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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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unter Umständen (durch Verhütung von Diebstahl, Erhaltung von Ar-
beitskräften u. s. w.) sogar noch Vorteil gewährt.

§ 3. Allgemeine Erörterungen über die Regulierung und Ablösung der
Waldgrundgerechtigkeiten
. Schon seit Jahrhunderten dauert auf dem
Gebiete der Forstberechtigungen der Kampf zwischen den Interessen
der Berechtigten und der Belasteten. Jene suchen naturgemäss ihre
Bezüge quantitativ und qualitativ immer mehr zu erweitern, während
die Waldbesitzer nicht nur diesem Streben entgegentreten, sondern auch
eine möglichste Beschränkung dieser Bezüge, sowie, wenn thunlich,
die völlige Befreiung ihres Eigentums von solchen Lasten wünschen.

Dieser Widerstreit der Interessen nahm an Lebhaftigkeit in dem
Masse zu, als der Wert der Waldnutzungen stieg. Die Mittel, deren
man sich hierbei bediente, entsprachen den jeweiligen Verhältnissen
und dem Charakter der Zeit.

Da die grossen Waldbesitzer bei der territorialen Zersplitterung
früherer Jahrhunderte vielfach Landesherren waren oder doch als
mächtige Landsassen damals den Widerstand der berechtigten bäuer-
lichen Bevölkerung brechen konnten, ohne wirksame Rechtshilfe für
diese befürchten zu müssen, so erfolgten die Beschränkungen der Forst-
berechtigungen nicht selten in ziemlich gewaltthätiger Weise und mit
offener Verletzung wohlerworbener Rechtstitel.

Namentlich das 18. Jahrhundert ist reich an solchen Fällen, welche
sich am häufigsten und schroffsten in dem relativ hochentwickelten
Süden und Westen von Deutschland abspielten, aber auch im Nordosten
trat allmählich das Bedürfnis nach Einschränkung und Beseitigung der
Forstberechtigungen hervor und führte zu entsprechenden Verwaltungs-
massregeln.

Während in früherer Zeit vorwiegend die Beschränkung der
Forstberechtigungen erstrebt wurde, drängte die Macht der Verhältnisse,
unterstützt von der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts beginnenden
Strömung für volle Befreiung des Grundeigentums, allmählich immer
mehr auf Ablösung der Forstservituten. Diese bildet lediglich einen
Teil der auf Beseitigung aller Fesseln der freien Benutzung des Grund-
eigentums hinzielenden Bewegung. Sie ist ein untergeordnetes Glied
in der grossen sozialen und wirtschaftlichen Umgestaltung, welche im
Laufe der letzten hundert Jahre in den Kulturstaaten Europas die
Grundform der Gesellschaft verändert, die Wirtschaft zu einer früher
nie gekannten Blüte entfaltet, die Staatsordnung umgeschaffen und eine
neue Rechtsordnung gebildet hat.

Die moderne Ordnung der Forstverwaltung hat die Forstrechtsver-
hältnisse häufig in einem ziemlich unklaren Zustande vorgefunden.
Ohne oder mit nur ungenügenden Urkunden für ihre Entstehung, durch
Gewohnheitsrecht und veraltete Forstordnungen geregelt, unter mangel-

B. Zweiter (spezieller) Teil.
unter Umständen (durch Verhütung von Diebstahl, Erhaltung von Ar-
beitskräften u. s. w.) sogar noch Vorteil gewährt.

§ 3. Allgemeine Erörterungen über die Regulierung und Ablösung der
Waldgrundgerechtigkeiten
. Schon seit Jahrhunderten dauert auf dem
Gebiete der Forstberechtigungen der Kampf zwischen den Interessen
der Berechtigten und der Belasteten. Jene suchen naturgemäſs ihre
Bezüge quantitativ und qualitativ immer mehr zu erweitern, während
die Waldbesitzer nicht nur diesem Streben entgegentreten, sondern auch
eine möglichste Beschränkung dieser Bezüge, sowie, wenn thunlich,
die völlige Befreiung ihres Eigentums von solchen Lasten wünschen.

Dieser Widerstreit der Interessen nahm an Lebhaftigkeit in dem
Maſse zu, als der Wert der Waldnutzungen stieg. Die Mittel, deren
man sich hierbei bediente, entsprachen den jeweiligen Verhältnissen
und dem Charakter der Zeit.

Da die groſsen Waldbesitzer bei der territorialen Zersplitterung
früherer Jahrhunderte vielfach Landesherren waren oder doch als
mächtige Landsassen damals den Widerstand der berechtigten bäuer-
lichen Bevölkerung brechen konnten, ohne wirksame Rechtshilfe für
diese befürchten zu müssen, so erfolgten die Beschränkungen der Forst-
berechtigungen nicht selten in ziemlich gewaltthätiger Weise und mit
offener Verletzung wohlerworbener Rechtstitel.

