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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
der Gründerperiode zu Anfang der 1870 er Jahre und des hierdurch
bedingten [Ü]berganges zahlreicher Arbeitskräfte von der Landwirtschaft
und Forstwirtschaft zur Industrie war.

Erst die neueste sozialpolitische Gesetzgebung hat durch das Ein-
treten des Staates und das Auferlegen eines höchst notwendigen
Zwanges auch auf diesem Gebiete eine durchgreifende Besserung wenig-
stens eingeleitet.

Es muss schon hier betont werden, dass in Deutschland und noch
mehr in Oesterreich die Behandlung der landwirtschaftlichen und forst-
wirtschaftlichen Arbeiter nach den gleichen Gesichtspunkten für letztere
sehr ungünstig gewesen ist, da die engen, vielfach noch dem Gebiete
der Naturalwirtschaft angehörigen Beziehungen zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer bei der Forstwirtschaft in ungleich geringerem Masse
bestehen, als in der Landwirtschaft.

Im Laufe der Zeit haben sich für die forstwirtschaftlichen Arbeiter
drei Formen der Arbeiterversicherung entwickelt:

1. Selbstversicherung bei Versicherungsgesellschaften.
2. Genossenschaftliche Versicherung durch eigene
Kassen.
3. Zwangs-Versicherung in besonderen staatlichen oder
anderen öffentlich-rechtlichen Institutionen.

Die Durchführung der Arbeiterversicherung durch die vorhandenen
Privat-Versicherungsgesellschaften ist hauptsächlich deshalb
unmöglich, weil diese bei nur einigermassen genügenden Versicherungs-
beträgen so hohe Prämien verlangen, dass diese vom Arbeiter allein
unmöglich getragen werden können. Der Grund für die beträchtliche
Höhe der Prämien liegt namentlich darin, dass die Gesellschaften durch
die Versicherung einen Gewinn erzielen wollen.

Ausserdem eignet sich diese Form auch deshalb wenig, weil sie
für die Art und Weise der Beitragszahlung den Arbeitern zu un-
günstige Bedingungen stellt, und weil die früheren Einzahlungen ver-
loren sind, wenn die fälligen Prämien nicht innerhalb einer bestimmten
Zeit erfolgen. Ferner besteht bei den Privatgesellschaften auch häufig
das Streben, sich den eingegangenen Verpflichtungen unter nichtigen,
vielfach nur formellen Vorwänden soviel als möglich zu entziehen.

Wenn man von dem immerhin nur in beschränktem Umfange ver-
tretenen und mehr einer primitiven Kulturstufe angehörigen Systeme der
Regiearbeiten mit seiner teilweise ausserordentlich weitgehenden Für-
sorge für die kranken und invaliden Arbeiter absieht, so erfolgte in
Deutschland bis vor wenigen Jahren die Versicherung der Wald-
arbeiter, soweit für eine solche überhaupt gesorgt war, in besonderen
Kassen
mit ausserordentlich mannigfaltiger Organisation.

Von den sehr umfangreichen und höchst leistungsfähigen Kassen,

Schwappach, Forstpolitik. 14

I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
der Gründerperiode zu Anfang der 1870 er Jahre und des hierdurch
bedingten [Ü]berganges zahlreicher Arbeitskräfte von der Landwirtschaft
und Forstwirtschaft zur Industrie war.

Erst die neueste sozialpolitische Gesetzgebung hat durch das Ein-
treten des Staates und das Auferlegen eines höchst notwendigen
Zwanges auch auf diesem Gebiete eine durchgreifende Besserung wenig-
stens eingeleitet.

Es muſs schon hier betont werden, daſs in Deutschland und noch
mehr in Oesterreich die Behandlung der landwirtschaftlichen und forst-
wirtschaftlichen Arbeiter nach den gleichen Gesichtspunkten für letztere
sehr ungünstig gewesen ist, da die engen, vielfach noch dem Gebiete
der Naturalwirtschaft angehörigen Beziehungen zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer bei der Forstwirtschaft in ungleich geringerem Maſse
bestehen, als in der Landwirtschaft.

Im Laufe der Zeit haben sich für die forstwirtschaftlichen Arbeiter
drei Formen der Arbeiterversicherung entwickelt:

1. Selbstversicherung bei Versicherungsgesellschaften.
2. Genossenschaftliche Versicherung durch eigene
Kassen.
3. Zwangs-Versicherung in besonderen staatlichen oder
anderen öffentlich-rechtlichen Institutionen.

