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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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A. Erster (allgemeiner) Teil.
bezw. es kann nach Entfernung des Holzbestandes eine Versumpfung ein-
treten, welche beim Heranwachsen einer neuen Baumgeneration dann
allmählich wieder verschwindet.

Für das weitere Schicksal des nach Abzug des direkt an der
Bodenoberfläche verdunsteten und des zur Deckung des Bedarfs der Ve-
getation nötigen Wassers noch verbleibenden Teiles ist die Beschaffen-
heit des Bodens und des Untergrundes massgebend, indem es hiernach
bald längere bald kürzere Zeit in den oberen Bodenschichten festge-
halten wird und alsdann entweder in die Tiefe versinkt oder auf un-
durchlässigen Schichten seitwärts abfliesst.

Von diesem Wasservorrat des Bodens interessiert hier namentlich
jene Quote, welche an geeigneten Stellen in Form von Quellen wieder
an die Oberfläche tritt, da dem Walde früher ein grosser Einfluss auf
die Bildung und Erhaltung der Quellen sowie deren Wasserreichtum zu-
geschrieben wurde und teilweise auch heute noch wird.

Bei näherer Betrachtung ergiebt sich jedoch, dass die Existenz der
Quellen in erster Linie von geotektonischen Verhältnissen abhängt.

Grosse Waldgebiete, welche auf Sandstein und Kalk stocken, sind
ausserordentlich arm an Quellen weil die Schichtenbildung und Zerklüf-
tung des Grundgesteines namentlich bei einzelnen Formationen (Quader-
sandstein, Jurakalk und -Dolomit) sofort ein tiefes Eindringen des
Wassers bedingt, während andere Formationen, z. B. das Urgebirge, un-
abhängig von der Bewaldung, zahlreiche Quellen zeigen. Der günstige
Einfluss des Waldes bezüglich der Quellen kann nur in der Verlang-
samung des Wasserabflusses durch die Streudecke, welche das Ein-
dringen in den Boden begünstigt, sowie in der Verminderung der Ver-
dampfung des einmal in den Boden eingedrungenen Wassers gesucht
werden; letzteres ist in um so höherem Grade der Fall, je näher unter
der Bodenoberfläche die Zuflüsse der Quelle verlaufen. Jedenfalls hat
der Wald in dieser Beziehung nur eine untergeordnete Bedeutung. Hon-
sell
fasst in seiner hydrographischen und wasserwirtschaft-
lichen Beschreibung der Hauensteiner Alb
(Karlsruhe 1889)
in dieser Beziehung die Ergebnisse der im Gebiet der Hauensteiner
Alb im südlichen Schwarzwald durchgeführten systematischen Unter-
suchungen dahin zusammen, dass auf der zu 51 % bewaldeten 243 Quadrat-
kilometer grossen Fläche eine Einwirkung der Bodendecke auf das Vor-
kommen und die Ergiebigkeit der Quellen nicht nachzuweisen ist, sondern
dass auf die Ergiebigkeit der Quellen vorzugsweise die geognostische
Beschaffenheit des Gebietes, die Mächtigkeit des Verwitterungsbodens
und die Neigungsverhältnisse ausschlaggebend zu sein scheinen.

Unter Umständen kann die Bewaldung sogar nachteilig für die
Quellen sein, da die Bäume bedeutende Wassermengen verbrauchen,
welche bei Rodung des Waldes anderweitig verfügbar werden.


A. Erster (allgemeiner) Teil.
bezw. es kann nach Entfernung des Holzbestandes eine Versumpfung ein-
treten, welche beim Heranwachsen einer neuen Baumgeneration dann
allmählich wieder verschwindet.

Für das weitere Schicksal des nach Abzug des direkt an der
Bodenoberfläche verdunsteten und des zur Deckung des Bedarfs der Ve-
getation nötigen Wassers noch verbleibenden Teiles ist die Beschaffen-
heit des Bodens und des Untergrundes maſsgebend, indem es hiernach
bald längere bald kürzere Zeit in den oberen Bodenschichten festge-
halten wird und alsdann entweder in die Tiefe versinkt oder auf un-
durchlässigen Schichten seitwärts abflieſst.

Von diesem Wasservorrat des Bodens interessiert hier namentlich
jene Quote, welche an geeigneten Stellen in Form von Quellen wieder
an die Oberfläche tritt, da dem Walde früher ein groſser Einfluſs auf
die Bildung und Erhaltung der Quellen sowie deren Wasserreichtum zu-
geschrieben wurde und teilweise auch heute noch wird.

Bei näherer Betrachtung ergiebt sich jedoch, daſs die Existenz der
Quellen in erster Linie von geotektonischen Verhältnissen abhängt.

