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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
ein staatliches Eingreifen, ein Zwang auf Ablösung notwendig. Dieses
ist seit dem Vorgange der französischen Revolution nunmehr fast in allen
Kulturstaaten geschehen, in Deutschland entbehrt nur Mecklenburg
solcher Gesetze, die bayrischen sind ungenügend (vgl. S. 182, Anm. 5).

Am frühesten ist Hessen vorgegangen, wo schon im Jahre 1814
eine Verordnung zur Beförderung der Gemeinheitsteilungen, sowie der
Auseinandersetzungen zwischen Grundeigentümern und Weide- und
Holzberechtigten ergangen ist (1827 auch auf Rheinhessen ausgedehnt).

Die Ablösungsgesetze für Forstberechtigungen bilden bald einen
Teil der allgemeinen Agrargesetze (Gemeinheitsteilungsordnungen, z. B.
Preussen), bald sind sie in dem Forstgesetze enthalten (Bayern, Frank-
reich), bald endlich sind für die forstlichen Verhältnisse Spezial-
gesetze erlassen (Württemberg, Oesterreich).

Auf Grund dieser Gesetze sind in Deutschland die Forstberech-
tigungen nunmehr meistens abgelöst, am energischsten ist Sachsen
vorgegangen, wo bereits 1865 alle Staatswaldungen von den ablösbaren
Servituten befreit waren. Als Abfindung wurden gewährt: 5292618 M.,
346 Acker Waldboden und 804 M. Rentenablösung. Der preussische
Forstetat enthält zur Zeit noch jährlich eine Position von 1000000 M.
zur Ablösung von Forstservituten, Reallasten und Passivrenten.

Am schwersten belastet sind innerhalb Deutschlands noch die
bayerischen Staatsforsten wegen des gänzlich ungenügenden Ab-
lösungsgesetzes; 1853--1885 wurden hier 22261000 M. für Servitut-
ablösung und 6883 ha als Waldabfindung hingegeben. Ausserhalb
Deutschlands leidet Oesterreich-Ungarn ebenfalls noch sehr unter
dem Drucke der Forstberechtigungen. Bezüglich des dermaligen Um-
fanges der Forstberechtigungen in Bayern und Oesterreich sind oben
(S. 176, N. 1) nähere Angaben enthalten.

Die ungarischen Staatsforsten haben infolge der Ablösung von
Servituten, welche 1878 noch für 781 Gemeinden bestanden, von 1878
bis 1890 um rund 20 Proz. (376000 ha) abgenommen, und es wird die
Ablösung der noch vorhandenen Servituten noch viele Tausende von
Hektaren fordern, wenn auch nicht mehr so viel, als bisher der Fall war.

§ 4. Die Beurteilung des Verfahrens der Ablösung der Waldgrund-
gerechtigkeiten vom Standpunkte der Forstpolitik
. Bei Durchführung der
Ablösung ist zunächst der Umfang der Berechtigung festzustellen,
hierauf folgt die Wertermittelung, d. h. die Bestimmung des Geld-
kapitalswertes der Berechtigung oder einer demselben gleichalterigen
Jahresgeldrente zur Zeit der Ablösung.

Bei dieser Berechnung unterscheidet man zwei grundsätzlich ver-
schiedene Methoden, nämlich


1)
1) Eine Übersicht über das in Deutschland und Oesterreich geltende Ablösungs-
recht bietet Danckelmann, a. a. O. S. 87--117; ferner Graner, Forstgesetzgebung S. 185 ff.

I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
ein staatliches Eingreifen, ein Zwang auf Ablösung notwendig. Dieses
ist seit dem Vorgange der französischen Revolution nunmehr fast in allen
Kulturstaaten geschehen, in Deutschland entbehrt nur Mecklenburg
solcher Gesetze, die bayrischen sind ungenügend (vgl. S. 182, Anm. 5).

Am frühesten ist Hessen vorgegangen, wo schon im Jahre 1814
eine Verordnung zur Beförderung der Gemeinheitsteilungen, sowie der
Auseinandersetzungen zwischen Grundeigentümern und Weide- und
Holzberechtigten ergangen ist (1827 auch auf Rheinhessen ausgedehnt).

Die Ablösungsgesetze für Forstberechtigungen bilden bald einen
Teil der allgemeinen Agrargesetze (Gemeinheitsteilungsordnungen, z. B.
Preuſsen), bald sind sie in dem Forstgesetze enthalten (Bayern, Frank-
reich), bald endlich sind für die forstlichen Verhältnisse Spezial-
gesetze erlassen (Württemberg, Oesterreich).

Auf Grund dieser Gesetze sind in Deutschland die Forstberech-
tigungen nunmehr meistens abgelöst, am energischsten ist Sachsen
vorgegangen, wo bereits 1865 alle Staatswaldungen von den ablösbaren
Servituten befreit waren. Als Abfindung wurden gewährt: 5292618 M.,
346 Acker Waldboden und 804 M. Rentenablösung. Der preuſsische
Forstetat enthält zur Zeit noch jährlich eine Position von 1000000 M.
zur Ablösung von Forstservituten, Reallasten und Passivrenten.