Namentlich das 18. Jahrhundert ist reich an solchen Fällen, welche
sich am häufigsten und schroffsten in dem relativ hochentwickelten
Süden und Westen von Deutschland abspielten, aber auch im Nordosten
trat allmählich das Bedürfnis nach Einschränkung und Beseitigung der
Forstberechtigungen hervor und führte zu entsprechenden Verwaltungs-
maſsregeln.

Während in früherer Zeit vorwiegend die Beschränkung der
Forstberechtigungen erstrebt wurde, drängte die Macht der Verhältnisse,
unterstützt von der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts beginnenden
Strömung für volle Befreiung des Grundeigentums, allmählich immer
mehr auf Ablösung der Forstservituten. Diese bildet lediglich einen
Teil der auf Beseitigung aller Fesseln der freien Benutzung des Grund-
eigentums hinzielenden Bewegung. Sie ist ein untergeordnetes Glied
in der groſsen sozialen und wirtschaftlichen Umgestaltung, welche im
Laufe der letzten hundert Jahre in den Kulturstaaten Europas die
Grundform der Gesellschaft verändert, die Wirtschaft zu einer früher
nie gekannten Blüte entfaltet, die Staatsordnung umgeschaffen und eine
neue Rechtsordnung gebildet hat.

Die moderne Ordnung der Forstverwaltung hat die Forstrechtsver-
hältnisse häufig in einem ziemlich unklaren Zustande vorgefunden.
Ohne oder mit nur ungenügenden Urkunden für ihre Entstehung, durch
Gewohnheitsrecht und veraltete Forstordnungen geregelt, unter mangel-

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[180/0198] B. Zweiter (spezieller) Teil. unter Umständen (durch Verhütung von Diebstahl, Erhaltung von Ar- beitskräften u. s. w.) sogar noch Vorteil gewährt. § 3. Allgemeine Erörterungen über die Regulierung und Ablösung der Waldgrundgerechtigkeiten. Schon seit Jahrhunderten dauert auf dem Gebiete der Forstberechtigungen der Kampf zwischen den Interessen der Berechtigten und der Belasteten. Jene suchen naturgemäſs ihre Bezüge quantitativ und qualitativ immer mehr zu erweitern, während die Waldbesitzer nicht nur diesem Streben entgegentreten, sondern auch eine möglichste Beschränkung dieser Bezüge, sowie, wenn thunlich, die völlige Befreiung ihres Eigentums von solchen Lasten wünschen. Dieser Widerstreit der Interessen nahm an Lebhaftigkeit in dem Maſse zu, als der Wert der Waldnutzungen stieg. Die Mittel, deren man sich hierbei bediente, entsprachen den jeweiligen Verhältnissen und dem Charakter der Zeit. Da die groſsen Waldbesitzer bei der territorialen Zersplitterung früherer Jahrhunderte vielfach Landesherren waren oder doch als mächtige Landsassen damals den Widerstand der berechtigten bäuer- lichen Bevölkerung brechen konnten, ohne wirksame Rechtshilfe für diese befürchten zu müssen, so erfolgten die Beschränkungen der Forst- berechtigungen nicht selten in ziemlich gewaltthätiger Weise und mit offener Verletzung wohlerworbener Rechtstitel. Namentlich das 18. Jahrhundert ist reich an solchen Fällen, welche sich am häufigsten und schroffsten in dem relativ hochentwickelten Süden und Westen von Deutschland abspielten, aber auch im Nordosten trat allmählich das Bedürfnis nach Einschränkung und Beseitigung der Forstberechtigungen hervor und führte zu entsprechenden Verwaltungs- maſsregeln. Während in früherer Zeit vorwiegend die Beschränkung der Forstberechtigungen erstrebt wurde, drängte die Macht der Verhältnisse, unterstützt von der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts beginnenden Strömung für volle Befreiung des Grundeigentums, allmählich immer mehr auf Ablösung der Forstservituten. Diese bildet lediglich einen Teil der auf Beseitigung aller Fesseln der freien Benutzung des Grund- eigentums hinzielenden Bewegung. Sie ist ein untergeordnetes Glied in der groſsen sozialen und wirtschaftlichen Umgestaltung, welche im Laufe der letzten hundert Jahre in den Kulturstaaten Europas die Grundform der Gesellschaft verändert, die Wirtschaft zu einer früher nie gekannten Blüte entfaltet, die Staatsordnung umgeschaffen und eine neue Rechtsordnung gebildet hat. Die moderne Ordnung der Forstverwaltung hat die Forstrechtsver- hältnisse häufig in einem ziemlich unklaren Zustande vorgefunden. Ohne oder mit nur ungenügenden Urkunden für ihre Entstehung, durch Gewohnheitsrecht und veraltete Forstordnungen geregelt, unter mangel-

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/198>, abgerufen am 19.04.2024.