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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes.

Was bedeuten solchen Massen gegenüber die 10 Millimeter, welche
der Wald zurückhalten kann!

Ausserdem kommt noch in Betracht, dass die Humusdecke, wenn
sie einmal mit Wasser gesättigt ist, das Durchsickern des neuhinzuge-
führten Wassers im hohen Masse erschwert, bei dichter Lagerung sogar
zum grossen Teil verhindert und so ein oberflächliches Abfliessen veranlasst.

Der Wald wird demnach bezüglich der Abfuhr des Regen- und
Schneewassers nur dann einen nennenswerten Einfluss äussern, wenn
die Niederschlagsmenge jene Grösse, welche Äste und Streu zurück-
halten können, nicht um ein Vielfaches überschreitet, also namentlich
bei gewöhnlichen Gewitterregen. Bei grossen Katastrophen, welche durch
starke, wochenlange und zugleich territorial sehr ausgedehnte Regen
veranlasst werden, kann der Wald die Gefahr nur etwas vermindern,
jedoch keineswegs beseitigen.

Ähnlich verhält sich der Wald gegenüber den Schneefällen, indem
hier bei geringen Schneemassen ein erheblicher Prozentsatz (Bühler
konstantierte in einem Falle 88 %) von den Nadeln zurückgehalten
wird und verdunstet.

Überschwemmungen infolge plötzlicher Schneeschmelze treten aber
dann ein, wenn die Temperatur in dem ganzen Einzugsgebiete sehr
rasch steigt, womit gewöhnlich auch der Eintritt von Regenfällen ver-
bunden ist. Für das Schmelzwasser des Schnees vermag der Wald noch
weniger zu leisten, als bei Regengüssen, da der Boden unter dem Schnee
meist gefroren ist und noch langsamer auftaut als im freien Felde.
Ausserdem schmilzt der Schnee im Walde im allgemeinen sogar leichter
als auf freiem Felde, weil er dort wegen der schwächeren oder aus-
geschlossenen Sonnenwirkung der Regel nach nicht die feste, firnartige,
schliesslich selbst kompakte, eisähnliche Beschaffenheit annimmt, welche
im Freien in der Hauptsache das Resultat des häufig wiederholten
Wechsels von schwachem Auftauen am Tage und Wiederfrieren wäh-
rend der Nacht bei wolkenlosem Himmel ist (Borggreve).

Die Erkenntnis, dass durch Bewaldung den Hochwasserkatastrophen
nicht vorgebeugt werden kann, hat daher in neuerer Zeit zu dem Be-
streben geführt, dieses Ziel auf dem Wege der Wasserbaukunde,
namentlich durch Thalsperren, Sammelteiche u. s. w. zu erreichen.

§ 5. Die Bindung des Bodens im Gebirge. Noch grösseren Schaden,
als die blosse Überstauung mit Wasser, welche häufig durch zurück-
gelassenen Schlamm und Schlick sogar düngend wirkt, veranlassen die
Geschiebe, Gerölle, Steine, Sand u. s. w., welche bei heftigen Regen-
güssen im Gebirge von blossliegenden, leicht verwitternden Bodenstellen,
von der Sohle der Wasserläufe oder deren seitlichen Hängen losgerissen,
in den Wasserläufen fortgeschwemmt und schliesslich an Stellen mit
geringerer Wassergeschwindigkeit wieder abgelagert werden.


II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes.

Was bedeuten solchen Massen gegenüber die 10 Millimeter, welche
der Wald zurückhalten kann!

Auſserdem kommt noch in Betracht, daſs die Humusdecke, wenn
sie einmal mit Wasser gesättigt ist, das Durchsickern des neuhinzuge-
führten Wassers im hohen Maſse erschwert, bei dichter Lagerung sogar
zum groſsen Teil verhindert und so ein oberflächliches Abflieſsen veranlaſst.

Der Wald wird demnach bezüglich der Abfuhr des Regen- und
Schneewassers nur dann einen nennenswerten Einfluſs äuſsern, wenn
die Niederschlagsmenge jene Gröſse, welche Äste und Streu zurück-
halten können, nicht um ein Vielfaches überschreitet, also namentlich
bei gewöhnlichen Gewitterregen. Bei groſsen Katastrophen, welche durch
starke, wochenlange und zugleich territorial sehr ausgedehnte Regen
veranlaſst werden, kann der Wald die Gefahr nur etwas vermindern,
jedoch keineswegs beseitigen.

Ähnlich verhält sich der Wald gegenüber den Schneefällen, indem
hier bei geringen Schneemassen ein erheblicher Prozentsatz (Bühler
konstantierte in einem Falle 88 %) von den Nadeln zurückgehalten
wird und verdunstet.

