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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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B. Zweiter (spezieller) Teil.
Staaten eine sogen. Vorlehre, d. h. ein praktischer Kurs bei einem
Oberförster gefordert, um ein gewisses Verständnis für die Vorgänge im
Walde zu erwerben, sowie die Kenntnis einzelner wirtschaftlicher Ope-
rationen (Hauungs- und Kulturbetrieb) zu vermitteln. Wenn diese Vor-
lehre nur etwa ein halbes Jahr dauert (Königreich Sachsen 6 Monate,
Elsass-Lothringen 7 Monate), so besitzt sie allerdings gewisse Vorzüge,
welche beim speziellen Fachstudium deutlich hervortreten. Die Dauer
von 12 Monaten (Preussen, Braunschweig und die meisten thüringischen
Staaten, Oesterreich) oder gar 18 Monaten (Lippe) ist ein unverhältnis-
mässiger Zeitaufwand im lernfähigsten Alter.

Bezüglich der Organisation des Fachstudiums als Vorbereitung für
den Staatsforstdienst bestehen z. Z. die verschiedensten Systeme neben-
einander; die Betrachtung desselben muss daher nach Staaten getrennt
erfolgen.

Preussen. Für die Monarchie bestehen zwei Akademien: Ebers-
walde (seit 1830) und Münden (seit 1868). An diesen Anstalten sind
einschl. des Direktors 11 ordentliche Lehrer thätig, von denen in Ebers-
walde einer Vorstand der forsttechnischen Abteilung des Versuchswesens
ist. Als Lehr- und Exkursionsreviere stehen in Eberswalde 4 Ober-
förstereien, in Münden 3 unter der technischen Leitung des Akademie-
direktors. Die Studiendauer beträgt (ausschl. Militärjahr) 3 Jahre, von
denen 2 auf einer Forstakademie (event. mit Genehmigung des Ministers auf
einer Universität, an welcher forstlicher Unterricht in denselben Fächern,
wie an einer preussischen Akademie, erteilt wird), das dritte an einer
Universität behufs staats- und rechtswissenschaftlicher Studien zu ver-
bringen sind (Regulativ v. 1. Aug. 1883).

Bayern. Die Aspiranten des bayerischen Forstverwaltungsdienstes
finden ihre Ausbildung zuerst während 4 Semester an der Forstlehran-
stalt Aschaffenburg behufs der zum Studium der Forstwissenschaft an
einer Universität erforderlichen Vorbereitung in den Grund- und Fach-
wissenschaften, dann während weiterer 4 Semester an einer Universität;
von dieser Zeit ist jedoch mindestens ein Jahr in München zum Zweck der
Beteiligung an den Übungen im forstlichen Versuchswesen zu verbringen.
An der Universität München wird Forstwissenschaft gehört, soweit dieses
nicht bereits in Aschaffenburg geschehen ist, ferner wird daselbst das
Studium der rechts- und staatswissenschaftlichen Disziplinen betrieben.
Die Forstwissenschaft ist der staatswirtschaftlichen Fakultät zugeteilt,
an welcher speziell für das Bedürfnis der Forstleute 6 ordentliche Pro-
fessuren (4 forstliche, 1 für Forstbotanik und 1 für forstliche Bodenkunde
und Meteorologie) geschaffen sind (Verordn. v. 21. April 1881).

Die Teilung des Unterrichtes zwischen Aschaffenburg und München
ist nicht eine Folge pädagogischer Erwägungen, sondern lediglich durch
politische Rücksichten veranlasst, da nur um den Preis der Erhaltung

B. Zweiter (spezieller) Teil.
Staaten eine sogen. Vorlehre, d. h. ein praktischer Kurs bei einem
Oberförster gefordert, um ein gewisses Verständnis für die Vorgänge im
Walde zu erwerben, sowie die Kenntnis einzelner wirtschaftlicher Ope-
rationen (Hauungs- und Kulturbetrieb) zu vermitteln. Wenn diese Vor-
lehre nur etwa ein halbes Jahr dauert (Königreich Sachsen 6 Monate,
Elsaſs-Lothringen 7 Monate), so besitzt sie allerdings gewisse Vorzüge,
welche beim speziellen Fachstudium deutlich hervortreten. Die Dauer
von 12 Monaten (Preuſsen, Braunschweig und die meisten thüringischen
Staaten, Oesterreich) oder gar 18 Monaten (Lippe) ist ein unverhältnis-
mäſsiger Zeitaufwand im lernfähigsten Alter.

Bezüglich der Organisation des Fachstudiums als Vorbereitung für
den Staatsforstdienst bestehen z. Z. die verschiedensten Systeme neben-
einander; die Betrachtung desselben muſs daher nach Staaten getrennt
erfolgen.

Preuſsen. Für die Monarchie bestehen zwei Akademien: Ebers-
walde (seit 1830) und Münden (seit 1868). An diesen Anstalten sind
einschl. des Direktors 11 ordentliche Lehrer thätig, von denen in Ebers-
walde einer Vorstand der forsttechnischen Abteilung des Versuchswesens
ist. Als Lehr- und Exkursionsreviere stehen in Eberswalde 4 Ober-
förstereien, in Münden 3 unter der technischen Leitung des Akademie-
direktors. Die Studiendauer beträgt (ausschl. Militärjahr) 3 Jahre, von
denen 2 auf einer Forstakademie (event. mit Genehmigung des Ministers auf
einer Universität, an welcher forstlicher Unterricht in denselben Fächern,
wie an einer preuſsischen Akademie, erteilt wird), das dritte an einer
Universität behufs staats- und rechtswissenschaftlicher Studien zu ver-
bringen sind (Regulativ v. 1. Aug. 1883).

