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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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A. Erster (allgemeiner) Teil.
der Schweine in die Laubholzbestände zur Mast oft den Hauptertrag
der Waldungen, seit der Einführung der Stallfütterung hat sich dieses
Verhältnis wesentlich geändert.

Während sonst die Zulassung der Schweine zur Mast als ein wert-
volles Recht betrachtet wurde, ist es in neuerer Zeit, wenn der Eintrieb
der Schweine von seiten der Forstverwaltung als Kulturmassregel zur
Bodenverwundung oder zum Zweck der Vertilgung von forstschäd-
lichen Insekten gewünscht wird, häufig gar nicht oder höchstens nur
mit Opfern möglich, die Bevölkerung hierzu zu veranlassen.

Die Weide des Hornviehes sowie von Schafen und Ziegen
findet jetzt eigentlich nur noch im Hochgebirge im ausgedehnten Masse
statt, wo die landwirtschaftlichen Betriebsverhältnisse hierzu nötigen
und die nur räumlich bestockten Waldungen sowie reichlichere Nieder-
schläge die üppige Entwicklung wertvoller Futterkräuter gestatten.
Die regelmässigen Waldbestände des Hügel- und Flachlandes begün-
stigen dagegen den Weidegang des Viehes in viel geringerem Masse,
weil in den geschlossenen Beständen wenig benutzbares Futter vor-
kommt und der Eintrieb des Viehes in die zum Zweck der Verjüngung
gelichteten Bestände oder in die Kulturen, wo reichlicherer Graswuchs vor-
handen ist, aus forstwirtschaftlichen Rücksichten nicht statthaft erscheint.

Die Grasnutzung in den Schlägen und auf Kulturflächen
mittels Abmähens und Ausrupfens besitzt in dicht bevölkerten Gegen-
den grosse Bedeutung, weil sie der unbemittelten Bevölkerung Gelegen-
heit zur Vermehrung der Futtervorräte gewährt. Diese Nebennutzung
ist vom forstwirtschaftlichen Standpunkt aus nur auf gutem Boden zulässig
und erfordert sorgfältige Überwachung, weil Beschädigungen der Kulturen
und natürlichen Verjüngungen hierbei leicht möglich sind.

Die Gewinnung und Benutzung des Futterlaubes ist nur in
wenigen Gegenden verbreitet, verdient jedoch im Interesse der Landwirt-
schaft, namentlich in futterarmen Jahren allgemein eingeführt zu werden.

Wenn auch im allgemeinen die Bedeutung der Futterstoffe des
Waldes für die Landwirtschaft unter normalen Verhältnissen gering ist,
so kann bei Futtermangel sowohl hierdurch als durch Streuabgaben um
die Verfütterung des Strohes zu ermöglichen, eine ausserordentlich wert-
volle Unterstützung gewährt werden, wie dieses z. B. die auf S. 44
(N. 1) mitgeteilten Zahlen beweisen.

Nur der geschonte und wohlgepflegte Wald ist jedoch in der
Lage, ausnahmsweise solche Nutzungen zu ertragen; als Grundsatz
muss festgehalten werden, dass sich die Landwirtschaft selbst zu helfen
hat und nicht eine dauernde Unterstützung durch die Forstwirtschaft
als Regel betrachtet werden darf, wozu grosse Neigung vorhanden ist.
Ein sogenannter "landwirtschaftlicher Notstand" lässt sich aus egoisti-
schen und politischen Interessen erfahrungsgemäss sehr rasch konstruieren.

A. Erster (allgemeiner) Teil.
der Schweine in die Laubholzbestände zur Mast oft den Hauptertrag
der Waldungen, seit der Einführung der Stallfütterung hat sich dieses
Verhältnis wesentlich geändert.

Während sonst die Zulassung der Schweine zur Mast als ein wert-
volles Recht betrachtet wurde, ist es in neuerer Zeit, wenn der Eintrieb
der Schweine von seiten der Forstverwaltung als Kulturmaſsregel zur
Bodenverwundung oder zum Zweck der Vertilgung von forstschäd-
lichen Insekten gewünscht wird, häufig gar nicht oder höchstens nur
mit Opfern möglich, die Bevölkerung hierzu zu veranlassen.

Die Weide des Hornviehes sowie von Schafen und Ziegen
findet jetzt eigentlich nur noch im Hochgebirge im ausgedehnten Maſse
statt, wo die landwirtschaftlichen Betriebsverhältnisse hierzu nötigen
und die nur räumlich bestockten Waldungen sowie reichlichere Nieder-
schläge die üppige Entwicklung wertvoller Futterkräuter gestatten.
Die regelmäſsigen Waldbestände des Hügel- und Flachlandes begün-
stigen dagegen den Weidegang des Viehes in viel geringerem Maſse,
weil in den geschlossenen Beständen wenig benutzbares Futter vor-
kommt und der Eintrieb des Viehes in die zum Zweck der Verjüngung
gelichteten Bestände oder in die Kulturen, wo reichlicherer Graswuchs vor-
handen ist, aus forstwirtschaftlichen Rücksichten nicht statthaft erscheint.

