und fruchtbare Gelände auf weite
Entfernungen in Wüsten verwandeln.

Wie kolossal die Erdmassen sind, welche bei derartigen Katastro-
phen bewegt werden, zeigt ein von Demontzey mitgeteilter Fall, wo
bei einem einzigen Gewitter am 13. August 1876 im Thale der Ubaye der
Wildbach von Faucon (Kanton und Arrondissement Barcelonette) nicht
weniger als 169000 cbm feste Masse und 65000 cbm Wasser herabbrachte.

Die Erkenntnis der vorteilhaften Wirkung des Waldes ist schon
alt; die Franzosen haben zuerst von der Schutzwirkung desselben einen
ausgedehnten Gebrauch gemacht, nachdem Surell bereits 1842 in seinem
Werke „Etude sur les torrents des Hautes Alpes“ folgende Sätze aufgestellt:

1. Die Bestockung eines Bodens mit Wald verhindert die Bildung
von Wildbächen.

2. Die Entwaldung liefert den Boden den Wildbächen als Beute aus.

3. Durch Ausdehnung der Wälder werden die Wildbäche beseitigt.

Über die in Frankreich angewandte Methode der Wildbachverbau-
ung und die damit erzielten Erfolge hat Demontzey in seinem berühm-
ten Werke „Etude sur les travaux de reboisement et de gazonnement
des montagnes“ berichtet und wird auf dieses von Seckendorff über-
setzte Buch bezüglich der Details der Wildbachverbauung verwiesen. In
Oesterreich, Italien und der Schweiz hat man, dem Beispiele Frankreichs
folgend den gleichen Weg betreten, welcher zwar langsam, aber doch
sicher günstige Resultate liefert.

Wenn nun auch diese Katastrophen im Hochgebirge wegen der
gröſseren Niederschlagsmengen, der Steilheit der Gehänge und der be-
deutenderen Höhenunterschiede am groſsartigsten und verheerendsten
sind, so kommen doch ähnliche Beschädigungen je nach den geogno-
stischen und topographischen Verhältnissen im Mittelgebirge und sogar
im Hügellande ebenfalls vor, wo sie wegen der höheren Stufe der Boden-
kultur und der dichteren Bevölkerung um so verheerender wirken.

Daſs auch hier der Wald einen vortrefflichen Schutz gewährt, ist
durch die neueren Untersuchungen im Gebiete des Rheinstromes bestä-
tigt worden, von denen die eine, oben bereits erwähnte sich nur auf
die Hauensteiner Alb bezog, während die zweite, im Auftrage der Reichs-
kommission zur Untersuchung der Rheinstromverhältnisse, das Stromge-
biet des Rheines und seiner Nebenflüsse von den Quellen bis zum Aus-
tritt des Stromes aus dem deutschen Reiche in Betracht gezogen hat.

Honsell, Vorstand des badischen Zentralbüreaus für Meteorologie
und Hydrographie, bemerkt über die Wirkung des Waldes in dem erst-

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[61/0079] II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes. hierdurch wieder ist der Einsturz des höher gelegenen Geländes be- dingt. Diese zerstörenden Wirkungen wiederholen sich und bewirken eine Reihe von Einstürzen, deren Massen sich mit den von der Bergseite herabgekommenen vereinigen und zusammen jene groſsen Muren bilden, welche das bewohnte und fruchtbare Gelände auf weite Entfernungen in Wüsten verwandeln. Wie kolossal die Erdmassen sind, welche bei derartigen Katastro- phen bewegt werden, zeigt ein von Demontzey mitgeteilter Fall, wo bei einem einzigen Gewitter am 13. August 1876 im Thale der Ubaye der Wildbach von Faucon (Kanton und Arrondissement Barcelonette) nicht weniger als 169000 cbm feste Masse und 65000 cbm Wasser herabbrachte. Die Erkenntnis der vorteilhaften Wirkung des Waldes ist schon alt; die Franzosen haben zuerst von der Schutzwirkung desselben einen ausgedehnten Gebrauch gemacht, nachdem Surell bereits 1842 in seinem Werke „Etude sur les torrents des Hautes Alpes“ folgende Sätze aufgestellt: 1. Die Bestockung eines Bodens mit Wald verhindert die Bildung von Wildbächen. 2. Die Entwaldung liefert den Boden den Wildbächen als Beute aus. 3. Durch Ausdehnung der Wälder werden die Wildbäche beseitigt. Über die in Frankreich angewandte Methode der Wildbachverbau- ung und die damit erzielten Erfolge hat Demontzey in seinem berühm- ten Werke „Etude sur les travaux de reboisement et de gazonnement des montagnes“ berichtet und wird auf dieses von Seckendorff über- setzte Buch bezüglich der Details der Wildbachverbauung verwiesen. In Oesterreich, Italien und der Schweiz hat man, dem Beispiele Frankreichs folgend den gleichen Weg betreten, welcher zwar langsam, aber doch sicher günstige Resultate liefert. Wenn nun auch diese Katastrophen im Hochgebirge wegen der gröſseren Niederschlagsmengen, der Steilheit der Gehänge und der be- deutenderen Höhenunterschiede am groſsartigsten und verheerendsten sind, so kommen doch ähnliche Beschädigungen je nach den geogno- stischen und topographischen Verhältnissen im Mittelgebirge und sogar im Hügellande ebenfalls vor, wo sie wegen der höheren Stufe der Boden- kultur und der dichteren Bevölkerung um so verheerender wirken. Daſs auch hier der Wald einen vortrefflichen Schutz gewährt, ist durch die neueren Untersuchungen im Gebiete des Rheinstromes bestä- tigt worden, von denen die eine, oben bereits erwähnte sich nur auf die Hauensteiner Alb bezog, während die zweite, im Auftrage der Reichs- kommission zur Untersuchung der Rheinstromverhältnisse, das Stromge- biet des Rheines und seiner Nebenflüsse von den Quellen bis zum Aus- tritt des Stromes aus dem deutschen Reiche in Betracht gezogen hat. Honsell, Vorstand des badischen Zentralbüreaus für Meteorologie und Hydrographie, bemerkt über die Wirkung des Waldes in dem erst-

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/79>, abgerufen am 19.04.2024.