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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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die höher verzinslichen Staatsschulden zu tilgen, ist nur in beschränktem
Masse zulässig. Bei der bedeutenden Höhe, welche die Staatsschulden
allenthalben erreicht haben, müsste die Vermehrung der auf den Markt
gebrachten Holzmassen schon sehr erheblich sein, wenn diese Mass-
regel einen nennenswerten Erfolg liefern sollte. Sobald es aber ge-
schähe, würde ein Sinken der Holzpreise kaum zu vermeiden sein. Würde
aber die Abnutzung auf einen längeren Zeitraum verteilt, so dürften
derartige dauernde Mehreinnahmen erfahrungsgemäss nicht zur Schulden-
tilgung, sondern zur Bestreitung laufender Ausgaben verwendet werden.

Lange Umtriebszeiten erscheinen auch bei Festhaltung der Grund-
sätze der Reinertragslehre deshalb für die Staatswaldungen zulässig,
weil die ewige Person des Staates am sichersten mit dem Steigen der
stärkeren Sortimente, d. h. mit dem Teuerungszuwachse rechnen kann.

Das spekulative Moment, welches eine derartige grosse Wirt-
schaft sehr wohl gestattet, verdient als solches besondere Beachtung.

Ein ganz interessantes Beispiel in dieser Beziehung liefern die
Kiefernwirtschaften in den östlichen Provinzen Preussens. Hier hatte
man sich in einzelnen Fällen unter der Einwirkung der auf weitgehende
Verkürzung der Umtriebszeiten hinzielenden Strömung vor etwa
25 Jahren dazu bestimmen lassen, Umtriebszeiten von 100 und teil-
weise sogar von 80 Jahren einzuführen. Inzwischen hat jedoch die
Erfahrung gezeigt, dass infolge der Herabsetzung der Umtriebszeit von
seiten der Privaten ein massenhaftes Angebot schwacher Sortimente
und anderseits ein verhältnismässiger Mangel an Starkholz hervorge-
treten ist, welcher ein erhebliches Steigen der Preise für die schwere
Ware herbeigeführt hat, während das schwächere Bauholz vielfach
kaum oder doch nur zu geringen Preisen absetzbar ist. Die gleiche
Erscheinung zeigt sich neuerdings auch bei den in der Nähe von Berlin
gelegenen Forsten. Mit Rücksicht hierauf erscheint die nunmehr übliche
Normierung der Umtriebszeit auf 120 und selbst auf 140 Jahre auch vom
finanziellen Standpunkte aus gerechtfertigt.

Ob der bisweilen sehr weit getriebene Eichenanbau mit Kultur-
kosten von 600--1000 M. pro ha rentabel sein wird, dürfte indessen,
auch selbst bei Annahme eines recht beträchtlichen Teuerungszuwachses,
mindestens lebhaften Bedenken unterliegen.

Diese Spekulation auf eine mehr oder minder entfernte Zukunft
besitzt insofern auch eine gemeinwirtschaftliche Bedeutung, als sie den
Bedürfnissen der Nachwelt nach derartigen Sortimenten Rechnung trägt.

Das Interesse der Gemeinwirtschaft ist ferner bei den Staatswal-
dungen dadurch zu berücksichtigen, dass auf die Befriedigung des Be-
darfes der Industrie in angemessener Weise Bedacht genommen
wird. Dieses geschieht namentlich dadurch, dass durch geschickte
Ausnutzung der wechselnden Standortsverhältnisse auf Anzucht ge-

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die höher verzinslichen Staatsschulden zu tilgen, ist nur in beschränktem
Maſse zulässig. Bei der bedeutenden Höhe, welche die Staatsschulden
allenthalben erreicht haben, müſste die Vermehrung der auf den Markt
gebrachten Holzmassen schon sehr erheblich sein, wenn diese Maſs-
regel einen nennenswerten Erfolg liefern sollte. Sobald es aber ge-
schähe, würde ein Sinken der Holzpreise kaum zu vermeiden sein. Würde
aber die Abnutzung auf einen längeren Zeitraum verteilt, so dürften
derartige dauernde Mehreinnahmen erfahrungsgemäſs nicht zur Schulden-
tilgung, sondern zur Bestreitung laufender Ausgaben verwendet werden.

Lange Umtriebszeiten erscheinen auch bei Festhaltung der Grund-
sätze der Reinertragslehre deshalb für die Staatswaldungen zulässig,
weil die ewige Person des Staates am sichersten mit dem Steigen der
stärkeren Sortimente, d. h. mit dem Teuerungszuwachse rechnen kann.

Das spekulative Moment, welches eine derartige groſse Wirt-
schaft sehr wohl gestattet, verdient als solches besondere Beachtung.