Die Durchführung der Arbeiterversicherung durch die vorhandenen
Privat-Versicherungsgesellschaften ist hauptsächlich deshalb
unmöglich, weil diese bei nur einigermaſsen genügenden Versicherungs-
beträgen so hohe Prämien verlangen, daſs diese vom Arbeiter allein
unmöglich getragen werden können. Der Grund für die beträchtliche
Höhe der Prämien liegt namentlich darin, daſs die Gesellschaften durch
die Versicherung einen Gewinn erzielen wollen.

Auſserdem eignet sich diese Form auch deshalb wenig, weil sie
für die Art und Weise der Beitragszahlung den Arbeitern zu un-
günstige Bedingungen stellt, und weil die früheren Einzahlungen ver-
loren sind, wenn die fälligen Prämien nicht innerhalb einer bestimmten
Zeit erfolgen. Ferner besteht bei den Privatgesellschaften auch häufig
das Streben, sich den eingegangenen Verpflichtungen unter nichtigen,
vielfach nur formellen Vorwänden soviel als möglich zu entziehen.

Wenn man von dem immerhin nur in beschränktem Umfange ver-
tretenen und mehr einer primitiven Kulturstufe angehörigen Systeme der
Regiearbeiten mit seiner teilweise auſserordentlich weitgehenden Für-
sorge für die kranken und invaliden Arbeiter absieht, so erfolgte in
Deutschland bis vor wenigen Jahren die Versicherung der Wald-
arbeiter, soweit für eine solche überhaupt gesorgt war, in besonderen
Kassen
mit auſserordentlich mannigfaltiger Organisation.

Von den sehr umfangreichen und höchst leistungsfähigen Kassen,

Schwappach, Forstpolitik. 14
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[209/0227] I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege. der Gründerperiode zu Anfang der 1870 er Jahre und des hierdurch bedingten Überganges zahlreicher Arbeitskräfte von der Landwirtschaft und Forstwirtschaft zur Industrie war. Erst die neueste sozialpolitische Gesetzgebung hat durch das Ein- treten des Staates und das Auferlegen eines höchst notwendigen Zwanges auch auf diesem Gebiete eine durchgreifende Besserung wenig- stens eingeleitet. Es muſs schon hier betont werden, daſs in Deutschland und noch mehr in Oesterreich die Behandlung der landwirtschaftlichen und forst- wirtschaftlichen Arbeiter nach den gleichen Gesichtspunkten für letztere sehr ungünstig gewesen ist, da die engen, vielfach noch dem Gebiete der Naturalwirtschaft angehörigen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Forstwirtschaft in ungleich geringerem Maſse bestehen, als in der Landwirtschaft. Im Laufe der Zeit haben sich für die forstwirtschaftlichen Arbeiter drei Formen der Arbeiterversicherung entwickelt: 1. Selbstversicherung bei Versicherungsgesellschaften. 2. Genossenschaftliche Versicherung durch eigene Kassen. 3. Zwangs-Versicherung in besonderen staatlichen oder anderen öffentlich-rechtlichen Institutionen. Die Durchführung der Arbeiterversicherung durch die vorhandenen Privat-Versicherungsgesellschaften ist hauptsächlich deshalb unmöglich, weil diese bei nur einigermaſsen genügenden Versicherungs- beträgen so hohe Prämien verlangen, daſs diese vom Arbeiter allein unmöglich getragen werden können. Der Grund für die beträchtliche Höhe der Prämien liegt namentlich darin, daſs die Gesellschaften durch die Versicherung einen Gewinn erzielen wollen. Auſserdem eignet sich diese Form auch deshalb wenig, weil sie für die Art und Weise der Beitragszahlung den Arbeitern zu un- günstige Bedingungen stellt, und weil die früheren Einzahlungen ver- loren sind, wenn die fälligen Prämien nicht innerhalb einer bestimmten Zeit erfolgen. Ferner besteht bei den Privatgesellschaften auch häufig das Streben, sich den eingegangenen Verpflichtungen unter nichtigen, vielfach nur formellen Vorwänden soviel als möglich zu entziehen. Wenn man von dem immerhin nur in beschränktem Umfange ver- tretenen und mehr einer primitiven Kulturstufe angehörigen Systeme der Regiearbeiten mit seiner teilweise auſserordentlich weitgehenden Für- sorge für die kranken und invaliden Arbeiter absieht, so erfolgte in Deutschland bis vor wenigen Jahren die Versicherung der Wald- arbeiter, soweit für eine solche überhaupt gesorgt war, in besonderen Kassen mit auſserordentlich mannigfaltiger Organisation. Von den sehr umfangreichen und höchst leistungsfähigen Kassen, Schwappach, Forstpolitik. 14

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/227>, abgerufen am 20.04.2024.