Überschwemmungen infolge plötzlicher Schneeschmelze treten aber
dann ein, wenn die Temperatur in dem ganzen Einzugsgebiete sehr
rasch steigt, womit gewöhnlich auch der Eintritt von Regenfällen ver-
bunden ist. Für das Schmelzwasser des Schnees vermag der Wald noch
weniger zu leisten, als bei Regengüssen, da der Boden unter dem Schnee
meist gefroren ist und noch langsamer auftaut als im freien Felde.
Auſserdem schmilzt der Schnee im Walde im allgemeinen sogar leichter
als auf freiem Felde, weil er dort wegen der schwächeren oder aus-
geschlossenen Sonnenwirkung der Regel nach nicht die feste, firnartige,
schlieſslich selbst kompakte, eisähnliche Beschaffenheit annimmt, welche
im Freien in der Hauptsache das Resultat des häufig wiederholten
Wechsels von schwachem Auftauen am Tage und Wiederfrieren wäh-
rend der Nacht bei wolkenlosem Himmel ist (Borggreve).

Die Erkenntnis, daſs durch Bewaldung den Hochwasserkatastrophen
nicht vorgebeugt werden kann, hat daher in neuerer Zeit zu dem Be-
streben geführt, dieses Ziel auf dem Wege der Wasserbaukunde,
namentlich durch Thalsperren, Sammelteiche u. s. w. zu erreichen.

§ 5. Die Bindung des Bodens im Gebirge. Noch gröſseren Schaden,
als die bloſse Überstauung mit Wasser, welche häufig durch zurück-
gelassenen Schlamm und Schlick sogar düngend wirkt, veranlassen die
Geschiebe, Gerölle, Steine, Sand u. s. w., welche bei heftigen Regen-
güssen im Gebirge von bloſsliegenden, leicht verwitternden Bodenstellen,
von der Sohle der Wasserläufe oder deren seitlichen Hängen losgerissen,
in den Wasserläufen fortgeschwemmt und schlieſslich an Stellen mit
geringerer Wassergeschwindigkeit wieder abgelagert werden.


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[59/0077] II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes. Was bedeuten solchen Massen gegenüber die 10 Millimeter, welche der Wald zurückhalten kann! Auſserdem kommt noch in Betracht, daſs die Humusdecke, wenn sie einmal mit Wasser gesättigt ist, das Durchsickern des neuhinzuge- führten Wassers im hohen Maſse erschwert, bei dichter Lagerung sogar zum groſsen Teil verhindert und so ein oberflächliches Abflieſsen veranlaſst. Der Wald wird demnach bezüglich der Abfuhr des Regen- und Schneewassers nur dann einen nennenswerten Einfluſs äuſsern, wenn die Niederschlagsmenge jene Gröſse, welche Äste und Streu zurück- halten können, nicht um ein Vielfaches überschreitet, also namentlich bei gewöhnlichen Gewitterregen. Bei groſsen Katastrophen, welche durch starke, wochenlange und zugleich territorial sehr ausgedehnte Regen veranlaſst werden, kann der Wald die Gefahr nur etwas vermindern, jedoch keineswegs beseitigen. Ähnlich verhält sich der Wald gegenüber den Schneefällen, indem hier bei geringen Schneemassen ein erheblicher Prozentsatz (Bühler konstantierte in einem Falle 88 %) von den Nadeln zurückgehalten wird und verdunstet. Überschwemmungen infolge plötzlicher Schneeschmelze treten aber dann ein, wenn die Temperatur in dem ganzen Einzugsgebiete sehr rasch steigt, womit gewöhnlich auch der Eintritt von Regenfällen ver- bunden ist. Für das Schmelzwasser des Schnees vermag der Wald noch weniger zu leisten, als bei Regengüssen, da der Boden unter dem Schnee meist gefroren ist und noch langsamer auftaut als im freien Felde. Auſserdem schmilzt der Schnee im Walde im allgemeinen sogar leichter als auf freiem Felde, weil er dort wegen der schwächeren oder aus- geschlossenen Sonnenwirkung der Regel nach nicht die feste, firnartige, schlieſslich selbst kompakte, eisähnliche Beschaffenheit annimmt, welche im Freien in der Hauptsache das Resultat des häufig wiederholten Wechsels von schwachem Auftauen am Tage und Wiederfrieren wäh- rend der Nacht bei wolkenlosem Himmel ist (Borggreve). Die Erkenntnis, daſs durch Bewaldung den Hochwasserkatastrophen nicht vorgebeugt werden kann, hat daher in neuerer Zeit zu dem Be- streben geführt, dieses Ziel auf dem Wege der Wasserbaukunde, namentlich durch Thalsperren, Sammelteiche u. s. w. zu erreichen. § 5. Die Bindung des Bodens im Gebirge. Noch gröſseren Schaden, als die bloſse Überstauung mit Wasser, welche häufig durch zurück- gelassenen Schlamm und Schlick sogar düngend wirkt, veranlassen die Geschiebe, Gerölle, Steine, Sand u. s. w., welche bei heftigen Regen- güssen im Gebirge von bloſsliegenden, leicht verwitternden Bodenstellen, von der Sohle der Wasserläufe oder deren seitlichen Hängen losgerissen, in den Wasserläufen fortgeschwemmt und schlieſslich an Stellen mit geringerer Wassergeschwindigkeit wieder abgelagert werden.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/77>, abgerufen am 28.03.2024.