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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
mischter Bestände Bedacht genommen wird und nicht einer Schablone
zu Liebe nur reine Bestände oder solche kultiviert werden, in welchen
lediglich die sogen. Hauptholzarten: Eiche, Buche, Kiefer, Fichte vor-
kommen, alle anderen Holzgewächse aber schonungslos im Wege der
Reinigungshiebe und ersten Durchforstungen möglichst frühzeitig der
Axt anheimfallen.

Dagegen erscheint es im Interesse des Ganzen unzulässig, wenn
vom Staate gefordert wird, dass zur Erhaltung von Industrien das Holz
dauernd unter dem Marktpreise an diese abgegeben werden soll, wie
es früher vielfach üblich war. Ein derartiges Vorgehen hat nur für
eine gewisse Übergangszeit, wenn es sich um die Schaffung von neuen
Gewerbszweigen handelt, seine Berechtigung, oder wenn, wie oben be-
reits erwähnt, ein bestehendes Gewerbe durch den plötzlich eintretenden
Mangel an den erforderlichen Rohstoffen gefährdet werden würde.

In anderer Form will Ney das Interesse der Industrie und damit
auch jenes der Gesamtheit in Betracht gezogen wissen. Er verlangt
nämlich, dass jener Umtrieb für die Staatswaldungen gewählt werde,
bei welchem nicht der Waldbesitzer, sondern alle bei der Bear-
beitung und dem Transporte beteiligten Personen bis zur
endlichen Konsumtion
den grössten Verdienst erzielen, was bei
der Starkholzerziehung im höchsten Masse der Fall sei. 1)

So berechnet Ney z. B. für die Verhältnisse der reichsländischen
Oberförsterei Schirmeck, dass dort auf dem Wege vom Walde bis zur
Verwendung durch den Konsumenten durch Stoffverwandlung und Orts-
veränderung über den Waldwert hinaus von der inländischen Arbeit
verdient werden:

an jedem Festmeter Brennholz . . . . 12 M.
" " " Bauholz . . . . . 20 "
" " " Sägeholz . . . . . 50 "

Da nun daselbst jährlich 22000 fm Sägeholz, 2000 fm Bauholz und
6000 fm Brennholz abgesetzt werden, so ergiebt sich hierbei ein Über-
schuss der gesamtwirtschaftlichen Werte über den Waldpreis von
1212000 M. Wenn infolge der Herabsetzung der Umtriebszeit statt
Sägeholz nur Bauholz gezogen werden könnte, so würde sich diese
Summe um 660000 M. verringern, welche der nationalen Arbeit ent-
gingen.

Hierauf ist nun zu erwidern, dass auch nach den oben entwickelten
Grundsätzen die Starkholzerziehung keineswegs aufhören würde, und
dass die Ausführungen Neys doch wesentlich durch die ungerechtfertigte
Befürchtung veranlasst sind, bei Annahme der von ihm ja grundsätzlich

1) Bericht über die 8. Versammlung deutscher Forstmänner zu Wiesbaden,
S. 65 und Ney, Über den Widerstreit von Einzel- und Gesamtinteresse u. s. w.

I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege.
mischter Bestände Bedacht genommen wird und nicht einer Schablone
zu Liebe nur reine Bestände oder solche kultiviert werden, in welchen
lediglich die sogen. Hauptholzarten: Eiche, Buche, Kiefer, Fichte vor-
kommen, alle anderen Holzgewächse aber schonungslos im Wege der
Reinigungshiebe und ersten Durchforstungen möglichst frühzeitig der
Axt anheimfallen.

Dagegen erscheint es im Interesse des Ganzen unzulässig, wenn
vom Staate gefordert wird, daſs zur Erhaltung von Industrien das Holz
dauernd unter dem Marktpreise an diese abgegeben werden soll, wie
es früher vielfach üblich war. Ein derartiges Vorgehen hat nur für
eine gewisse Übergangszeit, wenn es sich um die Schaffung von neuen
Gewerbszweigen handelt, seine Berechtigung, oder wenn, wie oben be-
reits erwähnt, ein bestehendes Gewerbe durch den plötzlich eintretenden
Mangel an den erforderlichen Rohstoffen gefährdet werden würde.

