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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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II. Abschnitt. Forstpolizei.
worden ist und teilweise noch heute wird, welche bei sorgfältiger
Untersuchung nur zum kleinsten Teile bewiesen werden können.

Trotz der lebhaften Bewegung für den Wald, welche teilweise in
wirkliche Schwärmerei überging, ist die Schutzwaldfrage lange Zeit
hindurch nur wenig fortgeschritten, weil die nötigen wissenschaftlichen
Grundlagen für ihre Lösung fehlten.

Erst die Einrichtung des meteorologischen und hydrotechnischen
Beobachtungsdienstes, vor allem aber die Gründung der forstlichen
Versuchsanstalten sowie die bessere und allgemeinere Kenntnis der ge-
samten forstlichen Verhältnisse, welche eine Folge unserer modernen
Verkehrsverhältnisse und etwas skeptischeren Auffassungsweise ist, haben
die ganze Bewegung in die richtigen Schranken zurückgeführt, wobei
allerdings manche Behauptung von der Wichtigkeit des Waldes sich
zwar als eine warm empfundene, aber dennoch unbegründete Phrase
erwiesen hat.

Es muss jedoch betont werden, dass noch lange nicht sämt-
liche hier einschlagende Fragen ihre endgültige, exakte Lösung ge-
funden haben.

Immerhin war aber durch die Erkenntnis, dass ein öffentliches
Interesse am Walde vorhanden sei, welches des Schutzes bedürfe,
wenigstens theoretisch die Grundlage und gleichzeitig auch die Grenze
gegeben für die Beschränkungen, welche zum Wohle der Gesamtheit
der individuellen Freiheit auferlegt werden müssen.

Diese Anschauung ist zum erstenmale in dem bayerischen Forst-
gesetze von 1852 zum Ausdrucke gelangt und hat seitdem zum Erlasse
zahlreicher ähnlicher gesetzlicher Bestimmungen in den meisten Kultur-
staaten geführt.

Behufs der weiteren Erörterungen über die Schutzwaldfrage muss
zurückgegriffen werden auf die Ergebnisse der auf Seite 49--68 ent-
haltenen Darstellungen. Hiernach lässt sich der günstige Einfluss, welchen
der Wald auf das von ihm bedeckte Terrain und dessen nähere oder
weitere Entfernung, wenn auch in verschiedenem Masse ausübt, kurz
in folgenden Sätzen zusammenfassen:

1. Am erfolgreichsten wirkt der Wald hinsichtlich der Bindung
des Bodens
und zwar im Gebirge durch Verhütung von Ab-
schwemmungen, Rutschungen u. s. w., in der Ebene und im Küsten-
gebiete aber durch Bindung des Flugsandes.

2. Weniger intensiv ist die Einwirkung des Waldes auf die ört-
liche
und zeitliche Verteilung der Wasserabfuhr, welche sich
einerseits durch Beschränkung der Überschwemmungsgefahr und ander-
seits durch Erhaltung von Quellen und Wasserläufen äussern kann.

3. Die Abschwächung schädlicher Winde erstreckt sich
naturgemäss nur auf die nächste Umgebung des Waldes, einen ähn-

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II. Abschnitt. Forstpolizei.
worden ist und teilweise noch heute wird, welche bei sorgfältiger
Untersuchung nur zum kleinsten Teile bewiesen werden können.

Trotz der lebhaften Bewegung für den Wald, welche teilweise in
wirkliche Schwärmerei überging, ist die Schutzwaldfrage lange Zeit
hindurch nur wenig fortgeschritten, weil die nötigen wissenschaftlichen
Grundlagen für ihre Lösung fehlten.

Erst die Einrichtung des meteorologischen und hydrotechnischen
Beobachtungsdienstes, vor allem aber die Gründung der forstlichen
Versuchsanstalten sowie die bessere und allgemeinere Kenntnis der ge-
samten forstlichen Verhältnisse, welche eine Folge unserer modernen
Verkehrsverhältnisse und etwas skeptischeren Auffassungsweise ist, haben
die ganze Bewegung in die richtigen Schranken zurückgeführt, wobei
allerdings manche Behauptung von der Wichtigkeit des Waldes sich
zwar als eine warm empfundene, aber dennoch unbegründete Phrase
erwiesen hat.

Es muſs jedoch betont werden, daſs noch lange nicht sämt-
liche hier einschlagende Fragen ihre endgültige, exakte Lösung ge-
funden haben.

Immerhin war aber durch die Erkenntnis, daſs ein öffentliches
Interesse am Walde vorhanden sei, welches des Schutzes bedürfe,
wenigstens theoretisch die Grundlage und gleichzeitig auch die Grenze
gegeben für die Beschränkungen, welche zum Wohle der Gesamtheit
der individuellen Freiheit auferlegt werden müssen.

