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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
trotzdem schlechter gestellt als die industriellen Arbeiter, weil ihnen
durch § 10 des Gesetzes vom 5. Mai 1886 nur die Kosten des
Heilverfahrens, nicht aber ein Krankengeld
gewährleistet
ist. Auch aus diesem Grunde wäre daher, wie bereits oben bemerkt,
die Ausdehnung der obligatorischen Krankenversicherung auf die Forst-
arbeiter dringend nötig.

Nach dem Unfallversicherungsgesetze von 1884 erfolgt die Ver-
sicherung ohne Beihilfe aus öffentlichen Mitteln und ohne Beiträge der
versicherten Arbeiter auf alleinige Kosten der Betriebsunternehmer
und auf Gegenseitigkeit. Die Betriebsunternehmer werden zum Zwecke
der Durchführung der Versicherung in Berufsgenossenschaften ver-
einigt, welche juristische Persönlichkeit und weitgehende Selbstver-
waltung besitzen. Die Abgrenzung der Berufsgenossenschaften findet
nach Berufszweigen statt, welche gleiche oder verwandte wirtschaft-
liche Interessen haben, ihr Bezirk kann den Umfang des Reichs oder
eines örtlichen Teiles desselben umfassen. Den Versicherten ist eine
umfängliche Mitwirkung bei Verwaltung der Unfallversicherung ein-
geräumt, welche durch Vertreter der Arbeiter ausgeübt wird. Bei den
meisten für Rechnung des Reiches und der Bundesstaaten betriebenen
Unternehmungen tritt teils obligatorisch, teils fakultativ an Stelle der
Berufsgenossenschaft das Reich oder der Bundesstaat, für dessen Rech-
nung die Verwaltung geführt wird.

Die gleichen Prinzipien sind auch in dem Gesetze von 1886 für die
Land- und Forstwirtschaft zur Anwendung gekommen, jedoch mit
einigen Abänderungen.

Die Land- und Forstwirtschaft bildet einen einzigen Berufszweig,
für welchen ebenfalls Berufsgenossenschaften gebildet wurden. Dieselben
schliessen sich an die Verwaltungsorganisation nach Staaten und Pro-
vinzen an. Demgemäss erstrecken sich die land- und forstwirtschaftlichen
Berufsgenossenschaften fast immer nur über die Bezirke je eines Bundes-
staates, und zwar besteht entweder für das ganze Gebiet desselben nur
eine Genossenschaft (Sachsen, Baden, Hessen), oder mehrere für die
verschiedenen Verwaltungsbezirke (Preussen 12 Provinzen, Bayern
8 Kreise, Württemberg 4 Kreise); nur in wenigen Ausnahmsfällen haben
kleine Bundesstaaten von der Befugnis, ihr Gebiet an die Berufsgenossen-
schaft eines Nachbarstaates anzuschliessen, Gebrauch gemacht (Lübeck,
Waldeck, sowie Gebietsteile von Oldenburg sind an preussische Berufs-
genossenschaften angeschlossen).

Die Hauptabweichung von den für die Industrie geltenden Grund-
sätzen besteht hinsichtlich der Organisation der land- und forstwirt-
schaftlichen Berufsgenossenschaften. Um nämlich den Verschiedenheiten
der einzelnen Teile des Reiches gebührend Rechnung zu tragen
und die Anlehnung der Verwaltung an vorhandene Behörden zu er-

I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
trotzdem schlechter gestellt als die industriellen Arbeiter, weil ihnen
durch § 10 des Gesetzes vom 5. Mai 1886 nur die Kosten des
Heilverfahrens, nicht aber ein Krankengeld
gewährleistet
ist. Auch aus diesem Grunde wäre daher, wie bereits oben bemerkt,
die Ausdehnung der obligatorischen Krankenversicherung auf die Forst-
arbeiter dringend nötig.

Nach dem Unfallversicherungsgesetze von 1884 erfolgt die Ver-
sicherung ohne Beihilfe aus öffentlichen Mitteln und ohne Beiträge der
versicherten Arbeiter auf alleinige Kosten der Betriebsunternehmer
und auf Gegenseitigkeit. Die Betriebsunternehmer werden zum Zwecke
der Durchführung der Versicherung in Berufsgenossenschaften ver-
einigt, welche juristische Persönlichkeit und weitgehende Selbstver-
waltung besitzen. Die Abgrenzung der Berufsgenossenschaften findet
nach Berufszweigen statt, welche gleiche oder verwandte wirtschaft-
liche Interessen haben, ihr Bezirk kann den Umfang des Reichs oder
eines örtlichen Teiles desselben umfassen. Den Versicherten ist eine
umfängliche Mitwirkung bei Verwaltung der Unfallversicherung ein-
geräumt, welche durch Vertreter der Arbeiter ausgeübt wird. Bei den
meisten für Rechnung des Reiches und der Bundesstaaten betriebenen
Unternehmungen tritt teils obligatorisch, teils fakultativ an Stelle der
Berufsgenossenschaft das Reich oder der Bundesstaat, für dessen Rech-
nung die Verwaltung geführt wird.

