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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795.

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diesem Geschäfte trug ich, so gut ich mit Ge-
bährden und einem jüdischen Dragoman konn-
te, mein Anliegen vor, daß man mich noch
nach Kauen hinüber lassen möchte; aber ich
wußte freylich, da mir die Strenge des russi-
schen Kriegsdienstes bekannt genug ist, daß es
unmöglich seyn würde. Jch war eben im
Begriff, meinen Wagen in einen andern jü-
dischen Krug schaffen zu lassen, als der Offi-
cier, der an der Spitze der Mannschaft war,
gerade von Kauen her landete. Da er Deutsch
und Französisch sprach, so hatte ich Mittel in
Händen, mich ihm verständlich zu machen; er
weigerte sich anfangs, aber endlich erklärte er
mit wahrer Artigkeit, er wolle, da ich doch
auch ein Russischer Unterthan sey, den Ver-
druß auf sich nehmen, der ihm daraus erwach-
sen könnte, wenn er mich noch hinüber ließe.
Jch glaubte nun gewonnen zu haben, und
hätte auch überall gewonnen gehabt, nur nicht
hier, wo Juden die Matrosen und Steuer-
leute der Fähre waren. Da sich ein unbe-

dieſem Geſchaͤfte trug ich, ſo gut ich mit Ge-
baͤhrden und einem juͤdiſchen Dragoman konn-
te, mein Anliegen vor, daß man mich noch
nach Kauen hinuͤber laſſen moͤchte; aber ich
wußte freylich, da mir die Strenge des ruſſi-
ſchen Kriegsdienſtes bekannt genug iſt, daß es
unmoͤglich ſeyn wuͤrde. Jch war eben im
Begriff, meinen Wagen in einen andern juͤ-
diſchen Krug ſchaffen zu laſſen, als der Offi-
cier, der an der Spitze der Mannſchaft war,
gerade von Kauen her landete. Da er Deutſch
und Franzoͤſiſch ſprach, ſo hatte ich Mittel in
Haͤnden, mich ihm verſtaͤndlich zu machen; er
weigerte ſich anfangs, aber endlich erklaͤrte er
mit wahrer Artigkeit, er wolle, da ich doch
auch ein Ruſſiſcher Unterthan ſey, den Ver-
druß auf ſich nehmen, der ihm daraus erwach-
ſen koͤnnte, wenn er mich noch hinuͤber ließe.
Jch glaubte nun gewonnen zu haben, und
haͤtte auch uͤberall gewonnen gehabt, nur nicht
hier, wo Juden die Matroſen und Steuer-
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[22/0040] dieſem Geſchaͤfte trug ich, ſo gut ich mit Ge- baͤhrden und einem juͤdiſchen Dragoman konn- te, mein Anliegen vor, daß man mich noch nach Kauen hinuͤber laſſen moͤchte; aber ich wußte freylich, da mir die Strenge des ruſſi- ſchen Kriegsdienſtes bekannt genug iſt, daß es unmoͤglich ſeyn wuͤrde. Jch war eben im Begriff, meinen Wagen in einen andern juͤ- diſchen Krug ſchaffen zu laſſen, als der Offi- cier, der an der Spitze der Mannſchaft war, gerade von Kauen her landete. Da er Deutſch und Franzoͤſiſch ſprach, ſo hatte ich Mittel in Haͤnden, mich ihm verſtaͤndlich zu machen; er weigerte ſich anfangs, aber endlich erklaͤrte er mit wahrer Artigkeit, er wolle, da ich doch auch ein Ruſſiſcher Unterthan ſey, den Ver- druß auf ſich nehmen, der ihm daraus erwach- ſen koͤnnte, wenn er mich noch hinuͤber ließe. Jch glaubte nun gewonnen zu haben, und haͤtte auch uͤberall gewonnen gehabt, nur nicht hier, wo Juden die Matroſen und Steuer- leute der Faͤhre waren. Da ſich ein unbe-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 1, [H. 1]. Berlin, 1795, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0101_1795/40>, abgerufen am 19.04.2024.