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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.
auch für das öffentliche Interesse zu beseitigen oder doch wenigstens
zu mildern, hat man seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen,
die genossenschaftlichen Bildungen, welche auf anderen Gebieten der
Landeskultur teilweise recht gute Erfolge geliefert haben, auch in die
Forstwirtschaft einzuführen. Diese Massregel erschien um so aussichts-
voller, als es sich hier nicht um eine neue Bildung, sondern nur um
eine Neubelebung und zeitgemässe Weiterbildung einer uralten Insti-
tution handelte.

In Deutschland sind die ersten Waldgenossenschaften durch das
Waldkulturgesetz für den preussischen Kreis Wittgenstein vom 1. Juni
1854 neugebildet worden, in weiterem Umfange suchte der 3. Teil des
preussischen Gesetzes betr. die Schutzwaldungen und Waldgenossen-
schaften vom 6. Juli 1875 diese Institution einzubürgern. Das württem-
bergische Forstpolizeigesetz vom 8. September 1879 hat ebenfalls ge-
nossenschaftliche Bildungen für die Bewirtschaftung und den Schutz der
Privatwaldungen zur fakultativen Anwendung gebracht.

Ausserhalb Deutschlands bestehen Vorschriften hinsichtlich der Wald-
genossenschaften in: Oesterreich für Tirol und Vorarlberg (kaiserliche
Verordnung vom 10. April 1856 und 3. Juli 1873), Italien (Schutzwald-
gesetz vom 20. Juni 1877 Art. 13--15 und Gesetz vom 1. März 1888
Art. 5 ff.), Spanien (Gesetz vom 11. Juli 1877 betr. die Wiederaufforstung,
den Schutz und die Verbesserung der Gemeindewaldungen Art. 11).

Die Aufgaben sowie die hierdurch bedingte Organisation der Wald-
genossenschaften sind sehr verschiedenartig.

Bei weitester Auffassung dieses Gebietes sind Waldgenossenschaften:
auf Erziehung, Gewinnung oder Verwertung von Haupt- oder
Nebenprodukten der Waldwirtschaft mittelbar oder unmittel-
bar
gerichtete Genossenschaften.

Die wichtigsten Arten der Waldgenossenschaften sind jene, welche
eine gemeinsame Rohproduktion bezwecken, und mit ihnen be-
schäftigt sich auch hauptsächlich die bisherige Spezialgesetzgebung. Sie
kommen in folgenden 3 Formen vor, nämlich als:

a) Eigentumsgenossenschaften mit Gemeinschaft von Eigen-
tum, Bewirtschaftung, Aufsicht und Verwaltung. Der Wald bildet ein
unteilbares und unter einheitlicher Aufsicht und Verwaltung stehendes
Gesamteigentum der Genossenschaft. Diese Kategorie stellt das engste
Band der genossenschaftlichen Vereinigung dar, erfordert aber zu ihrem
Gedeihen einen hervorragenden Grad von Gemeinsinn, eine lebendige
Gliederung nach innen und eine zweckmässige, durch die Gesetz-
gebung geförderte Rechtsvertretung nach aussen, im Verein mit den
unentbehrlichen technischen Kenntnissen. 1)


1) Hierher gehören u. a. die Hauberge des Kreises Siegen, bezüglich deren § 2
der Haubergsordnung vom 17. III. 1879 sagt: Die Hauberge bleiben ein ungeteiltes

B. Zweiter (spezieller) Teil.
auch für das öffentliche Interesse zu beseitigen oder doch wenigstens
zu mildern, hat man seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen,
die genossenschaftlichen Bildungen, welche auf anderen Gebieten der
Landeskultur teilweise recht gute Erfolge geliefert haben, auch in die
Forstwirtschaft einzuführen. Diese Maſsregel erschien um so aussichts-
voller, als es sich hier nicht um eine neue Bildung, sondern nur um
eine Neubelebung und zeitgemäſse Weiterbildung einer uralten Insti-
tution handelte.

In Deutschland sind die ersten Waldgenossenschaften durch das
Waldkulturgesetz für den preuſsischen Kreis Wittgenstein vom 1. Juni
1854 neugebildet worden, in weiterem Umfange suchte der 3. Teil des
preuſsischen Gesetzes betr. die Schutzwaldungen und Waldgenossen-
schaften vom 6. Juli 1875 diese Institution einzubürgern. Das württem-
bergische Forstpolizeigesetz vom 8. September 1879 hat ebenfalls ge-
nossenschaftliche Bildungen für die Bewirtschaftung und den Schutz der
Privatwaldungen zur fakultativen Anwendung gebracht.

Auſserhalb Deutschlands bestehen Vorschriften hinsichtlich der Wald-
genossenschaften in: Oesterreich für Tirol und Vorarlberg (kaiserliche
Verordnung vom 10. April 1856 und 3. Juli 1873), Italien (Schutzwald-
gesetz vom 20. Juni 1877 Art. 13—15 und Gesetz vom 1. März 1888
Art. 5 ff.), Spanien (Gesetz vom 11. Juli 1877 betr. die Wiederaufforstung,
den Schutz und die Verbesserung der Gemeindewaldungen Art. 11).

