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Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.

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In einer gewissen Hinsicht erscheint die uns um-
gebende Natur als ein Schrittmesser, an welchem sich
der Gang der Entwicklung des höheren Geisterreichs,
vollkommen nachweisen lässet. Zugleich mit dem ur-
sprünglichen Zustande des Menschen veränderte sich
auch die ihn umgebende, mit ihm in Beziehung ste-
hende Natur. In anderer Beziehung erscheinet diese,
welche jetzt keine andre Geschlechter mehr schaffet, son-
dern zu dem schon fertig geschriebenen Buche höchstens
Varianten, der Zeit sich accommodirende Abänderungen
der Arten liefert, als der früher vollendete Theil eines
höheren Ganzen. Da bey der Erzeugung des Einzel-
nen dieselben Prinzipien, dieselben streitenden Kräfte
thätig gewesen, aus denen das höhere Ganze hervor-
geht, so muß die Geschichte des letzteren schon in je-
ner des Einzelnen zu erkennen seyn, eben so wie sich
in der Geschichte des einzelnen Menschen die Entwicke-
lungsperioden des ganzen Geschlechts nachweisen lassen,
oder wie sich an der zugleich, in einem und demsel-
ben Monat blühenden Pflanzenflor, an den zugleich
auf der Erde lebenden Völkern und einzelnen Men-
schen alle die verschiedenen Entwickelungsstufen neben
einander zeigen, welche die ganze Klasse, das ganze
Geschlecht in den verschiedenen Monden und Jahrtau-
senden nach einander durchlaufen müssen.

In der ganzen uns umgebenden Sinnenwelt zeigt
sich, eben so wie in der geistigen, der stete Kampf
zweyer Prinzipien, welche ursprünglich einander be-
freundet, eins das andre voraussetzend, bey einem ge-
gebenen Punkte sich feindlich gegen einander entzünden.
Der Kampf zwischen beyden läßt sich durch die verschieden-

sten

In einer gewiſſen Hinſicht erſcheint die uns um-
gebende Natur als ein Schrittmeſſer, an welchem ſich
der Gang der Entwicklung des hoͤheren Geiſterreichs,
vollkommen nachweiſen laͤſſet. Zugleich mit dem ur-
ſpruͤnglichen Zuſtande des Menſchen veraͤnderte ſich
auch die ihn umgebende, mit ihm in Beziehung ſte-
hende Natur. In anderer Beziehung erſcheinet dieſe,
welche jetzt keine andre Geſchlechter mehr ſchaffet, ſon-
dern zu dem ſchon fertig geſchriebenen Buche hoͤchſtens
Varianten, der Zeit ſich accommodirende Abaͤnderungen
der Arten liefert, als der fruͤher vollendete Theil eines
hoͤheren Ganzen. Da bey der Erzeugung des Einzel-
nen dieſelben Prinzipien, dieſelben ſtreitenden Kraͤfte
thaͤtig geweſen, aus denen das hoͤhere Ganze hervor-
geht, ſo muß die Geſchichte des letzteren ſchon in je-
ner des Einzelnen zu erkennen ſeyn, eben ſo wie ſich
in der Geſchichte des einzelnen Menſchen die Entwicke-
lungsperioden des ganzen Geſchlechts nachweiſen laſſen,
oder wie ſich an der zugleich, in einem und demſel-
ben Monat bluͤhenden Pflanzenflor, an den zugleich
auf der Erde lebenden Voͤlkern und einzelnen Men-
ſchen alle die verſchiedenen Entwickelungsſtufen neben
einander zeigen, welche die ganze Klaſſe, das ganze
Geſchlecht in den verſchiedenen Monden und Jahrtau-
ſenden nach einander durchlaufen muͤſſen.

In der ganzen uns umgebenden Sinnenwelt zeigt
ſich, eben ſo wie in der geiſtigen, der ſtete Kampf
zweyer Prinzipien, welche urſpruͤnglich einander be-
freundet, eins das andre vorausſetzend, bey einem ge-
gebenen Punkte ſich feindlich gegen einander entzuͤnden.
Der Kampf zwiſchen beyden laͤßt ſich durch die verſchieden-

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[37/0047] In einer gewiſſen Hinſicht erſcheint die uns um- gebende Natur als ein Schrittmeſſer, an welchem ſich der Gang der Entwicklung des hoͤheren Geiſterreichs, vollkommen nachweiſen laͤſſet. Zugleich mit dem ur- ſpruͤnglichen Zuſtande des Menſchen veraͤnderte ſich auch die ihn umgebende, mit ihm in Beziehung ſte- hende Natur. In anderer Beziehung erſcheinet dieſe, welche jetzt keine andre Geſchlechter mehr ſchaffet, ſon- dern zu dem ſchon fertig geſchriebenen Buche hoͤchſtens Varianten, der Zeit ſich accommodirende Abaͤnderungen der Arten liefert, als der fruͤher vollendete Theil eines hoͤheren Ganzen. Da bey der Erzeugung des Einzel- nen dieſelben Prinzipien, dieſelben ſtreitenden Kraͤfte thaͤtig geweſen, aus denen das hoͤhere Ganze hervor- geht, ſo muß die Geſchichte des letzteren ſchon in je- ner des Einzelnen zu erkennen ſeyn, eben ſo wie ſich in der Geſchichte des einzelnen Menſchen die Entwicke- lungsperioden des ganzen Geſchlechts nachweiſen laſſen, oder wie ſich an der zugleich, in einem und demſel- ben Monat bluͤhenden Pflanzenflor, an den zugleich auf der Erde lebenden Voͤlkern und einzelnen Men- ſchen alle die verſchiedenen Entwickelungsſtufen neben einander zeigen, welche die ganze Klaſſe, das ganze Geſchlecht in den verſchiedenen Monden und Jahrtau- ſenden nach einander durchlaufen muͤſſen. In der ganzen uns umgebenden Sinnenwelt zeigt ſich, eben ſo wie in der geiſtigen, der ſtete Kampf zweyer Prinzipien, welche urſpruͤnglich einander be- freundet, eins das andre vorausſetzend, bey einem ge- gebenen Punkte ſich feindlich gegen einander entzuͤnden. Der Kampf zwiſchen beyden laͤßt ſich durch die verſchieden- ſten

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_symbolik_1814/47>, abgerufen am 29.03.2024.