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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
(deutsches Reichsgesetz vom 15. März 1886, Preussen 18. Juni 1887,
Sachsen 9. April 1888, Hessen 18. Juni 1887). Diese Gesetze beziehen
sich auch auf die in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben thätigen
Beamten.

Durch die Unfallversicherungsgesetze ist den Berufsgenossenschaften
die Befugnis zum Erlasse von Unfallverhütungsvorschriften er-
teilt, wovon in der Industrie ein umfassender und erfolgreicher Gebrauch
gemacht wird. In der Forstwirtschaft ist dieses leider fast noch gar
nicht geschehen. Solche Unfallverhütungsvorschriften wären nach zwei
Seiten zu erlassen:

1. Solche, welche den Unternehmer binden; hierher gehören:

a) Vorschriften über Betriebseinrichtung bei der Forstwirtschaft,
z. B. über Schlagführung, Schutzwehren, Wege, Brücken, Nachrichten-
dienst;

b) solche über Ausrüstung der Arbeiter: Schutzbrillen, Verwahrung
schneidender Werkzeuge, Bereithaltung von Seilen und Verbandzeug.

2. Die zweite Gruppe von Vorschriften hätte die Arbeiter zu ge-
wissen Vorsichtsmassregeln zu verpflichten.

Zu berücksichtigen bleibt allerdings, dass nur die erste Gruppe
durch wirksame Strafbestimmungen erzwungen werden kann, während
bezüglich der zweiten nicht bloss die Überwachung der Arbeiter schwierig,
sondern auch die Beitreibung der im Arbeitsvertrage ausbedungenen
Strafen wegen der vielfach bestehenden Neigung, von der Waldarbeit
sich anderen Beschäftigungen zuzuwenden, im Interesse des Waldbesitzers
häufig nicht konsequent durchgeführt werden kann.

Das österreichische Unfallversicherungsgesetz vom 28.
Dezember 1887 betrifft die Land- und Forstwirtschaft nur insoweit,
als Motorenbetrieb dabei Verwendung findet.

Der Entwurf eines Spezialgesetzes für land- und forstwirtschaft-
liche Unfallversicherung ist fertiggestellt und unterliegt zur Zeit der
Begutachtung durch die Vertreter der Interessentenkreise.

§ 4. Die Invaliditäts- und Altersversicherung. Das am 1. Januar
1891 ins Leben getretene Gesetz betreffend die Invaliditäts- und
Altersversicherung
vom 22. Juni 1889 bietet bezüglich der Forst-
arbeiter keine Besonderheiten.

Dieses Gesetz ist hinsichtlich der Anzahl der unter dasselbe fallen-
den Personen das weitreichendste, indem alle Lohnarbeiter und kleinen
Betriebsbeamten (bis zu 2000 M. Gehalt) vom 16. Lebensjahre ab der
Versicherungspflicht unterworfen sind. Die Zahl der versicherungs-
pflichtigen Personen ist 1889 auf 11 Millionen geschätzt worden. Aus-
genommen sind nur die Reichs- und Staatsbeamten, die Personen des
Soldatenstandes, die mit Pensionsberechtigung angestellten Kommunal-
beamten, sowie diejenigen Personen, welche im Sinne des Gesetzes

I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
(deutsches Reichsgesetz vom 15. März 1886, Preuſsen 18. Juni 1887,
Sachsen 9. April 1888, Hessen 18. Juni 1887). Diese Gesetze beziehen
sich auch auf die in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben thätigen
Beamten.

Durch die Unfallversicherungsgesetze ist den Berufsgenossenschaften
die Befugnis zum Erlasse von Unfallverhütungsvorschriften er-
teilt, wovon in der Industrie ein umfassender und erfolgreicher Gebrauch
gemacht wird. In der Forstwirtschaft ist dieses leider fast noch gar
nicht geschehen. Solche Unfallverhütungsvorschriften wären nach zwei
Seiten zu erlassen:

1. Solche, welche den Unternehmer binden; hierher gehören:

a) Vorschriften über Betriebseinrichtung bei der Forstwirtschaft,
z. B. über Schlagführung, Schutzwehren, Wege, Brücken, Nachrichten-
dienst;

b) solche über Ausrüstung der Arbeiter: Schutzbrillen, Verwahrung
schneidender Werkzeuge, Bereithaltung von Seilen und Verbandzeug.

2. Die zweite Gruppe von Vorschriften hätte die Arbeiter zu ge-
wissen Vorsichtsmaſsregeln zu verpflichten.

Zu berücksichtigen bleibt allerdings, daſs nur die erste Gruppe
durch wirksame Strafbestimmungen erzwungen werden kann, während
bezüglich der zweiten nicht bloſs die Überwachung der Arbeiter schwierig,
sondern auch die Beitreibung der im Arbeitsvertrage ausbedungenen
Strafen wegen der vielfach bestehenden Neigung, von der Waldarbeit
sich anderen Beschäftigungen zuzuwenden, im Interesse des Waldbesitzers
häufig nicht konsequent durchgeführt werden kann.