Die Grasnutzung in den Schlägen und auf Kulturflächen
mittels Abmähens und Ausrupfens besitzt in dicht bevölkerten Gegen-
den groſse Bedeutung, weil sie der unbemittelten Bevölkerung Gelegen-
heit zur Vermehrung der Futtervorräte gewährt. Diese Nebennutzung
ist vom forstwirtschaftlichen Standpunkt aus nur auf gutem Boden zulässig
und erfordert sorgfältige Überwachung, weil Beschädigungen der Kulturen
und natürlichen Verjüngungen hierbei leicht möglich sind.

Die Gewinnung und Benutzung des Futterlaubes ist nur in
wenigen Gegenden verbreitet, verdient jedoch im Interesse der Landwirt-
schaft, namentlich in futterarmen Jahren allgemein eingeführt zu werden.

Wenn auch im allgemeinen die Bedeutung der Futterstoffe des
Waldes für die Landwirtschaft unter normalen Verhältnissen gering ist,
so kann bei Futtermangel sowohl hierdurch als durch Streuabgaben um
die Verfütterung des Strohes zu ermöglichen, eine auſserordentlich wert-
volle Unterstützung gewährt werden, wie dieses z. B. die auf S. 44
(N. 1) mitgeteilten Zahlen beweisen.

Nur der geschonte und wohlgepflegte Wald ist jedoch in der
Lage, ausnahmsweise solche Nutzungen zu ertragen; als Grundsatz
muſs festgehalten werden, daſs sich die Landwirtschaft selbst zu helfen
hat und nicht eine dauernde Unterstützung durch die Forstwirtschaft
als Regel betrachtet werden darf, wozu groſse Neigung vorhanden ist.
Ein sogenannter „landwirtschaftlicher Notstand“ läſst sich aus egoisti-
schen und politischen Interessen erfahrungsgemäſs sehr rasch konstruieren.

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[42/0060] A. Erster (allgemeiner) Teil. der Schweine in die Laubholzbestände zur Mast oft den Hauptertrag der Waldungen, seit der Einführung der Stallfütterung hat sich dieses Verhältnis wesentlich geändert. Während sonst die Zulassung der Schweine zur Mast als ein wert- volles Recht betrachtet wurde, ist es in neuerer Zeit, wenn der Eintrieb der Schweine von seiten der Forstverwaltung als Kulturmaſsregel zur Bodenverwundung oder zum Zweck der Vertilgung von forstschäd- lichen Insekten gewünscht wird, häufig gar nicht oder höchstens nur mit Opfern möglich, die Bevölkerung hierzu zu veranlassen. Die Weide des Hornviehes sowie von Schafen und Ziegen findet jetzt eigentlich nur noch im Hochgebirge im ausgedehnten Maſse statt, wo die landwirtschaftlichen Betriebsverhältnisse hierzu nötigen und die nur räumlich bestockten Waldungen sowie reichlichere Nieder- schläge die üppige Entwicklung wertvoller Futterkräuter gestatten. Die regelmäſsigen Waldbestände des Hügel- und Flachlandes begün- stigen dagegen den Weidegang des Viehes in viel geringerem Maſse, weil in den geschlossenen Beständen wenig benutzbares Futter vor- kommt und der Eintrieb des Viehes in die zum Zweck der Verjüngung gelichteten Bestände oder in die Kulturen, wo reichlicherer Graswuchs vor- handen ist, aus forstwirtschaftlichen Rücksichten nicht statthaft erscheint. Die Grasnutzung in den Schlägen und auf Kulturflächen mittels Abmähens und Ausrupfens besitzt in dicht bevölkerten Gegen- den groſse Bedeutung, weil sie der unbemittelten Bevölkerung Gelegen- heit zur Vermehrung der Futtervorräte gewährt. Diese Nebennutzung ist vom forstwirtschaftlichen Standpunkt aus nur auf gutem Boden zulässig und erfordert sorgfältige Überwachung, weil Beschädigungen der Kulturen und natürlichen Verjüngungen hierbei leicht möglich sind. Die Gewinnung und Benutzung des Futterlaubes ist nur in wenigen Gegenden verbreitet, verdient jedoch im Interesse der Landwirt- schaft, namentlich in futterarmen Jahren allgemein eingeführt zu werden. Wenn auch im allgemeinen die Bedeutung der Futterstoffe des Waldes für die Landwirtschaft unter normalen Verhältnissen gering ist, so kann bei Futtermangel sowohl hierdurch als durch Streuabgaben um die Verfütterung des Strohes zu ermöglichen, eine auſserordentlich wert- volle Unterstützung gewährt werden, wie dieses z. B. die auf S. 44 (N. 1) mitgeteilten Zahlen beweisen. Nur der geschonte und wohlgepflegte Wald ist jedoch in der Lage, ausnahmsweise solche Nutzungen zu ertragen; als Grundsatz muſs festgehalten werden, daſs sich die Landwirtschaft selbst zu helfen hat und nicht eine dauernde Unterstützung durch die Forstwirtschaft als Regel betrachtet werden darf, wozu groſse Neigung vorhanden ist. Ein sogenannter „landwirtschaftlicher Notstand“ läſst sich aus egoisti- schen und politischen Interessen erfahrungsgemäſs sehr rasch konstruieren.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/60>, abgerufen am 29.03.2024.