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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.
Jahrhunderte alten Praxis auf diesem Gebiete, mit der Betonung der
klimatischen Einflüsse des Waldes, und zwar geschah dieses
zuerst von französischer Seite gegen das Ende des 18. Jahrhunderts. 1)

Graf von Soden hob im Anschlusse hieran in seiner 1805 er-
schienenen "Nazional-Ökonomie" den gefährlichen Einfluss einer zu
weit gehenden Verminderung der Waldungen auf die Gesundheit und
Fruchtbarkeit eines Landes hervor.

Den mächtigsten Anstoss zur weiteren Arbeit auf diesem Gebiete
gab Moreau de Jonnes durch die Lösung der von der Akademie
zu Brüssel für das Jahr 1825 ausgesetzten Preisfrage: "Welche Ände-
rungen in dem physischen Zustande der Länder bewirkt die Wald-
ausrottung?"

In seinem "Memoire sur le deboisement des forets" untersuchte
Moreau den Einfluss der Waldungen: 1. auf die örtliche Temperatur,
2. auf die Häufigkeit und Menge des Regens, 3. auf die Feuchtigkeit
der Atmosphäre, 4. auf die Quellen und fliessenden Wässer, 5. auf die
Winde und die Gesundheit der Luft, 6. auf die Fruchtbarkeit des
Bodens und den gesellschaftlichen Zustand der Völker.

Gestützt hauptsächlich auf die in tropischen und subtropischen
Gegenden gemachten Beobachtungen gelangte Moreau de Jonnes zu
dem Ergebnisse, dass der Wald einen ausserordentlich wichtigen und
günstigen Einfluss nach den genannten Richtungen ausübe.

Durch die 1828 erschienene Übersetzung dieses Buches von Widen-
mann
wurde dasselbe bald auch in Deutschland in weiten Kreisen
bekannt.

Bei dem Mangel an gründlichen Vorarbeiten und exakten Unter-
suchungen enthielt das Buch von Moreau de Jonnes viele Unrichtig-
keiten und Übertreibungen, allein es wirkte ungemein anregend durch
die gewandte Darstellungsweise und die warme Überzeugung von der
hohen Kulturbedeutung des Waldes. An sein Erscheinen knüpfte eine
neue Ära der grossen Waldschutzfrage, besonders in Deutschland, an.

In der Litteratur, namentlich in forstlichen Zeitschriften, aber auch
sonst in populären und populär-wissenschaftlichen Werken wurde
etwa seit 1820 die klimatische Bedeutung des Waldes und dessen
hoher Wert für die Bewohnbarkeit der Wälder und die Landeskultur
auf das eifrigste und wärmste besprochen.

So sehr diese Bewegung anzuerkennen ist wegen der Anregungen,
die sie für die Pflege des Waldes und das Verständnis seiner kultu-
rellen, ästhetischen und ethischen Bedeutung gegeben hat, so darf doch
nicht verschwiegen bleiben, dass im Laufe der Zeit dem Walde eine
Reihe wichtiger Einflüsse für Klima und Gesundheit zugeschrieben

1) Vgl. Thuaus Rede in der französischen Nationalversammlung, mitgeteilt in
Soden, Die Nazionalökonomie, Leipzig 1805. I. Bd., S. 117.

B. Zweiter (spezieller) Teil.
Jahrhunderte alten Praxis auf diesem Gebiete, mit der Betonung der
klimatischen Einflüsse des Waldes, und zwar geschah dieses
zuerst von französischer Seite gegen das Ende des 18. Jahrhunderts. 1)

Graf von Soden hob im Anschlusse hieran in seiner 1805 er-
schienenen „Nazional-Ökonomie“ den gefährlichen Einfluſs einer zu
weit gehenden Verminderung der Waldungen auf die Gesundheit und
Fruchtbarkeit eines Landes hervor.

Den mächtigsten Anstoſs zur weiteren Arbeit auf diesem Gebiete
gab Moreau de Jonnés durch die Lösung der von der Akademie
zu Brüssel für das Jahr 1825 ausgesetzten Preisfrage: „Welche Ände-
rungen in dem physischen Zustande der Länder bewirkt die Wald-
ausrottung?“

In seinem „Mémoire sur le déboisement des forêts“ untersuchte
Moreau den Einfluſs der Waldungen: 1. auf die örtliche Temperatur,
2. auf die Häufigkeit und Menge des Regens, 3. auf die Feuchtigkeit
der Atmosphäre, 4. auf die Quellen und flieſsenden Wässer, 5. auf die
Winde und die Gesundheit der Luft, 6. auf die Fruchtbarkeit des
Bodens und den gesellschaftlichen Zustand der Völker.

Gestützt hauptsächlich auf die in tropischen und subtropischen
Gegenden gemachten Beobachtungen gelangte Moreau de Jonnés zu
dem Ergebnisse, daſs der Wald einen auſserordentlich wichtigen und
günstigen Einfluſs nach den genannten Richtungen ausübe.

