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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.
hier nicht näher zu betrachten, wohl aber die zweite, welche auf eine
Teilung unter den Genossen selbst hinzielte.

Die Zunahme der Bevölkerung und die hierdurch bedingte Grün-
dung neuer Ortschaften brachte es schon frühzeitig mit sich, dass aus
den alten grossen Zendallmenden Eigenmarken für die einzelnen
Ortschaften ausgeschieden wurden.

Neben dieser organischen Weiterentwickelung des markgenossen-
schaftlichen Verbandes fanden aber im späteren Mittelalter auch Tei-
lungen
der Allmenden zu Privatbesitz unter den Genossen statt.
Anfangs war wohl hauptsächlich das Bedürfnis nach Ackerland die
wesentlichste Ursache für diese Massregel; gegen das Ende des Mittel-
alters machte sich aber auch bereits die Abnahme des Gemeinsinnes
und des Interesses an der Allmende als Ursache der Teilung geltend.

Als dann die markgenossenschaftliche Autonomie seit dem 16. Jahr-
hunderte mehr und mehr erlosch und die Forsthoheit die Bewirtschaftung
der Markwaldungen in lästige, polizeiliche Fesseln schlug, schwand
mit dem Gemeinsinne auch das Interesse am gemeinen Eigentume. In
schnödem Egoismus strebten die Genossen nach Teilung, um die ihnen
zugewiesenen Parzellen ohne obrigkeitliche Bevormundung und gegen-
seitige Kontrolle möglichst ausnützen zu können.

Im 18. Jahrhunderte gewann sodann die Auffassung Verbreitung, dass
die Form des Gemeinbesitzes überhaupt ungeeignet sei, die höchst-
mögliche Produktion zu erzielen. Man begünstigte nunmehr die Teilung
der Markwaldungen auch aus Gründen der Staatsraison 1) und hoffte
von der freien Privatwirtschaft eine Besserung der schlechten forstwirt-
schaftlichen Verhältnisse.

Diese Strömung dauerte selbst im 19. Jahrhunderte noch ziemlich
lange fort und fand auch in verschiedenen Agrargesetzgebungen, z. B.
im preussischen Landeskulturedikte vom 14. September 1811 2) Ausdruck.

Formell wurde die Teilung der genossenschaftlichen Waldungen
dadurch gefördert, dass in verschiedenen Rechtsgebieten (so in dem des
preussischen Landrechts, des französischen Rechts, in Bayern) an Stelle
der deutschrechtlichen Genossenschaft eine römischrechtliche societas
gesetzt wurde, über deren Auflösung nicht der Gesamtwille, sondern
der Einzelwille jedes Beteiligten entscheidet.

Die schlimmen Folgen der hierdurch veranlassten Waldzersplitterung

1) Im Jahre 1778 setzte die Regierung im Fürstentume Osnabrück für die
beiden ersten Marken, in denen eine völlige Teilung zu stande kommen werde,
Prämien aus.
2) § 4 d. Land. Kult. Ed.: Die Einschränkungen, welche teils das allgemeine
Landrecht, teils die Provinzial-Forstordnungen in Ansehung der Benutzung der
Privatwaldungen vorschreiben, hören auf. Die Eigentümer können solche nach Gut-
dünken benutzen und sie auch parzellieren und urbar machen, wenn ihnen nicht Ver-
träge mit einem Dritten oder Berechtigungen anderer entgegenstehen.

B. Zweiter (spezieller) Teil.
hier nicht näher zu betrachten, wohl aber die zweite, welche auf eine
Teilung unter den Genossen selbst hinzielte.

Die Zunahme der Bevölkerung und die hierdurch bedingte Grün-
dung neuer Ortschaften brachte es schon frühzeitig mit sich, daſs aus
den alten groſsen Zendallmenden Eigenmarken für die einzelnen
Ortschaften ausgeschieden wurden.

Neben dieser organischen Weiterentwickelung des markgenossen-
schaftlichen Verbandes fanden aber im späteren Mittelalter auch Tei-
lungen
der Allmenden zu Privatbesitz unter den Genossen statt.
Anfangs war wohl hauptsächlich das Bedürfnis nach Ackerland die
wesentlichste Ursache für diese Maſsregel; gegen das Ende des Mittel-
alters machte sich aber auch bereits die Abnahme des Gemeinsinnes
und des Interesses an der Allmende als Ursache der Teilung geltend.

Als dann die markgenossenschaftliche Autonomie seit dem 16. Jahr-
hunderte mehr und mehr erlosch und die Forsthoheit die Bewirtschaftung
der Markwaldungen in lästige, polizeiliche Fesseln schlug, schwand
mit dem Gemeinsinne auch das Interesse am gemeinen Eigentume. In
schnödem Egoismus strebten die Genossen nach Teilung, um die ihnen
zugewiesenen Parzellen ohne obrigkeitliche Bevormundung und gegen-
seitige Kontrolle möglichst ausnützen zu können.