Am schwersten belastet sind innerhalb Deutschlands noch die
bayerischen Staatsforsten wegen des gänzlich ungenügenden Ab-
lösungsgesetzes; 1853—1885 wurden hier 22261000 M. für Servitut-
ablösung und 6883 ha als Waldabfindung hingegeben. Auſserhalb
Deutschlands leidet Oesterreich-Ungarn ebenfalls noch sehr unter
dem Drucke der Forstberechtigungen. Bezüglich des dermaligen Um-
fanges der Forstberechtigungen in Bayern und Oesterreich sind oben
(S. 176, N. 1) nähere Angaben enthalten.

Die ungarischen Staatsforsten haben infolge der Ablösung von
Servituten, welche 1878 noch für 781 Gemeinden bestanden, von 1878
bis 1890 um rund 20 Proz. (376000 ha) abgenommen, und es wird die
Ablösung der noch vorhandenen Servituten noch viele Tausende von
Hektaren fordern, wenn auch nicht mehr so viel, als bisher der Fall war.

§ 4. Die Beurteilung des Verfahrens der Ablösung der Waldgrund-
gerechtigkeiten vom Standpunkte der Forstpolitik
. Bei Durchführung der
Ablösung ist zunächst der Umfang der Berechtigung festzustellen,
hierauf folgt die Wertermittelung, d. h. die Bestimmung des Geld-
kapitalswertes der Berechtigung oder einer demselben gleichalterigen
Jahresgeldrente zur Zeit der Ablösung.

Bei dieser Berechnung unterscheidet man zwei grundsätzlich ver-
schiedene Methoden, nämlich


1)
1) Eine Übersicht über das in Deutschland und Oesterreich geltende Ablösungs-
recht bietet Danckelmann, a. a. O. S. 87—117; ferner Graner, Forstgesetzgebung S. 185 ff.
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[185/0203] I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege. ein staatliches Eingreifen, ein Zwang auf Ablösung notwendig. Dieses ist seit dem Vorgange der französischen Revolution nunmehr fast in allen Kulturstaaten geschehen, in Deutschland entbehrt nur Mecklenburg solcher Gesetze, die bayrischen sind ungenügend (vgl. S. 182, Anm. 5). Am frühesten ist Hessen vorgegangen, wo schon im Jahre 1814 eine Verordnung zur Beförderung der Gemeinheitsteilungen, sowie der Auseinandersetzungen zwischen Grundeigentümern und Weide- und Holzberechtigten ergangen ist (1827 auch auf Rheinhessen ausgedehnt). Die Ablösungsgesetze für Forstberechtigungen bilden bald einen Teil der allgemeinen Agrargesetze (Gemeinheitsteilungsordnungen, z. B. Preuſsen), bald sind sie in dem Forstgesetze enthalten (Bayern, Frank- reich), bald endlich sind für die forstlichen Verhältnisse Spezial- gesetze erlassen (Württemberg, Oesterreich). Auf Grund dieser Gesetze sind in Deutschland die Forstberech- tigungen nunmehr meistens abgelöst, am energischsten ist Sachsen vorgegangen, wo bereits 1865 alle Staatswaldungen von den ablösbaren Servituten befreit waren. Als Abfindung wurden gewährt: 5292618 M., 346 Acker Waldboden und 804 M. Rentenablösung. Der preuſsische Forstetat enthält zur Zeit noch jährlich eine Position von 1000000 M. zur Ablösung von Forstservituten, Reallasten und Passivrenten. Am schwersten belastet sind innerhalb Deutschlands noch die bayerischen Staatsforsten wegen des gänzlich ungenügenden Ab- lösungsgesetzes; 1853—1885 wurden hier 22261000 M. für Servitut- ablösung und 6883 ha als Waldabfindung hingegeben. Auſserhalb Deutschlands leidet Oesterreich-Ungarn ebenfalls noch sehr unter dem Drucke der Forstberechtigungen. Bezüglich des dermaligen Um- fanges der Forstberechtigungen in Bayern und Oesterreich sind oben (S. 176, N. 1) nähere Angaben enthalten. Die ungarischen Staatsforsten haben infolge der Ablösung von Servituten, welche 1878 noch für 781 Gemeinden bestanden, von 1878 bis 1890 um rund 20 Proz. (376000 ha) abgenommen, und es wird die Ablösung der noch vorhandenen Servituten noch viele Tausende von Hektaren fordern, wenn auch nicht mehr so viel, als bisher der Fall war. § 4. Die Beurteilung des Verfahrens der Ablösung der Waldgrund- gerechtigkeiten vom Standpunkte der Forstpolitik. Bei Durchführung der Ablösung ist zunächst der Umfang der Berechtigung festzustellen, hierauf folgt die Wertermittelung, d. h. die Bestimmung des Geld- kapitalswertes der Berechtigung oder einer demselben gleichalterigen Jahresgeldrente zur Zeit der Ablösung. Bei dieser Berechnung unterscheidet man zwei grundsätzlich ver- schiedene Methoden, nämlich 1) 1) Eine Übersicht über das in Deutschland und Oesterreich geltende Ablösungs- recht bietet Danckelmann, a. a. O. S. 87—117; ferner Graner, Forstgesetzgebung S. 185 ff.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/203>, abgerufen am 25.04.2024.