Groſse Waldgebiete, welche auf Sandstein und Kalk stocken, sind
auſserordentlich arm an Quellen weil die Schichtenbildung und Zerklüf-
tung des Grundgesteines namentlich bei einzelnen Formationen (Quader-
sandstein, Jurakalk und -Dolomit) sofort ein tiefes Eindringen des
Wassers bedingt, während andere Formationen, z. B. das Urgebirge, un-
abhängig von der Bewaldung, zahlreiche Quellen zeigen. Der günstige
Einfluſs des Waldes bezüglich der Quellen kann nur in der Verlang-
samung des Wasserabflusses durch die Streudecke, welche das Ein-
dringen in den Boden begünstigt, sowie in der Verminderung der Ver-
dampfung des einmal in den Boden eingedrungenen Wassers gesucht
werden; letzteres ist in um so höherem Grade der Fall, je näher unter
der Bodenoberfläche die Zuflüsse der Quelle verlaufen. Jedenfalls hat
der Wald in dieser Beziehung nur eine untergeordnete Bedeutung. Hon-
sell
faſst in seiner hydrographischen und wasserwirtschaft-
lichen Beschreibung der Hauensteiner Alb
(Karlsruhe 1889)
in dieser Beziehung die Ergebnisse der im Gebiet der Hauensteiner
Alb im südlichen Schwarzwald durchgeführten systematischen Unter-
suchungen dahin zusammen, daſs auf der zu 51 % bewaldeten 243 Quadrat-
kilometer groſsen Fläche eine Einwirkung der Bodendecke auf das Vor-
kommen und die Ergiebigkeit der Quellen nicht nachzuweisen ist, sondern
daſs auf die Ergiebigkeit der Quellen vorzugsweise die geognostische
Beschaffenheit des Gebietes, die Mächtigkeit des Verwitterungsbodens
und die Neigungsverhältnisse ausschlaggebend zu sein scheinen.

Unter Umständen kann die Bewaldung sogar nachteilig für die
Quellen sein, da die Bäume bedeutende Wassermengen verbrauchen,
welche bei Rodung des Waldes anderweitig verfügbar werden.


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[56/0074] A. Erster (allgemeiner) Teil. bezw. es kann nach Entfernung des Holzbestandes eine Versumpfung ein- treten, welche beim Heranwachsen einer neuen Baumgeneration dann allmählich wieder verschwindet. Für das weitere Schicksal des nach Abzug des direkt an der Bodenoberfläche verdunsteten und des zur Deckung des Bedarfs der Ve- getation nötigen Wassers noch verbleibenden Teiles ist die Beschaffen- heit des Bodens und des Untergrundes maſsgebend, indem es hiernach bald längere bald kürzere Zeit in den oberen Bodenschichten festge- halten wird und alsdann entweder in die Tiefe versinkt oder auf un- durchlässigen Schichten seitwärts abflieſst. Von diesem Wasservorrat des Bodens interessiert hier namentlich jene Quote, welche an geeigneten Stellen in Form von Quellen wieder an die Oberfläche tritt, da dem Walde früher ein groſser Einfluſs auf die Bildung und Erhaltung der Quellen sowie deren Wasserreichtum zu- geschrieben wurde und teilweise auch heute noch wird. Bei näherer Betrachtung ergiebt sich jedoch, daſs die Existenz der Quellen in erster Linie von geotektonischen Verhältnissen abhängt. Groſse Waldgebiete, welche auf Sandstein und Kalk stocken, sind auſserordentlich arm an Quellen weil die Schichtenbildung und Zerklüf- tung des Grundgesteines namentlich bei einzelnen Formationen (Quader- sandstein, Jurakalk und -Dolomit) sofort ein tiefes Eindringen des Wassers bedingt, während andere Formationen, z. B. das Urgebirge, un- abhängig von der Bewaldung, zahlreiche Quellen zeigen. Der günstige Einfluſs des Waldes bezüglich der Quellen kann nur in der Verlang- samung des Wasserabflusses durch die Streudecke, welche das Ein- dringen in den Boden begünstigt, sowie in der Verminderung der Ver- dampfung des einmal in den Boden eingedrungenen Wassers gesucht werden; letzteres ist in um so höherem Grade der Fall, je näher unter der Bodenoberfläche die Zuflüsse der Quelle verlaufen. Jedenfalls hat der Wald in dieser Beziehung nur eine untergeordnete Bedeutung. Hon- sell faſst in seiner hydrographischen und wasserwirtschaft- lichen Beschreibung der Hauensteiner Alb (Karlsruhe 1889) in dieser Beziehung die Ergebnisse der im Gebiet der Hauensteiner Alb im südlichen Schwarzwald durchgeführten systematischen Unter- suchungen dahin zusammen, daſs auf der zu 51 % bewaldeten 243 Quadrat- kilometer groſsen Fläche eine Einwirkung der Bodendecke auf das Vor- kommen und die Ergiebigkeit der Quellen nicht nachzuweisen ist, sondern daſs auf die Ergiebigkeit der Quellen vorzugsweise die geognostische Beschaffenheit des Gebietes, die Mächtigkeit des Verwitterungsbodens und die Neigungsverhältnisse ausschlaggebend zu sein scheinen. Unter Umständen kann die Bewaldung sogar nachteilig für die Quellen sein, da die Bäume bedeutende Wassermengen verbrauchen, welche bei Rodung des Waldes anderweitig verfügbar werden.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/74>, abgerufen am 29.03.2024.