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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes.
gelangt sind, wird von der Bodendecke oder den obersten Bodenschichten
festgehalten und verdampft wieder, ein zweiter Teil dringt in den
Boden selbst ein und ein dritter Teil fliesst bei geneigtem Terrain auf
der Bodenoberfläche ab oder bildet in ebenem Terrain bei entsprechender
Bodenbeschaffenheit eine stagnierende Wasserschicht oberhalb des Bodens.

Die Verdunstung des in der Bodendecke und in den obersten
Bodenschichten vorhandenen Wassers ist wegen der geringeren Er-
wärmung des Waldbodens und der verlangsamten Luftbewegung nicht
nur weniger rasch, sondern auch geringer als im freien Lande.

Man kann nach den gegenwärtig vorliegenden Zahlen annehmen,
dass im Durchschnitt des ganzen Jahres 40--45 % der Niederschlags-
menge verdunsten und 55--60 % (im Gebirgswald bis zu 90 %)
dem Boden erhalten bleiben, während auf einer Kulturfläche etwa 90 %
verdunsten. Im Walde wird also ungefähr doppelt soviel Wasser in den
Boden eindringen, als im freien Lande.

Für die einzelnen Niederschläge stellt sich das Verhältnis wesent-
lich anders, weil der Waldboden der Regel nach mit einer Streuschicht
bedeckt ist, welche ziemlich viel Wasser aufsaugt, so dass nach längerer
Trockenheit von schwachen Niederschlägen unter Umständen gar nichts
in den Boden gelangt, sondern das gesamte Wasser zunächst von der
Streu absorbiert und von dieser alsdann wieder verdampft wird.

Auf die günstigen Wirkungen, welche diese Aufsaugungsfähigkeit
der Streudecke nach anderen Richtungen äussert, wird weiter unten
näher eingegangen werden.

Das in den Waldboden eingedrungene Wasser verdampft, wie
bemerkt, teilweise wieder, die Streudecke bildet jedoch hierfür ein sehr
wirksames Hemmnis.

Nach den Untersuchungen von Ebermayer wird durch dieselbe
eine Herabminderung der Verdunstungsmenge um 50 % erreicht.
Die Beschaffenheit des Bodens, des Bestandes und der Holzart modi-
fiziert natürlich diesen Betrag ganz erheblich.

Ein weiterer Teil des Bodenwassers liefert das Vegetationswasser
der Bäume, dessen Menge unmöglich genau festgestellt werden kann,
aber jedenfalls einen sehr erheblichen Betrag repräsentiert, da der
Wasserverbrauch der Bäume infolge der hochangesetzten Kronen mit
grosser Oberfläche und unter der Einwirkung stärkerer Luftströmung
nach allen Versuchen ein ganz gewaltiger ist.

Unter gewissen Voraussetzungen der Terrainkonfiguration (Über-
gang aus steilerer Neigung in eine minder steile nach unten hin bei
undurchlassendem Untergrund 1) kann die Waldvegetation infolge der oben
besprochenen starken Verdunstung eine Versumpfung verhindern,

1) Vgl. Borggreve, Forstl. Blätter, 1890, S. 331.

II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes.
gelangt sind, wird von der Bodendecke oder den obersten Bodenschichten
festgehalten und verdampft wieder, ein zweiter Teil dringt in den
Boden selbst ein und ein dritter Teil flieſst bei geneigtem Terrain auf
der Bodenoberfläche ab oder bildet in ebenem Terrain bei entsprechender
Bodenbeschaffenheit eine stagnierende Wasserschicht oberhalb des Bodens.

Die Verdunstung des in der Bodendecke und in den obersten
Bodenschichten vorhandenen Wassers ist wegen der geringeren Er-
wärmung des Waldbodens und der verlangsamten Luftbewegung nicht
nur weniger rasch, sondern auch geringer als im freien Lande.

Man kann nach den gegenwärtig vorliegenden Zahlen annehmen,
daſs im Durchschnitt des ganzen Jahres 40—45 % der Niederschlags-
menge verdunsten und 55—60 % (im Gebirgswald bis zu 90 %)
dem Boden erhalten bleiben, während auf einer Kulturfläche etwa 90 %
verdunsten. Im Walde wird also ungefähr doppelt soviel Wasser in den
Boden eindringen, als im freien Lande.

Für die einzelnen Niederschläge stellt sich das Verhältnis wesent-
lich anders, weil der Waldboden der Regel nach mit einer Streuschicht
bedeckt ist, welche ziemlich viel Wasser aufsaugt, so daſs nach längerer
Trockenheit von schwachen Niederschlägen unter Umständen gar nichts
in den Boden gelangt, sondern das gesamte Wasser zunächst von der
Streu absorbiert und von dieser alsdann wieder verdampft wird.

