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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.
bestehen. Als solche sind namentlich zu nennen: die ausserordentliche
Billigkeit, oder richtiger gesagt, die Wertlosigkeit des Holzes an den
Produktionsorten, die geringen Arbeitslöhne, die immer weiterschreitende
Erschliessung neuer Waldgebiete durch Eisenbahnen und andere moderne
Transportanlagen, ferner die Einrichtung grossartiger Dampfsägewerke
mit den besten und leistungsfähigsten Maschinen, sowie, last not least,
die auf nachhaltige Wirtschaft nicht die geringste Rücksicht nehmende
Waldausschlachtung. Weiterhin sind noch die ausserordentlich günstigen
Exportbedingungen zu erwähnen, welche Galizien, Ungarn und deren
Hinterländer durch Differentialtarife und Refaktien, Böhmen, Russland
und Schweden durch die billige Wasserfracht besassen.

Unter diesen Umständen vermochten die genannten Produktions-
länder auf dem deutschen Markte und in den Absatzgebieten des deut-
schen Holzhandels eine erdrückende Konkurrenz zu üben. Die deutsche
Forstwirtschaft war derselben nicht gewachsen, und die Rente der deut-
schen Waldung sank infolgedessen rasend schnell. Die Gründe hierfür
lagen auf deutscher Seite einerseits in den ungünstigeren Produktionsbe-
dingungen und in der, wenigstens im grössten Teile der Waldungen ganz
anders gearteten Wirtschaft, anderseits kann der deutschen Forstwirtschaft
auch der Tadel nicht erspart bleiben, dass sie es nicht verstanden hat,
durch bessere Transporteinrichtungen und rationellere Gestaltung der Ver-
wertungsformen rasch den geänderten Verhältnissen Rechnung zu tragen,
um so wenigstens einigermassen die ungünstige Gestaltung der Verhält-
nisse wieder auszugleichen. Trotz aller Missbilligung der "Exploitation"
der Waldungen in Oesterreich und Ungarn wird jeder, der diese Wirt-
schaft an Ort und Stelle kennen gelernt hat, zugestehen müssen, dass
Deutschland gegenüber den anerkennenswerten und durchaus rationellen
Formen der dortigen Waldausnutzung selbst heute noch weit zurück-
steht; in ungleich höherem Masse war dieses vor 15--20 Jahren der
Fall, wo man noch ganz an der alten Schablone festhielt.

Der erste Versuch einer Besserung der deutschen Waldrente durch
staatliche Hilfe herbeizuführen, wurde 1878 durch die Agitation gegen
die auf Seite 154 erwähnten Missstände der Eisenbahntarife gemacht. 1)
Das Jahr 1879 brachte zwar die gewünschte Reform, wenigstens be-
züglich der deutschen Eisenbahnen, allein die Massregel reichte nicht
aus, weil die österreichischen Bahnen sofort mit einer noch weiter-
gehenden Verbilligung der Frachtsätze antworteten und der sehr erheb-
liche Teil der Holzeinfuhr, welche die Wasserstrassen benutzt, hiervon
gar nicht berührt wurde.

Die im Herbst 1878 beginnende Bewegung für die Einführung von
Schutzzöllen fand daher bei der Forstwirtschaft lebhafteste Unterstützung,

1) Vgl. Bericht über die VII. Versammlung deutscher Forstmänner, S. 73 ff.

B. Zweiter (spezieller) Teil.
bestehen. Als solche sind namentlich zu nennen: die auſserordentliche
Billigkeit, oder richtiger gesagt, die Wertlosigkeit des Holzes an den
Produktionsorten, die geringen Arbeitslöhne, die immer weiterschreitende
Erschlieſsung neuer Waldgebiete durch Eisenbahnen und andere moderne
Transportanlagen, ferner die Einrichtung groſsartiger Dampfsägewerke
mit den besten und leistungsfähigsten Maschinen, sowie, last not least,
die auf nachhaltige Wirtschaft nicht die geringste Rücksicht nehmende
Waldausschlachtung. Weiterhin sind noch die auſserordentlich günstigen
Exportbedingungen zu erwähnen, welche Galizien, Ungarn und deren
Hinterländer durch Differentialtarife und Refaktien, Böhmen, Ruſsland
und Schweden durch die billige Wasserfracht besaſsen.

Unter diesen Umständen vermochten die genannten Produktions-
länder auf dem deutschen Markte und in den Absatzgebieten des deut-
schen Holzhandels eine erdrückende Konkurrenz zu üben. Die deutsche
Forstwirtschaft war derselben nicht gewachsen, und die Rente der deut-
schen Waldung sank infolgedessen rasend schnell. Die Gründe hierfür
lagen auf deutscher Seite einerseits in den ungünstigeren Produktionsbe-
dingungen und in der, wenigstens im gröſsten Teile der Waldungen ganz
anders gearteten Wirtschaft, anderseits kann der deutschen Forstwirtschaft
auch der Tadel nicht erspart bleiben, daſs sie es nicht verstanden hat,
durch bessere Transporteinrichtungen und rationellere Gestaltung der Ver-
wertungsformen rasch den geänderten Verhältnissen Rechnung zu tragen,
um so wenigstens einigermaſsen die ungünstige Gestaltung der Verhält-
nisse wieder auszugleichen. Trotz aller Miſsbilligung der „Exploitation“
der Waldungen in Oesterreich und Ungarn wird jeder, der diese Wirt-
schaft an Ort und Stelle kennen gelernt hat, zugestehen müssen, daſs
Deutschland gegenüber den anerkennenswerten und durchaus rationellen
Formen der dortigen Waldausnutzung selbst heute noch weit zurück-
steht; in ungleich höherem Maſse war dieses vor 15—20 Jahren der
Fall, wo man noch ganz an der alten Schablone festhielt.