Die Aufgaben sowie die hierdurch bedingte Organisation der Wald-
genossenschaften sind sehr verschiedenartig.

Bei weitester Auffassung dieses Gebietes sind Waldgenossenschaften:
auf Erziehung, Gewinnung oder Verwertung von Haupt- oder
Nebenprodukten der Waldwirtschaft mittelbar oder unmittel-
bar
gerichtete Genossenschaften.

Die wichtigsten Arten der Waldgenossenschaften sind jene, welche
eine gemeinsame Rohproduktion bezwecken, und mit ihnen be-
schäftigt sich auch hauptsächlich die bisherige Spezialgesetzgebung. Sie
kommen in folgenden 3 Formen vor, nämlich als:

a) Eigentumsgenossenschaften mit Gemeinschaft von Eigen-
tum, Bewirtschaftung, Aufsicht und Verwaltung. Der Wald bildet ein
unteilbares und unter einheitlicher Aufsicht und Verwaltung stehendes
Gesamteigentum der Genossenschaft. Diese Kategorie stellt das engste
Band der genossenschaftlichen Vereinigung dar, erfordert aber zu ihrem
Gedeihen einen hervorragenden Grad von Gemeinsinn, eine lebendige
Gliederung nach innen und eine zweckmäſsige, durch die Gesetz-
gebung geförderte Rechtsvertretung nach auſsen, im Verein mit den
unentbehrlichen technischen Kenntnissen. 1)


1) Hierher gehören u. a. die Hauberge des Kreises Siegen, bezüglich deren § 2
der Haubergsordnung vom 17. III. 1879 sagt: Die Hauberge bleiben ein ungeteiltes
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[200/0218] B. Zweiter (spezieller) Teil. auch für das öffentliche Interesse zu beseitigen oder doch wenigstens zu mildern, hat man seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen, die genossenschaftlichen Bildungen, welche auf anderen Gebieten der Landeskultur teilweise recht gute Erfolge geliefert haben, auch in die Forstwirtschaft einzuführen. Diese Maſsregel erschien um so aussichts- voller, als es sich hier nicht um eine neue Bildung, sondern nur um eine Neubelebung und zeitgemäſse Weiterbildung einer uralten Insti- tution handelte. In Deutschland sind die ersten Waldgenossenschaften durch das Waldkulturgesetz für den preuſsischen Kreis Wittgenstein vom 1. Juni 1854 neugebildet worden, in weiterem Umfange suchte der 3. Teil des preuſsischen Gesetzes betr. die Schutzwaldungen und Waldgenossen- schaften vom 6. Juli 1875 diese Institution einzubürgern. Das württem- bergische Forstpolizeigesetz vom 8. September 1879 hat ebenfalls ge- nossenschaftliche Bildungen für die Bewirtschaftung und den Schutz der Privatwaldungen zur fakultativen Anwendung gebracht. Auſserhalb Deutschlands bestehen Vorschriften hinsichtlich der Wald- genossenschaften in: Oesterreich für Tirol und Vorarlberg (kaiserliche Verordnung vom 10. April 1856 und 3. Juli 1873), Italien (Schutzwald- gesetz vom 20. Juni 1877 Art. 13—15 und Gesetz vom 1. März 1888 Art. 5 ff.), Spanien (Gesetz vom 11. Juli 1877 betr. die Wiederaufforstung, den Schutz und die Verbesserung der Gemeindewaldungen Art. 11). Die Aufgaben sowie die hierdurch bedingte Organisation der Wald- genossenschaften sind sehr verschiedenartig. Bei weitester Auffassung dieses Gebietes sind Waldgenossenschaften: auf Erziehung, Gewinnung oder Verwertung von Haupt- oder Nebenprodukten der Waldwirtschaft mittelbar oder unmittel- bar gerichtete Genossenschaften. Die wichtigsten Arten der Waldgenossenschaften sind jene, welche eine gemeinsame Rohproduktion bezwecken, und mit ihnen be- schäftigt sich auch hauptsächlich die bisherige Spezialgesetzgebung. Sie kommen in folgenden 3 Formen vor, nämlich als: a) Eigentumsgenossenschaften mit Gemeinschaft von Eigen- tum, Bewirtschaftung, Aufsicht und Verwaltung. Der Wald bildet ein unteilbares und unter einheitlicher Aufsicht und Verwaltung stehendes Gesamteigentum der Genossenschaft. Diese Kategorie stellt das engste Band der genossenschaftlichen Vereinigung dar, erfordert aber zu ihrem Gedeihen einen hervorragenden Grad von Gemeinsinn, eine lebendige Gliederung nach innen und eine zweckmäſsige, durch die Gesetz- gebung geförderte Rechtsvertretung nach auſsen, im Verein mit den unentbehrlichen technischen Kenntnissen. 1) 1) Hierher gehören u. a. die Hauberge des Kreises Siegen, bezüglich deren § 2 der Haubergsordnung vom 17. III. 1879 sagt: Die Hauberge bleiben ein ungeteiltes

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/218>, abgerufen am 25.04.2024.