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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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II. Abschnitt. Forstpolizei.

Am zweckmässigsten ist eine amtliche Ausscheidung durch Kom-
missionen von Sachverständigen mit Anhörung der Einwendung der
Interessenten und Zulassung der Berufung an eine höhere Instanz. Auf
diese Weise ist jede Einseitigkeit und Willkür ausgeschlossen, welche
bei einseitiger amtlicher Behandlung immerhin möglich erscheint; die
Eigentümer wissen, dass ihre Waldungen den gesetzlichen Beschrän-
kungen unterliegen, und für das eventuelle strafrechtliche Verfahren
wegen Verletzung dieser Bestimmungen ist eine sichere Grundlage ge-
schaffen. Eine solche Ausscheidung findet statt in Württemberg 1),
Ungarn, Italien, der Schweiz und in Russland. 2)

Die Durchführung dieser Ausscheidung ist allerdings mit Schwie-
rigkeiten und Kosten verbunden; ebenso bedürfen die Schutzwaldver-
zeichnisse einer periodischen Revision, da einzelne Verhältnisse, welche
für die Einreihung eines Waldes in die Kategorie der Schutzwaldungen
massgebend sind, z. B. Schutz gegen Wind, im Laufe der Zeit Ver-
änderungen erfahren. Dass sie aber möglich ist, zeigen die praktischen
Erfahrungen in Ungarn und Italien.

In letzterem Lande, wo die Staatswaldfläche nur 4 Proz. der ge-
samten Waldfläche beträgt, und der Wald infolge der alten Kultur und
der klimatischen Verhältnisse ohnehin schon fast ganz auf den abso-
luten Waldboden zurückgedrängt worden ist, unterliegen nach den ge-
fälligen Mitteilungen des Herrn Forstinspektors Ciucci nicht weniger
als 2968008 ha = 72,5 Proz. der gesamten Waldfläche dem Forstbanne
(vincolo forestale).

Die Erklärung eines Waldes als Schutzwald kann aber nach einigen
Gesetzen auch von Fall zu Fall auf Antrag der gefährdeten Interes-
senten oder der Behörden erfolgen, ohne dass eine allgemeine Aus-
scheidung stattgefunden hat (Preussen 3), Oesterreich), oder neben einer
solchen (Italien. 4)


1) Württemberg, Forstpolizeigesetz vom 8. IX. 1879, Art. 9: Bei Waldungen,
welche nach dem Ermessen des Forstamtes wegen der örtlichen Verhältnisse zur
Abhaltung von Gefahren, insbesondere des Abrutschens und Bodenüberschwemmens,
in entsprechendem Bestande zu halten sind, oder zum Schutz gegen Windschaden
für die angrenzenden oder vorherrschend mit Nadelholze bestockten Waldungen
dienen, ist zu einer kahlen Abholzung oder starken Lichtung die Erlaubnis des
Forstamtes einzuholen. Die Waldungen, welche dieser Beschränkung unterliegen,
sind durch das Forstamt den Besitzern mittels schriftlicher Eröffnung zu bezeichnen.
2) Russisches Gesetz vom 4. IV. 1888, Art. 29: Zu dem Wirkungskreise des
Forstschutzkomitees gehören: a) die Bestimmung der Schutzwälder und die Bestä-
tigung der für diese erforderlichen Pläne.
3) Preussen, Gesetz vom 6. VII. 1875, § 3: Der Antrag auf Erlass der im
§ 2 vorgesehenen Anordnungen kann gestellt werden a) von jedem gefährdeten Inter-
essenten, b) von Gemeinde-, Amts-, Kreis- und sonstigen Kommunalverbänden in
allen innerhalb ihres Bezirkes vorkommenden Fällen, c) von der Landespolizeibehörde.
4) Italien, Gesetz vom 20. VI. 1877, Art. 2: Il vincolo per ragione di pubblica
II. Abschnitt. Forstpolizei.

Am zweckmäſsigsten ist eine amtliche Ausscheidung durch Kom-
missionen von Sachverständigen mit Anhörung der Einwendung der
Interessenten und Zulassung der Berufung an eine höhere Instanz. Auf
diese Weise ist jede Einseitigkeit und Willkür ausgeschlossen, welche
bei einseitiger amtlicher Behandlung immerhin möglich erscheint; die
Eigentümer wissen, daſs ihre Waldungen den gesetzlichen Beschrän-
kungen unterliegen, und für das eventuelle strafrechtliche Verfahren
wegen Verletzung dieser Bestimmungen ist eine sichere Grundlage ge-
schaffen. Eine solche Ausscheidung findet statt in Württemberg 1),
Ungarn, Italien, der Schweiz und in Ruſsland. 2)

Die Durchführung dieser Ausscheidung ist allerdings mit Schwie-
rigkeiten und Kosten verbunden; ebenso bedürfen die Schutzwaldver-
zeichnisse einer periodischen Revision, da einzelne Verhältnisse, welche
für die Einreihung eines Waldes in die Kategorie der Schutzwaldungen
maſsgebend sind, z. B. Schutz gegen Wind, im Laufe der Zeit Ver-
änderungen erfahren. Daſs sie aber möglich ist, zeigen die praktischen
Erfahrungen in Ungarn und Italien.

In letzterem Lande, wo die Staatswaldfläche nur 4 Proz. der ge-
samten Waldfläche beträgt, und der Wald infolge der alten Kultur und
der klimatischen Verhältnisse ohnehin schon fast ganz auf den abso-
luten Waldboden zurückgedrängt worden ist, unterliegen nach den ge-
fälligen Mitteilungen des Herrn Forstinspektors Ciucci nicht weniger
als 2968008 ha = 72,5 Proz. der gesamten Waldfläche dem Forstbanne
(vincolo forestale).