Der erste Versuch einer Besserung der deutschen Waldrente durch
staatliche Hilfe herbeizuführen, wurde 1878 durch die Agitation gegen
die auf Seite 154 erwähnten Miſsstände der Eisenbahntarife gemacht. 1)
Das Jahr 1879 brachte zwar die gewünschte Reform, wenigstens be-
züglich der deutschen Eisenbahnen, allein die Maſsregel reichte nicht
aus, weil die österreichischen Bahnen sofort mit einer noch weiter-
gehenden Verbilligung der Frachtsätze antworteten und der sehr erheb-
liche Teil der Holzeinfuhr, welche die Wasserstraſsen benutzt, hiervon
gar nicht berührt wurde.

Die im Herbst 1878 beginnende Bewegung für die Einführung von
Schutzzöllen fand daher bei der Forstwirtschaft lebhafteste Unterstützung,

1) Vgl. Bericht über die VII. Versammlung deutscher Forstmänner, S. 73 ff.
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[158/0176] B. Zweiter (spezieller) Teil. bestehen. Als solche sind namentlich zu nennen: die auſserordentliche Billigkeit, oder richtiger gesagt, die Wertlosigkeit des Holzes an den Produktionsorten, die geringen Arbeitslöhne, die immer weiterschreitende Erschlieſsung neuer Waldgebiete durch Eisenbahnen und andere moderne Transportanlagen, ferner die Einrichtung groſsartiger Dampfsägewerke mit den besten und leistungsfähigsten Maschinen, sowie, last not least, die auf nachhaltige Wirtschaft nicht die geringste Rücksicht nehmende Waldausschlachtung. Weiterhin sind noch die auſserordentlich günstigen Exportbedingungen zu erwähnen, welche Galizien, Ungarn und deren Hinterländer durch Differentialtarife und Refaktien, Böhmen, Ruſsland und Schweden durch die billige Wasserfracht besaſsen. Unter diesen Umständen vermochten die genannten Produktions- länder auf dem deutschen Markte und in den Absatzgebieten des deut- schen Holzhandels eine erdrückende Konkurrenz zu üben. Die deutsche Forstwirtschaft war derselben nicht gewachsen, und die Rente der deut- schen Waldung sank infolgedessen rasend schnell. Die Gründe hierfür lagen auf deutscher Seite einerseits in den ungünstigeren Produktionsbe- dingungen und in der, wenigstens im gröſsten Teile der Waldungen ganz anders gearteten Wirtschaft, anderseits kann der deutschen Forstwirtschaft auch der Tadel nicht erspart bleiben, daſs sie es nicht verstanden hat, durch bessere Transporteinrichtungen und rationellere Gestaltung der Ver- wertungsformen rasch den geänderten Verhältnissen Rechnung zu tragen, um so wenigstens einigermaſsen die ungünstige Gestaltung der Verhält- nisse wieder auszugleichen. Trotz aller Miſsbilligung der „Exploitation“ der Waldungen in Oesterreich und Ungarn wird jeder, der diese Wirt- schaft an Ort und Stelle kennen gelernt hat, zugestehen müssen, daſs Deutschland gegenüber den anerkennenswerten und durchaus rationellen Formen der dortigen Waldausnutzung selbst heute noch weit zurück- steht; in ungleich höherem Maſse war dieses vor 15—20 Jahren der Fall, wo man noch ganz an der alten Schablone festhielt. Der erste Versuch einer Besserung der deutschen Waldrente durch staatliche Hilfe herbeizuführen, wurde 1878 durch die Agitation gegen die auf Seite 154 erwähnten Miſsstände der Eisenbahntarife gemacht. 1) Das Jahr 1879 brachte zwar die gewünschte Reform, wenigstens be- züglich der deutschen Eisenbahnen, allein die Maſsregel reichte nicht aus, weil die österreichischen Bahnen sofort mit einer noch weiter- gehenden Verbilligung der Frachtsätze antworteten und der sehr erheb- liche Teil der Holzeinfuhr, welche die Wasserstraſsen benutzt, hiervon gar nicht berührt wurde. Die im Herbst 1878 beginnende Bewegung für die Einführung von Schutzzöllen fand daher bei der Forstwirtschaft lebhafteste Unterstützung, 1) Vgl. Bericht über die VII. Versammlung deutscher Forstmänner, S. 73 ff.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/176>, abgerufen am 29.03.2024.