Auf die günstigen Wirkungen, welche diese Aufsaugungsfähigkeit
der Streudecke nach anderen Richtungen äuſsert, wird weiter unten
näher eingegangen werden.

Das in den Waldboden eingedrungene Wasser verdampft, wie
bemerkt, teilweise wieder, die Streudecke bildet jedoch hierfür ein sehr
wirksames Hemmnis.

Nach den Untersuchungen von Ebermayer wird durch dieselbe
eine Herabminderung der Verdunstungsmenge um 50 % erreicht.
Die Beschaffenheit des Bodens, des Bestandes und der Holzart modi-
fiziert natürlich diesen Betrag ganz erheblich.

Ein weiterer Teil des Bodenwassers liefert das Vegetationswasser
der Bäume, dessen Menge unmöglich genau festgestellt werden kann,
aber jedenfalls einen sehr erheblichen Betrag repräsentiert, da der
Wasserverbrauch der Bäume infolge der hochangesetzten Kronen mit
groſser Oberfläche und unter der Einwirkung stärkerer Luftströmung
nach allen Versuchen ein ganz gewaltiger ist.

Unter gewissen Voraussetzungen der Terrainkonfiguration (Über-
gang aus steilerer Neigung in eine minder steile nach unten hin bei
undurchlassendem Untergrund 1) kann die Waldvegetation infolge der oben
besprochenen starken Verdunstung eine Versumpfung verhindern,

1) Vgl. Borggreve, Forstl. Blätter, 1890, S. 331.
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[55/0073] II. Abschnitt. Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes. gelangt sind, wird von der Bodendecke oder den obersten Bodenschichten festgehalten und verdampft wieder, ein zweiter Teil dringt in den Boden selbst ein und ein dritter Teil flieſst bei geneigtem Terrain auf der Bodenoberfläche ab oder bildet in ebenem Terrain bei entsprechender Bodenbeschaffenheit eine stagnierende Wasserschicht oberhalb des Bodens. Die Verdunstung des in der Bodendecke und in den obersten Bodenschichten vorhandenen Wassers ist wegen der geringeren Er- wärmung des Waldbodens und der verlangsamten Luftbewegung nicht nur weniger rasch, sondern auch geringer als im freien Lande. Man kann nach den gegenwärtig vorliegenden Zahlen annehmen, daſs im Durchschnitt des ganzen Jahres 40—45 % der Niederschlags- menge verdunsten und 55—60 % (im Gebirgswald bis zu 90 %) dem Boden erhalten bleiben, während auf einer Kulturfläche etwa 90 % verdunsten. Im Walde wird also ungefähr doppelt soviel Wasser in den Boden eindringen, als im freien Lande. Für die einzelnen Niederschläge stellt sich das Verhältnis wesent- lich anders, weil der Waldboden der Regel nach mit einer Streuschicht bedeckt ist, welche ziemlich viel Wasser aufsaugt, so daſs nach längerer Trockenheit von schwachen Niederschlägen unter Umständen gar nichts in den Boden gelangt, sondern das gesamte Wasser zunächst von der Streu absorbiert und von dieser alsdann wieder verdampft wird. Auf die günstigen Wirkungen, welche diese Aufsaugungsfähigkeit der Streudecke nach anderen Richtungen äuſsert, wird weiter unten näher eingegangen werden. Das in den Waldboden eingedrungene Wasser verdampft, wie bemerkt, teilweise wieder, die Streudecke bildet jedoch hierfür ein sehr wirksames Hemmnis. Nach den Untersuchungen von Ebermayer wird durch dieselbe eine Herabminderung der Verdunstungsmenge um 50 % erreicht. Die Beschaffenheit des Bodens, des Bestandes und der Holzart modi- fiziert natürlich diesen Betrag ganz erheblich. Ein weiterer Teil des Bodenwassers liefert das Vegetationswasser der Bäume, dessen Menge unmöglich genau festgestellt werden kann, aber jedenfalls einen sehr erheblichen Betrag repräsentiert, da der Wasserverbrauch der Bäume infolge der hochangesetzten Kronen mit groſser Oberfläche und unter der Einwirkung stärkerer Luftströmung nach allen Versuchen ein ganz gewaltiger ist. Unter gewissen Voraussetzungen der Terrainkonfiguration (Über- gang aus steilerer Neigung in eine minder steile nach unten hin bei undurchlassendem Untergrund 1) kann die Waldvegetation infolge der oben besprochenen starken Verdunstung eine Versumpfung verhindern, 1) Vgl. Borggreve, Forstl. Blätter, 1890, S. 331.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/73>, abgerufen am 29.03.2024.