In anderer Form will Ney das Interesse der Industrie und damit
auch jenes der Gesamtheit in Betracht gezogen wissen. Er verlangt
nämlich, daſs jener Umtrieb für die Staatswaldungen gewählt werde,
bei welchem nicht der Waldbesitzer, sondern alle bei der Bear-
beitung und dem Transporte beteiligten Personen bis zur
endlichen Konsumtion
den gröſsten Verdienst erzielen, was bei
der Starkholzerziehung im höchsten Maſse der Fall sei. 1)

So berechnet Ney z. B. für die Verhältnisse der reichsländischen
Oberförsterei Schirmeck, daſs dort auf dem Wege vom Walde bis zur
Verwendung durch den Konsumenten durch Stoffverwandlung und Orts-
veränderung über den Waldwert hinaus von der inländischen Arbeit
verdient werden:

an jedem Festmeter Brennholz . . . . 12 M.
„ „ „ Bauholz . . . . . 20 „
„ „ „ Sägeholz . . . . . 50 „

Da nun daselbst jährlich 22000 fm Sägeholz, 2000 fm Bauholz und
6000 fm Brennholz abgesetzt werden, so ergiebt sich hierbei ein Über-
schuſs der gesamtwirtschaftlichen Werte über den Waldpreis von
1212000 M. Wenn infolge der Herabsetzung der Umtriebszeit statt
Sägeholz nur Bauholz gezogen werden könnte, so würde sich diese
Summe um 660000 M. verringern, welche der nationalen Arbeit ent-
gingen.

Hierauf ist nun zu erwidern, daſs auch nach den oben entwickelten
Grundsätzen die Starkholzerziehung keineswegs aufhören würde, und
daſs die Ausführungen Neys doch wesentlich durch die ungerechtfertigte
Befürchtung veranlaſst sind, bei Annahme der von ihm ja grundsätzlich

1) Bericht über die 8. Versammlung deutscher Forstmänner zu Wiesbaden,
S. 65 und Ney, Über den Widerstreit von Einzel- und Gesamtinteresse u. s. w.
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[103/0121] I. Abschnitt. Forstwirtschaftspflege. mischter Bestände Bedacht genommen wird und nicht einer Schablone zu Liebe nur reine Bestände oder solche kultiviert werden, in welchen lediglich die sogen. Hauptholzarten: Eiche, Buche, Kiefer, Fichte vor- kommen, alle anderen Holzgewächse aber schonungslos im Wege der Reinigungshiebe und ersten Durchforstungen möglichst frühzeitig der Axt anheimfallen. Dagegen erscheint es im Interesse des Ganzen unzulässig, wenn vom Staate gefordert wird, daſs zur Erhaltung von Industrien das Holz dauernd unter dem Marktpreise an diese abgegeben werden soll, wie es früher vielfach üblich war. Ein derartiges Vorgehen hat nur für eine gewisse Übergangszeit, wenn es sich um die Schaffung von neuen Gewerbszweigen handelt, seine Berechtigung, oder wenn, wie oben be- reits erwähnt, ein bestehendes Gewerbe durch den plötzlich eintretenden Mangel an den erforderlichen Rohstoffen gefährdet werden würde. In anderer Form will Ney das Interesse der Industrie und damit auch jenes der Gesamtheit in Betracht gezogen wissen. Er verlangt nämlich, daſs jener Umtrieb für die Staatswaldungen gewählt werde, bei welchem nicht der Waldbesitzer, sondern alle bei der Bear- beitung und dem Transporte beteiligten Personen bis zur endlichen Konsumtion den gröſsten Verdienst erzielen, was bei der Starkholzerziehung im höchsten Maſse der Fall sei. 1) So berechnet Ney z. B. für die Verhältnisse der reichsländischen Oberförsterei Schirmeck, daſs dort auf dem Wege vom Walde bis zur Verwendung durch den Konsumenten durch Stoffverwandlung und Orts- veränderung über den Waldwert hinaus von der inländischen Arbeit verdient werden: an jedem Festmeter Brennholz . . . . 12 M. „ „ „ Bauholz . . . . . 20 „ „ „ „ Sägeholz . . . . . 50 „ Da nun daselbst jährlich 22000 fm Sägeholz, 2000 fm Bauholz und 6000 fm Brennholz abgesetzt werden, so ergiebt sich hierbei ein Über- schuſs der gesamtwirtschaftlichen Werte über den Waldpreis von 1212000 M. Wenn infolge der Herabsetzung der Umtriebszeit statt Sägeholz nur Bauholz gezogen werden könnte, so würde sich diese Summe um 660000 M. verringern, welche der nationalen Arbeit ent- gingen. Hierauf ist nun zu erwidern, daſs auch nach den oben entwickelten Grundsätzen die Starkholzerziehung keineswegs aufhören würde, und daſs die Ausführungen Neys doch wesentlich durch die ungerechtfertigte Befürchtung veranlaſst sind, bei Annahme der von ihm ja grundsätzlich 1) Bericht über die 8. Versammlung deutscher Forstmänner zu Wiesbaden, S. 65 und Ney, Über den Widerstreit von Einzel- und Gesamtinteresse u. s. w.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/121>, abgerufen am 28.03.2024.