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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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kann er sich fast stets zu mässigen Preisen kaufen, während Streu,
Waldgras, Waldweide für ihn sonst garnicht oder doch nur mit Schwierig-
keiten zu beschaffen sind.

In der forstlichen Litteratur und ebenso auch in der forstpoliti-
schen Gesetzgebung ist nicht selten die Ansicht vertreten, dass die
Erzeugung von Holz unter allen Umständen und in allen Waldungen
als die wichtigste Aufgabe der Forstwirtschaft zu betrachten sei. Die
spätere Betrachtung über das Verhältnis der Staatsverwaltung zu der
Forstwirtschaft der Privaten wird Gelegenheit bieten, auf diese zuweit-
gehende Berücksichtigung des für den grössten Teil der Waldungen
durchaus zutreffenden forsttechnischen Standpunktes gegenüber den
volkswirtschaftlichen Interessen noch näher einzugehen.

Bezüglich der wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Neben-
nutzungen lässt sich in Kürze folgendes anführen:

Die Streunutzung ist die Entnahme der Bodendecke des
Waldes zu Gunsten der Landwirtschaft, welche die Streu als Lager
der Tiere in den Stallungen, als Mittel zur bequemeren Ansamm-
lung der tierischen Exkremente und zugleich als selbständig wirkenden
Dünger verbraucht. Die Nachfrage nach Waldstreu hat erst seit der
Verbreitung des Kartoffelbaues und des Anbaues von Handelsfrüchten
so bedeutende Ausdehnung angenommen. Der Wald ist jedoch, nament-
lich auf schwächerem Boden nicht in der Lage, die Streu ohne Gefähr-
dung der eigenen Existenz abzugeben. Die dauernde Entnahme der
Bodenstreu erschöpft allmählich in längerer oder kürzerer Zeit das
Kapital an Bodennährstoffen und führt deshalb schliesslich zur Deva-
station des Waldes.

Die Ursachen, weshalb die Streunutzung so verderblich für die
Holzproduktion wirkt, sind teils physikalischer teils chemischer
Natur. Beschleunigter Wasserablauf auf der Bodenoberfläche, rasche
Zersetzung des Humus und Verhärtung der oberen Bodenschichten,
sind in ersterer Beziehung als besonders schlimme Folgen der Streu-
nutzung hervorzuheben.

Weiter bildet aber die Streu auch den Dünger des Waldes, indem
der grösste Teil der im Stoffwechsel der Waldbäume thätig gewesenen
Aschenbestandteile im Laub- und Nadelabfall dem Boden wiedergegeben
und aufs neue verfügbar wird.

Auf Sandboden fällt auch die Auswaschung der in den oberen
Bodenschichten vorhandenen mineralischen Pflanzennährstoffe nach Ent-
nahme der Bodenstreu verhängnisvoll ins Gewicht.

Alle Böden, auf denen der Ersatz der mineralischen Nährstoffe
durch Verwitterung der Gesteinstrümmer des Untergrundes und der Fein-
erde nicht so rasch vor sich geht, dass er den Verlust durch Streuent-
nahme nachhaltig zu decken vermag, d. h. also fast alle Sandböden,

A. Erster (allgemeiner) Teil.
kann er sich fast stets zu mäſsigen Preisen kaufen, während Streu,
Waldgras, Waldweide für ihn sonst garnicht oder doch nur mit Schwierig-
keiten zu beschaffen sind.

In der forstlichen Litteratur und ebenso auch in der forstpoliti-
schen Gesetzgebung ist nicht selten die Ansicht vertreten, daſs die
Erzeugung von Holz unter allen Umständen und in allen Waldungen
als die wichtigste Aufgabe der Forstwirtschaft zu betrachten sei. Die
spätere Betrachtung über das Verhältnis der Staatsverwaltung zu der
Forstwirtschaft der Privaten wird Gelegenheit bieten, auf diese zuweit-
gehende Berücksichtigung des für den gröſsten Teil der Waldungen
durchaus zutreffenden forsttechnischen Standpunktes gegenüber den
volkswirtschaftlichen Interessen noch näher einzugehen.

Bezüglich der wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Neben-
nutzungen läſst sich in Kürze folgendes anführen:

Die Streunutzung ist die Entnahme der Bodendecke des
Waldes zu Gunsten der Landwirtschaft, welche die Streu als Lager
der Tiere in den Stallungen, als Mittel zur bequemeren Ansamm-
lung der tierischen Exkremente und zugleich als selbständig wirkenden
Dünger verbraucht. Die Nachfrage nach Waldstreu hat erst seit der
Verbreitung des Kartoffelbaues und des Anbaues von Handelsfrüchten
so bedeutende Ausdehnung angenommen. Der Wald ist jedoch, nament-
lich auf schwächerem Boden nicht in der Lage, die Streu ohne Gefähr-
dung der eigenen Existenz abzugeben. Die dauernde Entnahme der
Bodenstreu erschöpft allmählich in längerer oder kürzerer Zeit das
Kapital an Bodennährstoffen und führt deshalb schlieſslich zur Deva-
station des Waldes.