Die Erklärung eines Waldes als Schutzwald kann aber nach einigen
Gesetzen auch von Fall zu Fall auf Antrag der gefährdeten Interes-
senten oder der Behörden erfolgen, ohne daſs eine allgemeine Aus-
scheidung stattgefunden hat (Preuſsen 3), Oesterreich), oder neben einer
solchen (Italien. 4)


1) Württemberg, Forstpolizeigesetz vom 8. IX. 1879, Art. 9: Bei Waldungen,
welche nach dem Ermessen des Forstamtes wegen der örtlichen Verhältnisse zur
Abhaltung von Gefahren, insbesondere des Abrutschens und Bodenüberschwemmens,
in entsprechendem Bestande zu halten sind, oder zum Schutz gegen Windschaden
für die angrenzenden oder vorherrschend mit Nadelholze bestockten Waldungen
dienen, ist zu einer kahlen Abholzung oder starken Lichtung die Erlaubnis des
Forstamtes einzuholen. Die Waldungen, welche dieser Beschränkung unterliegen,
sind durch das Forstamt den Besitzern mittels schriftlicher Eröffnung zu bezeichnen.
2) Russisches Gesetz vom 4. IV. 1888, Art. 29: Zu dem Wirkungskreise des
Forstschutzkomitees gehören: a) die Bestimmung der Schutzwälder und die Bestä-
tigung der für diese erforderlichen Pläne.
3) Preuſsen, Gesetz vom 6. VII. 1875, § 3: Der Antrag auf Erlaſs der im
§ 2 vorgesehenen Anordnungen kann gestellt werden a) von jedem gefährdeten Inter-
essenten, b) von Gemeinde-, Amts-, Kreis- und sonstigen Kommunalverbänden in
allen innerhalb ihres Bezirkes vorkommenden Fällen, c) von der Landespolizeibehörde.
4) Italien, Gesetz vom 20. VI. 1877, Art. 2: Il vincolo per ragione di pubblica
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[231/0249] II. Abschnitt. Forstpolizei. Am zweckmäſsigsten ist eine amtliche Ausscheidung durch Kom- missionen von Sachverständigen mit Anhörung der Einwendung der Interessenten und Zulassung der Berufung an eine höhere Instanz. Auf diese Weise ist jede Einseitigkeit und Willkür ausgeschlossen, welche bei einseitiger amtlicher Behandlung immerhin möglich erscheint; die Eigentümer wissen, daſs ihre Waldungen den gesetzlichen Beschrän- kungen unterliegen, und für das eventuelle strafrechtliche Verfahren wegen Verletzung dieser Bestimmungen ist eine sichere Grundlage ge- schaffen. Eine solche Ausscheidung findet statt in Württemberg 1), Ungarn, Italien, der Schweiz und in Ruſsland. 2) Die Durchführung dieser Ausscheidung ist allerdings mit Schwie- rigkeiten und Kosten verbunden; ebenso bedürfen die Schutzwaldver- zeichnisse einer periodischen Revision, da einzelne Verhältnisse, welche für die Einreihung eines Waldes in die Kategorie der Schutzwaldungen maſsgebend sind, z. B. Schutz gegen Wind, im Laufe der Zeit Ver- änderungen erfahren. Daſs sie aber möglich ist, zeigen die praktischen Erfahrungen in Ungarn und Italien. In letzterem Lande, wo die Staatswaldfläche nur 4 Proz. der ge- samten Waldfläche beträgt, und der Wald infolge der alten Kultur und der klimatischen Verhältnisse ohnehin schon fast ganz auf den abso- luten Waldboden zurückgedrängt worden ist, unterliegen nach den ge- fälligen Mitteilungen des Herrn Forstinspektors Ciucci nicht weniger als 2968008 ha = 72,5 Proz. der gesamten Waldfläche dem Forstbanne (vincolo forestale). Die Erklärung eines Waldes als Schutzwald kann aber nach einigen Gesetzen auch von Fall zu Fall auf Antrag der gefährdeten Interes- senten oder der Behörden erfolgen, ohne daſs eine allgemeine Aus- scheidung stattgefunden hat (Preuſsen 3), Oesterreich), oder neben einer solchen (Italien. 4) 1) Württemberg, Forstpolizeigesetz vom 8. IX. 1879, Art. 9: Bei Waldungen, welche nach dem Ermessen des Forstamtes wegen der örtlichen Verhältnisse zur Abhaltung von Gefahren, insbesondere des Abrutschens und Bodenüberschwemmens, in entsprechendem Bestande zu halten sind, oder zum Schutz gegen Windschaden für die angrenzenden oder vorherrschend mit Nadelholze bestockten Waldungen dienen, ist zu einer kahlen Abholzung oder starken Lichtung die Erlaubnis des Forstamtes einzuholen. Die Waldungen, welche dieser Beschränkung unterliegen, sind durch das Forstamt den Besitzern mittels schriftlicher Eröffnung zu bezeichnen. 2) Russisches Gesetz vom 4. IV. 1888, Art. 29: Zu dem Wirkungskreise des Forstschutzkomitees gehören: a) die Bestimmung der Schutzwälder und die Bestä- tigung der für diese erforderlichen Pläne. 3) Preuſsen, Gesetz vom 6. VII. 1875, § 3: Der Antrag auf Erlaſs der im § 2 vorgesehenen Anordnungen kann gestellt werden a) von jedem gefährdeten Inter- essenten, b) von Gemeinde-, Amts-, Kreis- und sonstigen Kommunalverbänden in allen innerhalb ihres Bezirkes vorkommenden Fällen, c) von der Landespolizeibehörde. 4) Italien, Gesetz vom 20. VI. 1877, Art. 2: Il vincolo per ragione di pubblica

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/249>, abgerufen am 24.04.2024.