Durch die 1828 erschienene Übersetzung dieses Buches von Widen-
mann
wurde dasselbe bald auch in Deutschland in weiten Kreisen
bekannt.

Bei dem Mangel an gründlichen Vorarbeiten und exakten Unter-
suchungen enthielt das Buch von Moreau de Jonnés viele Unrichtig-
keiten und Übertreibungen, allein es wirkte ungemein anregend durch
die gewandte Darstellungsweise und die warme Überzeugung von der
hohen Kulturbedeutung des Waldes. An sein Erscheinen knüpfte eine
neue Ära der groſsen Waldschutzfrage, besonders in Deutschland, an.

In der Litteratur, namentlich in forstlichen Zeitschriften, aber auch
sonst in populären und populär-wissenschaftlichen Werken wurde
etwa seit 1820 die klimatische Bedeutung des Waldes und dessen
hoher Wert für die Bewohnbarkeit der Wälder und die Landeskultur
auf das eifrigste und wärmste besprochen.

So sehr diese Bewegung anzuerkennen ist wegen der Anregungen,
die sie für die Pflege des Waldes und das Verständnis seiner kultu-
rellen, ästhetischen und ethischen Bedeutung gegeben hat, so darf doch
nicht verschwiegen bleiben, daſs im Laufe der Zeit dem Walde eine
Reihe wichtiger Einflüsse für Klima und Gesundheit zugeschrieben

1) Vgl. Thuaus Rede in der französischen Nationalversammlung, mitgeteilt in
Soden, Die Nazionalökonomie, Leipzig 1805. I. Bd., S. 117.
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[226/0244] B. Zweiter (spezieller) Teil. Jahrhunderte alten Praxis auf diesem Gebiete, mit der Betonung der klimatischen Einflüsse des Waldes, und zwar geschah dieses zuerst von französischer Seite gegen das Ende des 18. Jahrhunderts. 1) Graf von Soden hob im Anschlusse hieran in seiner 1805 er- schienenen „Nazional-Ökonomie“ den gefährlichen Einfluſs einer zu weit gehenden Verminderung der Waldungen auf die Gesundheit und Fruchtbarkeit eines Landes hervor. Den mächtigsten Anstoſs zur weiteren Arbeit auf diesem Gebiete gab Moreau de Jonnés durch die Lösung der von der Akademie zu Brüssel für das Jahr 1825 ausgesetzten Preisfrage: „Welche Ände- rungen in dem physischen Zustande der Länder bewirkt die Wald- ausrottung?“ In seinem „Mémoire sur le déboisement des forêts“ untersuchte Moreau den Einfluſs der Waldungen: 1. auf die örtliche Temperatur, 2. auf die Häufigkeit und Menge des Regens, 3. auf die Feuchtigkeit der Atmosphäre, 4. auf die Quellen und flieſsenden Wässer, 5. auf die Winde und die Gesundheit der Luft, 6. auf die Fruchtbarkeit des Bodens und den gesellschaftlichen Zustand der Völker. Gestützt hauptsächlich auf die in tropischen und subtropischen Gegenden gemachten Beobachtungen gelangte Moreau de Jonnés zu dem Ergebnisse, daſs der Wald einen auſserordentlich wichtigen und günstigen Einfluſs nach den genannten Richtungen ausübe. Durch die 1828 erschienene Übersetzung dieses Buches von Widen- mann wurde dasselbe bald auch in Deutschland in weiten Kreisen bekannt. Bei dem Mangel an gründlichen Vorarbeiten und exakten Unter- suchungen enthielt das Buch von Moreau de Jonnés viele Unrichtig- keiten und Übertreibungen, allein es wirkte ungemein anregend durch die gewandte Darstellungsweise und die warme Überzeugung von der hohen Kulturbedeutung des Waldes. An sein Erscheinen knüpfte eine neue Ära der groſsen Waldschutzfrage, besonders in Deutschland, an. In der Litteratur, namentlich in forstlichen Zeitschriften, aber auch sonst in populären und populär-wissenschaftlichen Werken wurde etwa seit 1820 die klimatische Bedeutung des Waldes und dessen hoher Wert für die Bewohnbarkeit der Wälder und die Landeskultur auf das eifrigste und wärmste besprochen. So sehr diese Bewegung anzuerkennen ist wegen der Anregungen, die sie für die Pflege des Waldes und das Verständnis seiner kultu- rellen, ästhetischen und ethischen Bedeutung gegeben hat, so darf doch nicht verschwiegen bleiben, daſs im Laufe der Zeit dem Walde eine Reihe wichtiger Einflüsse für Klima und Gesundheit zugeschrieben 1) Vgl. Thuaus Rede in der französischen Nationalversammlung, mitgeteilt in Soden, Die Nazionalökonomie, Leipzig 1805. I. Bd., S. 117.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/244>, abgerufen am 23.04.2024.