Die gleichen Prinzipien sind auch in dem Gesetze von 1886 für die
Land- und Forstwirtschaft zur Anwendung gekommen, jedoch mit
einigen Abänderungen.

Die Land- und Forstwirtschaft bildet einen einzigen Berufszweig,
für welchen ebenfalls Berufsgenossenschaften gebildet wurden. Dieselben
schlieſsen sich an die Verwaltungsorganisation nach Staaten und Pro-
vinzen an. Demgemäſs erstrecken sich die land- und forstwirtschaftlichen
Berufsgenossenschaften fast immer nur über die Bezirke je eines Bundes-
staates, und zwar besteht entweder für das ganze Gebiet desselben nur
eine Genossenschaft (Sachsen, Baden, Hessen), oder mehrere für die
verschiedenen Verwaltungsbezirke (Preuſsen 12 Provinzen, Bayern
8 Kreise, Württemberg 4 Kreise); nur in wenigen Ausnahmsfällen haben
kleine Bundesstaaten von der Befugnis, ihr Gebiet an die Berufsgenossen-
schaft eines Nachbarstaates anzuschlieſsen, Gebrauch gemacht (Lübeck,
Waldeck, sowie Gebietsteile von Oldenburg sind an preuſsische Berufs-
genossenschaften angeschlossen).

Die Hauptabweichung von den für die Industrie geltenden Grund-
sätzen besteht hinsichtlich der Organisation der land- und forstwirt-
schaftlichen Berufsgenossenschaften. Um nämlich den Verschiedenheiten
der einzelnen Teile des Reiches gebührend Rechnung zu tragen
und die Anlehnung der Verwaltung an vorhandene Behörden zu er-

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[219/0237] I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege. trotzdem schlechter gestellt als die industriellen Arbeiter, weil ihnen durch § 10 des Gesetzes vom 5. Mai 1886 nur die Kosten des Heilverfahrens, nicht aber ein Krankengeld gewährleistet ist. Auch aus diesem Grunde wäre daher, wie bereits oben bemerkt, die Ausdehnung der obligatorischen Krankenversicherung auf die Forst- arbeiter dringend nötig. Nach dem Unfallversicherungsgesetze von 1884 erfolgt die Ver- sicherung ohne Beihilfe aus öffentlichen Mitteln und ohne Beiträge der versicherten Arbeiter auf alleinige Kosten der Betriebsunternehmer und auf Gegenseitigkeit. Die Betriebsunternehmer werden zum Zwecke der Durchführung der Versicherung in Berufsgenossenschaften ver- einigt, welche juristische Persönlichkeit und weitgehende Selbstver- waltung besitzen. Die Abgrenzung der Berufsgenossenschaften findet nach Berufszweigen statt, welche gleiche oder verwandte wirtschaft- liche Interessen haben, ihr Bezirk kann den Umfang des Reichs oder eines örtlichen Teiles desselben umfassen. Den Versicherten ist eine umfängliche Mitwirkung bei Verwaltung der Unfallversicherung ein- geräumt, welche durch Vertreter der Arbeiter ausgeübt wird. Bei den meisten für Rechnung des Reiches und der Bundesstaaten betriebenen Unternehmungen tritt teils obligatorisch, teils fakultativ an Stelle der Berufsgenossenschaft das Reich oder der Bundesstaat, für dessen Rech- nung die Verwaltung geführt wird. Die gleichen Prinzipien sind auch in dem Gesetze von 1886 für die Land- und Forstwirtschaft zur Anwendung gekommen, jedoch mit einigen Abänderungen. Die Land- und Forstwirtschaft bildet einen einzigen Berufszweig, für welchen ebenfalls Berufsgenossenschaften gebildet wurden. Dieselben schlieſsen sich an die Verwaltungsorganisation nach Staaten und Pro- vinzen an. Demgemäſs erstrecken sich die land- und forstwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften fast immer nur über die Bezirke je eines Bundes- staates, und zwar besteht entweder für das ganze Gebiet desselben nur eine Genossenschaft (Sachsen, Baden, Hessen), oder mehrere für die verschiedenen Verwaltungsbezirke (Preuſsen 12 Provinzen, Bayern 8 Kreise, Württemberg 4 Kreise); nur in wenigen Ausnahmsfällen haben kleine Bundesstaaten von der Befugnis, ihr Gebiet an die Berufsgenossen- schaft eines Nachbarstaates anzuschlieſsen, Gebrauch gemacht (Lübeck, Waldeck, sowie Gebietsteile von Oldenburg sind an preuſsische Berufs- genossenschaften angeschlossen). Die Hauptabweichung von den für die Industrie geltenden Grund- sätzen besteht hinsichtlich der Organisation der land- und forstwirt- schaftlichen Berufsgenossenschaften. Um nämlich den Verschiedenheiten der einzelnen Teile des Reiches gebührend Rechnung zu tragen und die Anlehnung der Verwaltung an vorhandene Behörden zu er-

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/237>, abgerufen am 24.04.2024.