Ein ganz interessantes Beispiel in dieser Beziehung liefern die
Kiefernwirtschaften in den östlichen Provinzen Preuſsens. Hier hatte
man sich in einzelnen Fällen unter der Einwirkung der auf weitgehende
Verkürzung der Umtriebszeiten hinzielenden Strömung vor etwa
25 Jahren dazu bestimmen lassen, Umtriebszeiten von 100 und teil-
weise sogar von 80 Jahren einzuführen. Inzwischen hat jedoch die
Erfahrung gezeigt, daſs infolge der Herabsetzung der Umtriebszeit von
seiten der Privaten ein massenhaftes Angebot schwacher Sortimente
und anderseits ein verhältnismäſsiger Mangel an Starkholz hervorge-
treten ist, welcher ein erhebliches Steigen der Preise für die schwere
Ware herbeigeführt hat, während das schwächere Bauholz vielfach
kaum oder doch nur zu geringen Preisen absetzbar ist. Die gleiche
Erscheinung zeigt sich neuerdings auch bei den in der Nähe von Berlin
gelegenen Forsten. Mit Rücksicht hierauf erscheint die nunmehr übliche
Normierung der Umtriebszeit auf 120 und selbst auf 140 Jahre auch vom
finanziellen Standpunkte aus gerechtfertigt.

Ob der bisweilen sehr weit getriebene Eichenanbau mit Kultur-
kosten von 600—1000 M. pro ha rentabel sein wird, dürfte indessen,
auch selbst bei Annahme eines recht beträchtlichen Teuerungszuwachses,
mindestens lebhaften Bedenken unterliegen.

Diese Spekulation auf eine mehr oder minder entfernte Zukunft
besitzt insofern auch eine gemeinwirtschaftliche Bedeutung, als sie den
Bedürfnissen der Nachwelt nach derartigen Sortimenten Rechnung trägt.

Das Interesse der Gemeinwirtschaft ist ferner bei den Staatswal-
dungen dadurch zu berücksichtigen, daſs auf die Befriedigung des Be-
darfes der Industrie in angemessener Weise Bedacht genommen
wird. Dieses geschieht namentlich dadurch, daſs durch geschickte
Ausnutzung der wechselnden Standortsverhältnisse auf Anzucht ge-

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[102/0120] B. Zweiter (spezieller) Teil. die höher verzinslichen Staatsschulden zu tilgen, ist nur in beschränktem Maſse zulässig. Bei der bedeutenden Höhe, welche die Staatsschulden allenthalben erreicht haben, müſste die Vermehrung der auf den Markt gebrachten Holzmassen schon sehr erheblich sein, wenn diese Maſs- regel einen nennenswerten Erfolg liefern sollte. Sobald es aber ge- schähe, würde ein Sinken der Holzpreise kaum zu vermeiden sein. Würde aber die Abnutzung auf einen längeren Zeitraum verteilt, so dürften derartige dauernde Mehreinnahmen erfahrungsgemäſs nicht zur Schulden- tilgung, sondern zur Bestreitung laufender Ausgaben verwendet werden. Lange Umtriebszeiten erscheinen auch bei Festhaltung der Grund- sätze der Reinertragslehre deshalb für die Staatswaldungen zulässig, weil die ewige Person des Staates am sichersten mit dem Steigen der stärkeren Sortimente, d. h. mit dem Teuerungszuwachse rechnen kann. Das spekulative Moment, welches eine derartige groſse Wirt- schaft sehr wohl gestattet, verdient als solches besondere Beachtung. Ein ganz interessantes Beispiel in dieser Beziehung liefern die Kiefernwirtschaften in den östlichen Provinzen Preuſsens. Hier hatte man sich in einzelnen Fällen unter der Einwirkung der auf weitgehende Verkürzung der Umtriebszeiten hinzielenden Strömung vor etwa 25 Jahren dazu bestimmen lassen, Umtriebszeiten von 100 und teil- weise sogar von 80 Jahren einzuführen. Inzwischen hat jedoch die Erfahrung gezeigt, daſs infolge der Herabsetzung der Umtriebszeit von seiten der Privaten ein massenhaftes Angebot schwacher Sortimente und anderseits ein verhältnismäſsiger Mangel an Starkholz hervorge- treten ist, welcher ein erhebliches Steigen der Preise für die schwere Ware herbeigeführt hat, während das schwächere Bauholz vielfach kaum oder doch nur zu geringen Preisen absetzbar ist. Die gleiche Erscheinung zeigt sich neuerdings auch bei den in der Nähe von Berlin gelegenen Forsten. Mit Rücksicht hierauf erscheint die nunmehr übliche Normierung der Umtriebszeit auf 120 und selbst auf 140 Jahre auch vom finanziellen Standpunkte aus gerechtfertigt. Ob der bisweilen sehr weit getriebene Eichenanbau mit Kultur- kosten von 600—1000 M. pro ha rentabel sein wird, dürfte indessen, auch selbst bei Annahme eines recht beträchtlichen Teuerungszuwachses, mindestens lebhaften Bedenken unterliegen. Diese Spekulation auf eine mehr oder minder entfernte Zukunft besitzt insofern auch eine gemeinwirtschaftliche Bedeutung, als sie den Bedürfnissen der Nachwelt nach derartigen Sortimenten Rechnung trägt. Das Interesse der Gemeinwirtschaft ist ferner bei den Staatswal- dungen dadurch zu berücksichtigen, daſs auf die Befriedigung des Be- darfes der Industrie in angemessener Weise Bedacht genommen wird. Dieses geschieht namentlich dadurch, daſs durch geschickte Ausnutzung der wechselnden Standortsverhältnisse auf Anzucht ge-

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/120>, abgerufen am 19.04.2024.