Diese Anschauung ist zum erstenmale in dem bayerischen Forst-
gesetze von 1852 zum Ausdrucke gelangt und hat seitdem zum Erlasse
zahlreicher ähnlicher gesetzlicher Bestimmungen in den meisten Kultur-
staaten geführt.

Behufs der weiteren Erörterungen über die Schutzwaldfrage muſs
zurückgegriffen werden auf die Ergebnisse der auf Seite 49—68 ent-
haltenen Darstellungen. Hiernach läſst sich der günstige Einfluſs, welchen
der Wald auf das von ihm bedeckte Terrain und dessen nähere oder
weitere Entfernung, wenn auch in verschiedenem Maſse ausübt, kurz
in folgenden Sätzen zusammenfassen:

1. Am erfolgreichsten wirkt der Wald hinsichtlich der Bindung
des Bodens
und zwar im Gebirge durch Verhütung von Ab-
schwemmungen, Rutschungen u. s. w., in der Ebene und im Küsten-
gebiete aber durch Bindung des Flugsandes.

2. Weniger intensiv ist die Einwirkung des Waldes auf die ört-
liche
und zeitliche Verteilung der Wasserabfuhr, welche sich
einerseits durch Beschränkung der Überschwemmungsgefahr und ander-
seits durch Erhaltung von Quellen und Wasserläufen äuſsern kann.

3. Die Abschwächung schädlicher Winde erstreckt sich
naturgemäſs nur auf die nächste Umgebung des Waldes, einen ähn-

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[227/0245] II. Abschnitt. Forstpolizei. worden ist und teilweise noch heute wird, welche bei sorgfältiger Untersuchung nur zum kleinsten Teile bewiesen werden können. Trotz der lebhaften Bewegung für den Wald, welche teilweise in wirkliche Schwärmerei überging, ist die Schutzwaldfrage lange Zeit hindurch nur wenig fortgeschritten, weil die nötigen wissenschaftlichen Grundlagen für ihre Lösung fehlten. Erst die Einrichtung des meteorologischen und hydrotechnischen Beobachtungsdienstes, vor allem aber die Gründung der forstlichen Versuchsanstalten sowie die bessere und allgemeinere Kenntnis der ge- samten forstlichen Verhältnisse, welche eine Folge unserer modernen Verkehrsverhältnisse und etwas skeptischeren Auffassungsweise ist, haben die ganze Bewegung in die richtigen Schranken zurückgeführt, wobei allerdings manche Behauptung von der Wichtigkeit des Waldes sich zwar als eine warm empfundene, aber dennoch unbegründete Phrase erwiesen hat. Es muſs jedoch betont werden, daſs noch lange nicht sämt- liche hier einschlagende Fragen ihre endgültige, exakte Lösung ge- funden haben. Immerhin war aber durch die Erkenntnis, daſs ein öffentliches Interesse am Walde vorhanden sei, welches des Schutzes bedürfe, wenigstens theoretisch die Grundlage und gleichzeitig auch die Grenze gegeben für die Beschränkungen, welche zum Wohle der Gesamtheit der individuellen Freiheit auferlegt werden müssen. Diese Anschauung ist zum erstenmale in dem bayerischen Forst- gesetze von 1852 zum Ausdrucke gelangt und hat seitdem zum Erlasse zahlreicher ähnlicher gesetzlicher Bestimmungen in den meisten Kultur- staaten geführt. Behufs der weiteren Erörterungen über die Schutzwaldfrage muſs zurückgegriffen werden auf die Ergebnisse der auf Seite 49—68 ent- haltenen Darstellungen. Hiernach läſst sich der günstige Einfluſs, welchen der Wald auf das von ihm bedeckte Terrain und dessen nähere oder weitere Entfernung, wenn auch in verschiedenem Maſse ausübt, kurz in folgenden Sätzen zusammenfassen: 1. Am erfolgreichsten wirkt der Wald hinsichtlich der Bindung des Bodens und zwar im Gebirge durch Verhütung von Ab- schwemmungen, Rutschungen u. s. w., in der Ebene und im Küsten- gebiete aber durch Bindung des Flugsandes. 2. Weniger intensiv ist die Einwirkung des Waldes auf die ört- liche und zeitliche Verteilung der Wasserabfuhr, welche sich einerseits durch Beschränkung der Überschwemmungsgefahr und ander- seits durch Erhaltung von Quellen und Wasserläufen äuſsern kann. 3. Die Abschwächung schädlicher Winde erstreckt sich naturgemäſs nur auf die nächste Umgebung des Waldes, einen ähn- 15*

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/245>, abgerufen am 25.04.2024.