Im 18. Jahrhunderte gewann sodann die Auffassung Verbreitung, daſs
die Form des Gemeinbesitzes überhaupt ungeeignet sei, die höchst-
mögliche Produktion zu erzielen. Man begünstigte nunmehr die Teilung
der Markwaldungen auch aus Gründen der Staatsraison 1) und hoffte
von der freien Privatwirtschaft eine Besserung der schlechten forstwirt-
schaftlichen Verhältnisse.

Diese Strömung dauerte selbst im 19. Jahrhunderte noch ziemlich
lange fort und fand auch in verschiedenen Agrargesetzgebungen, z. B.
im preuſsischen Landeskulturedikte vom 14. September 1811 2) Ausdruck.

Formell wurde die Teilung der genossenschaftlichen Waldungen
dadurch gefördert, daſs in verschiedenen Rechtsgebieten (so in dem des
preuſsischen Landrechts, des französischen Rechts, in Bayern) an Stelle
der deutschrechtlichen Genossenschaft eine römischrechtliche societas
gesetzt wurde, über deren Auflösung nicht der Gesamtwille, sondern
der Einzelwille jedes Beteiligten entscheidet.

Die schlimmen Folgen der hierdurch veranlaſsten Waldzersplitterung

1) Im Jahre 1778 setzte die Regierung im Fürstentume Osnabrück für die
beiden ersten Marken, in denen eine völlige Teilung zu stande kommen werde,
Prämien aus.
2) § 4 d. Land. Kult. Ed.: Die Einschränkungen, welche teils das allgemeine
Landrecht, teils die Provinzial-Forstordnungen in Ansehung der Benutzung der
Privatwaldungen vorschreiben, hören auf. Die Eigentümer können solche nach Gut-
dünken benutzen und sie auch parzellieren und urbar machen, wenn ihnen nicht Ver-
träge mit einem Dritten oder Berechtigungen anderer entgegenstehen.
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[194/0212] B. Zweiter (spezieller) Teil. hier nicht näher zu betrachten, wohl aber die zweite, welche auf eine Teilung unter den Genossen selbst hinzielte. Die Zunahme der Bevölkerung und die hierdurch bedingte Grün- dung neuer Ortschaften brachte es schon frühzeitig mit sich, daſs aus den alten groſsen Zendallmenden Eigenmarken für die einzelnen Ortschaften ausgeschieden wurden. Neben dieser organischen Weiterentwickelung des markgenossen- schaftlichen Verbandes fanden aber im späteren Mittelalter auch Tei- lungen der Allmenden zu Privatbesitz unter den Genossen statt. Anfangs war wohl hauptsächlich das Bedürfnis nach Ackerland die wesentlichste Ursache für diese Maſsregel; gegen das Ende des Mittel- alters machte sich aber auch bereits die Abnahme des Gemeinsinnes und des Interesses an der Allmende als Ursache der Teilung geltend. Als dann die markgenossenschaftliche Autonomie seit dem 16. Jahr- hunderte mehr und mehr erlosch und die Forsthoheit die Bewirtschaftung der Markwaldungen in lästige, polizeiliche Fesseln schlug, schwand mit dem Gemeinsinne auch das Interesse am gemeinen Eigentume. In schnödem Egoismus strebten die Genossen nach Teilung, um die ihnen zugewiesenen Parzellen ohne obrigkeitliche Bevormundung und gegen- seitige Kontrolle möglichst ausnützen zu können. Im 18. Jahrhunderte gewann sodann die Auffassung Verbreitung, daſs die Form des Gemeinbesitzes überhaupt ungeeignet sei, die höchst- mögliche Produktion zu erzielen. Man begünstigte nunmehr die Teilung der Markwaldungen auch aus Gründen der Staatsraison 1) und hoffte von der freien Privatwirtschaft eine Besserung der schlechten forstwirt- schaftlichen Verhältnisse. Diese Strömung dauerte selbst im 19. Jahrhunderte noch ziemlich lange fort und fand auch in verschiedenen Agrargesetzgebungen, z. B. im preuſsischen Landeskulturedikte vom 14. September 1811 2) Ausdruck. Formell wurde die Teilung der genossenschaftlichen Waldungen dadurch gefördert, daſs in verschiedenen Rechtsgebieten (so in dem des preuſsischen Landrechts, des französischen Rechts, in Bayern) an Stelle der deutschrechtlichen Genossenschaft eine römischrechtliche societas gesetzt wurde, über deren Auflösung nicht der Gesamtwille, sondern der Einzelwille jedes Beteiligten entscheidet. Die schlimmen Folgen der hierdurch veranlaſsten Waldzersplitterung 1) Im Jahre 1778 setzte die Regierung im Fürstentume Osnabrück für die beiden ersten Marken, in denen eine völlige Teilung zu stande kommen werde, Prämien aus. 2) § 4 d. Land. Kult. Ed.: Die Einschränkungen, welche teils das allgemeine Landrecht, teils die Provinzial-Forstordnungen in Ansehung der Benutzung der Privatwaldungen vorschreiben, hören auf. Die Eigentümer können solche nach Gut- dünken benutzen und sie auch parzellieren und urbar machen, wenn ihnen nicht Ver- träge mit einem Dritten oder Berechtigungen anderer entgegenstehen.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/212>, abgerufen am 28.03.2024.