Die Ursachen, weshalb die Streunutzung so verderblich für die
Holzproduktion wirkt, sind teils physikalischer teils chemischer
Natur. Beschleunigter Wasserablauf auf der Bodenoberfläche, rasche
Zersetzung des Humus und Verhärtung der oberen Bodenschichten,
sind in ersterer Beziehung als besonders schlimme Folgen der Streu-
nutzung hervorzuheben.

Weiter bildet aber die Streu auch den Dünger des Waldes, indem
der gröſste Teil der im Stoffwechsel der Waldbäume thätig gewesenen
Aschenbestandteile im Laub- und Nadelabfall dem Boden wiedergegeben
und aufs neue verfügbar wird.

Auf Sandboden fällt auch die Auswaschung der in den oberen
Bodenschichten vorhandenen mineralischen Pflanzennährstoffe nach Ent-
nahme der Bodenstreu verhängnisvoll ins Gewicht.

Alle Böden, auf denen der Ersatz der mineralischen Nährstoffe
durch Verwitterung der Gesteinstrümmer des Untergrundes und der Fein-
erde nicht so rasch vor sich geht, daſs er den Verlust durch Streuent-
nahme nachhaltig zu decken vermag, d. h. also fast alle Sandböden,

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[40/0058] A. Erster (allgemeiner) Teil. kann er sich fast stets zu mäſsigen Preisen kaufen, während Streu, Waldgras, Waldweide für ihn sonst garnicht oder doch nur mit Schwierig- keiten zu beschaffen sind. In der forstlichen Litteratur und ebenso auch in der forstpoliti- schen Gesetzgebung ist nicht selten die Ansicht vertreten, daſs die Erzeugung von Holz unter allen Umständen und in allen Waldungen als die wichtigste Aufgabe der Forstwirtschaft zu betrachten sei. Die spätere Betrachtung über das Verhältnis der Staatsverwaltung zu der Forstwirtschaft der Privaten wird Gelegenheit bieten, auf diese zuweit- gehende Berücksichtigung des für den gröſsten Teil der Waldungen durchaus zutreffenden forsttechnischen Standpunktes gegenüber den volkswirtschaftlichen Interessen noch näher einzugehen. Bezüglich der wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Neben- nutzungen läſst sich in Kürze folgendes anführen: Die Streunutzung ist die Entnahme der Bodendecke des Waldes zu Gunsten der Landwirtschaft, welche die Streu als Lager der Tiere in den Stallungen, als Mittel zur bequemeren Ansamm- lung der tierischen Exkremente und zugleich als selbständig wirkenden Dünger verbraucht. Die Nachfrage nach Waldstreu hat erst seit der Verbreitung des Kartoffelbaues und des Anbaues von Handelsfrüchten so bedeutende Ausdehnung angenommen. Der Wald ist jedoch, nament- lich auf schwächerem Boden nicht in der Lage, die Streu ohne Gefähr- dung der eigenen Existenz abzugeben. Die dauernde Entnahme der Bodenstreu erschöpft allmählich in längerer oder kürzerer Zeit das Kapital an Bodennährstoffen und führt deshalb schlieſslich zur Deva- station des Waldes. Die Ursachen, weshalb die Streunutzung so verderblich für die Holzproduktion wirkt, sind teils physikalischer teils chemischer Natur. Beschleunigter Wasserablauf auf der Bodenoberfläche, rasche Zersetzung des Humus und Verhärtung der oberen Bodenschichten, sind in ersterer Beziehung als besonders schlimme Folgen der Streu- nutzung hervorzuheben. Weiter bildet aber die Streu auch den Dünger des Waldes, indem der gröſste Teil der im Stoffwechsel der Waldbäume thätig gewesenen Aschenbestandteile im Laub- und Nadelabfall dem Boden wiedergegeben und aufs neue verfügbar wird. Auf Sandboden fällt auch die Auswaschung der in den oberen Bodenschichten vorhandenen mineralischen Pflanzennährstoffe nach Ent- nahme der Bodenstreu verhängnisvoll ins Gewicht. Alle Böden, auf denen der Ersatz der mineralischen Nährstoffe durch Verwitterung der Gesteinstrümmer des Untergrundes und der Fein- erde nicht so rasch vor sich geht, daſs er den Verlust durch Streuent- nahme nachhaltig zu decken vermag, d. h. also fast alle Sandböden,

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/58>, abgerufen am 29.03.2024.