Bayern. Die Aspiranten des bayerischen Forstverwaltungsdienstes
finden ihre Ausbildung zuerst während 4 Semester an der Forstlehran-
stalt Aschaffenburg behufs der zum Studium der Forstwissenschaft an
einer Universität erforderlichen Vorbereitung in den Grund- und Fach-
wissenschaften, dann während weiterer 4 Semester an einer Universität;
von dieser Zeit ist jedoch mindestens ein Jahr in München zum Zweck der
Beteiligung an den Übungen im forstlichen Versuchswesen zu verbringen.
An der Universität München wird Forstwissenschaft gehört, soweit dieses
nicht bereits in Aschaffenburg geschehen ist, ferner wird daselbst das
Studium der rechts- und staatswissenschaftlichen Disziplinen betrieben.
Die Forstwissenschaft ist der staatswirtschaftlichen Fakultät zugeteilt,
an welcher speziell für das Bedürfnis der Forstleute 6 ordentliche Pro-
fessuren (4 forstliche, 1 für Forstbotanik und 1 für forstliche Bodenkunde
und Meteorologie) geschaffen sind (Verordn. v. 21. April 1881).

Die Teilung des Unterrichtes zwischen Aschaffenburg und München
ist nicht eine Folge pädagogischer Erwägungen, sondern lediglich durch
politische Rücksichten veranlaſst, da nur um den Preis der Erhaltung

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[114/0132] B. Zweiter (spezieller) Teil. Staaten eine sogen. Vorlehre, d. h. ein praktischer Kurs bei einem Oberförster gefordert, um ein gewisses Verständnis für die Vorgänge im Walde zu erwerben, sowie die Kenntnis einzelner wirtschaftlicher Ope- rationen (Hauungs- und Kulturbetrieb) zu vermitteln. Wenn diese Vor- lehre nur etwa ein halbes Jahr dauert (Königreich Sachsen 6 Monate, Elsaſs-Lothringen 7 Monate), so besitzt sie allerdings gewisse Vorzüge, welche beim speziellen Fachstudium deutlich hervortreten. Die Dauer von 12 Monaten (Preuſsen, Braunschweig und die meisten thüringischen Staaten, Oesterreich) oder gar 18 Monaten (Lippe) ist ein unverhältnis- mäſsiger Zeitaufwand im lernfähigsten Alter. Bezüglich der Organisation des Fachstudiums als Vorbereitung für den Staatsforstdienst bestehen z. Z. die verschiedensten Systeme neben- einander; die Betrachtung desselben muſs daher nach Staaten getrennt erfolgen. Preuſsen. Für die Monarchie bestehen zwei Akademien: Ebers- walde (seit 1830) und Münden (seit 1868). An diesen Anstalten sind einschl. des Direktors 11 ordentliche Lehrer thätig, von denen in Ebers- walde einer Vorstand der forsttechnischen Abteilung des Versuchswesens ist. Als Lehr- und Exkursionsreviere stehen in Eberswalde 4 Ober- förstereien, in Münden 3 unter der technischen Leitung des Akademie- direktors. Die Studiendauer beträgt (ausschl. Militärjahr) 3 Jahre, von denen 2 auf einer Forstakademie (event. mit Genehmigung des Ministers auf einer Universität, an welcher forstlicher Unterricht in denselben Fächern, wie an einer preuſsischen Akademie, erteilt wird), das dritte an einer Universität behufs staats- und rechtswissenschaftlicher Studien zu ver- bringen sind (Regulativ v. 1. Aug. 1883). Bayern. Die Aspiranten des bayerischen Forstverwaltungsdienstes finden ihre Ausbildung zuerst während 4 Semester an der Forstlehran- stalt Aschaffenburg behufs der zum Studium der Forstwissenschaft an einer Universität erforderlichen Vorbereitung in den Grund- und Fach- wissenschaften, dann während weiterer 4 Semester an einer Universität; von dieser Zeit ist jedoch mindestens ein Jahr in München zum Zweck der Beteiligung an den Übungen im forstlichen Versuchswesen zu verbringen. An der Universität München wird Forstwissenschaft gehört, soweit dieses nicht bereits in Aschaffenburg geschehen ist, ferner wird daselbst das Studium der rechts- und staatswissenschaftlichen Disziplinen betrieben. Die Forstwissenschaft ist der staatswirtschaftlichen Fakultät zugeteilt, an welcher speziell für das Bedürfnis der Forstleute 6 ordentliche Pro- fessuren (4 forstliche, 1 für Forstbotanik und 1 für forstliche Bodenkunde und Meteorologie) geschaffen sind (Verordn. v. 21. April 1881). Die Teilung des Unterrichtes zwischen Aschaffenburg und München ist nicht eine Folge pädagogischer Erwägungen, sondern lediglich durch politische Rücksichten veranlaſst, da nur um den Preis der Erhaltung

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/132>, abgerufen am 29.03.2024.