Das österreichische Unfallversicherungsgesetz vom 28.
Dezember 1887 betrifft die Land- und Forstwirtschaft nur insoweit,
als Motorenbetrieb dabei Verwendung findet.

Der Entwurf eines Spezialgesetzes für land- und forstwirtschaft-
liche Unfallversicherung ist fertiggestellt und unterliegt zur Zeit der
Begutachtung durch die Vertreter der Interessentenkreise.

§ 4. Die Invaliditäts- und Altersversicherung. Das am 1. Januar
1891 ins Leben getretene Gesetz betreffend die Invaliditäts- und
Altersversicherung
vom 22. Juni 1889 bietet bezüglich der Forst-
arbeiter keine Besonderheiten.

Dieses Gesetz ist hinsichtlich der Anzahl der unter dasselbe fallen-
den Personen das weitreichendste, indem alle Lohnarbeiter und kleinen
Betriebsbeamten (bis zu 2000 M. Gehalt) vom 16. Lebensjahre ab der
Versicherungspflicht unterworfen sind. Die Zahl der versicherungs-
pflichtigen Personen ist 1889 auf 11 Millionen geschätzt worden. Aus-
genommen sind nur die Reichs- und Staatsbeamten, die Personen des
Soldatenstandes, die mit Pensionsberechtigung angestellten Kommunal-
beamten, sowie diejenigen Personen, welche im Sinne des Gesetzes

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[221/0239] I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege. (deutsches Reichsgesetz vom 15. März 1886, Preuſsen 18. Juni 1887, Sachsen 9. April 1888, Hessen 18. Juni 1887). Diese Gesetze beziehen sich auch auf die in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben thätigen Beamten. Durch die Unfallversicherungsgesetze ist den Berufsgenossenschaften die Befugnis zum Erlasse von Unfallverhütungsvorschriften er- teilt, wovon in der Industrie ein umfassender und erfolgreicher Gebrauch gemacht wird. In der Forstwirtschaft ist dieses leider fast noch gar nicht geschehen. Solche Unfallverhütungsvorschriften wären nach zwei Seiten zu erlassen: 1. Solche, welche den Unternehmer binden; hierher gehören: a) Vorschriften über Betriebseinrichtung bei der Forstwirtschaft, z. B. über Schlagführung, Schutzwehren, Wege, Brücken, Nachrichten- dienst; b) solche über Ausrüstung der Arbeiter: Schutzbrillen, Verwahrung schneidender Werkzeuge, Bereithaltung von Seilen und Verbandzeug. 2. Die zweite Gruppe von Vorschriften hätte die Arbeiter zu ge- wissen Vorsichtsmaſsregeln zu verpflichten. Zu berücksichtigen bleibt allerdings, daſs nur die erste Gruppe durch wirksame Strafbestimmungen erzwungen werden kann, während bezüglich der zweiten nicht bloſs die Überwachung der Arbeiter schwierig, sondern auch die Beitreibung der im Arbeitsvertrage ausbedungenen Strafen wegen der vielfach bestehenden Neigung, von der Waldarbeit sich anderen Beschäftigungen zuzuwenden, im Interesse des Waldbesitzers häufig nicht konsequent durchgeführt werden kann. Das österreichische Unfallversicherungsgesetz vom 28. Dezember 1887 betrifft die Land- und Forstwirtschaft nur insoweit, als Motorenbetrieb dabei Verwendung findet. Der Entwurf eines Spezialgesetzes für land- und forstwirtschaft- liche Unfallversicherung ist fertiggestellt und unterliegt zur Zeit der Begutachtung durch die Vertreter der Interessentenkreise. § 4. Die Invaliditäts- und Altersversicherung. Das am 1. Januar 1891 ins Leben getretene Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni 1889 bietet bezüglich der Forst- arbeiter keine Besonderheiten. Dieses Gesetz ist hinsichtlich der Anzahl der unter dasselbe fallen- den Personen das weitreichendste, indem alle Lohnarbeiter und kleinen Betriebsbeamten (bis zu 2000 M. Gehalt) vom 16. Lebensjahre ab der Versicherungspflicht unterworfen sind. Die Zahl der versicherungs- pflichtigen Personen ist 1889 auf 11 Millionen geschätzt worden. Aus- genommen sind nur die Reichs- und Staatsbeamten, die Personen des Soldatenstandes, die mit Pensionsberechtigung angestellten Kommunal- beamten, sowie diejenigen Personen, welche im Sinne des Gesetzes

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/239>, abgerufen am 29.03.2024.