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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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Stachel der kleineren Fürsten, wird, noch ohne Klar-
heit, in dem Busen der Welt die Gluth einer ewigen
Liebe wach. Da ist der Blick der sterbenden alten Zeit
nach dem Orient gewendet, aus welchem, wie einzel-
ne Stimmen verkündigten, das neue Heil aufgehen
wird. Endlich, stehe! ist die Stunde der Erfüllung
gekommen, und mitten unter blutiger Verfolgung,
unter der Geißel der Tyranney, wird mit erhabenem
Jubel die Vermählung des menschlichen Gemüths mit
dem göttlichen Ideal gefeyert. Hierauf schweigen ge-
gen Christi Geburt die Orakel alle, und die geheime
Gewalt der Natur über den Menschen wird zerstört.
Nur noch in einzelnen Lichtblicken, nie im alten Glanz,
erhebt sich das Heydenthum auf der westlichen Erde,
und zuletzt ist in der neugebildeten Naturwissenschaft,
aus der alten Zeit nur noch ein verstümmelter und ver-
kannter Schatten der alten Anstrologie und Alchymie,
im Mittelalter zurück.

Nur bis dahin, wo der Mensch nun aufhörte,
Eins mit der Natur zu seyn, und wo diese als etwas
Aeußeres, als Gegenstand vor ihn hintrat, sehen wir
die Geschichte der Naturwissenschaft mit der Urge-
schichte unsres Geschlechts unzertrennlich vereint. Von
hier an begegnen wir dieser nicht weiter, und was vor-
hin als Naturcultus mit dem besseren Daseyn des
Menschen, ja mit jedem Augenblick seines Lebens in-
nigst verschmolzen war, tritt nun als Naturwissen-
schaft auf, ohne sichtlichen Zusammenhang mit

Stachel der kleineren Fuͤrſten, wird, noch ohne Klar-
heit, in dem Buſen der Welt die Gluth einer ewigen
Liebe wach. Da iſt der Blick der ſterbenden alten Zeit
nach dem Orient gewendet, aus welchem, wie einzel-
ne Stimmen verkuͤndigten, das neue Heil aufgehen
wird. Endlich, ſtehe! iſt die Stunde der Erfuͤllung
gekommen, und mitten unter blutiger Verfolgung,
unter der Geißel der Tyranney, wird mit erhabenem
Jubel die Vermaͤhlung des menſchlichen Gemuͤths mit
dem goͤttlichen Ideal gefeyert. Hierauf ſchweigen ge-
gen Chriſti Geburt die Orakel alle, und die geheime
Gewalt der Natur uͤber den Menſchen wird zerſtoͤrt.
Nur noch in einzelnen Lichtblicken, nie im alten Glanz,
erhebt ſich das Heydenthum auf der weſtlichen Erde,
und zuletzt iſt in der neugebildeten Naturwiſſenſchaft,
aus der alten Zeit nur noch ein verſtuͤmmelter und ver-
kannter Schatten der alten Anſtrologie und Alchymie,
im Mittelalter zuruͤck.

Nur bis dahin, wo der Menſch nun aufhoͤrte,
Eins mit der Natur zu ſeyn, und wo dieſe als etwas
Aeußeres, als Gegenſtand vor ihn hintrat, ſehen wir
die Geſchichte der Naturwiſſenſchaft mit der Urge-
ſchichte unſres Geſchlechts unzertrennlich vereint. Von
hier an begegnen wir dieſer nicht weiter, und was vor-
hin als Naturcultus mit dem beſſeren Daſeyn des
Menſchen, ja mit jedem Augenblick ſeines Lebens in-
nigſt verſchmolzen war, tritt nun als Naturwiſſen-
ſchaft auf, ohne ſichtlichen Zuſammenhang mit

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[11/0025] Stachel der kleineren Fuͤrſten, wird, noch ohne Klar- heit, in dem Buſen der Welt die Gluth einer ewigen Liebe wach. Da iſt der Blick der ſterbenden alten Zeit nach dem Orient gewendet, aus welchem, wie einzel- ne Stimmen verkuͤndigten, das neue Heil aufgehen wird. Endlich, ſtehe! iſt die Stunde der Erfuͤllung gekommen, und mitten unter blutiger Verfolgung, unter der Geißel der Tyranney, wird mit erhabenem Jubel die Vermaͤhlung des menſchlichen Gemuͤths mit dem goͤttlichen Ideal gefeyert. Hierauf ſchweigen ge- gen Chriſti Geburt die Orakel alle, und die geheime Gewalt der Natur uͤber den Menſchen wird zerſtoͤrt. Nur noch in einzelnen Lichtblicken, nie im alten Glanz, erhebt ſich das Heydenthum auf der weſtlichen Erde, und zuletzt iſt in der neugebildeten Naturwiſſenſchaft, aus der alten Zeit nur noch ein verſtuͤmmelter und ver- kannter Schatten der alten Anſtrologie und Alchymie, im Mittelalter zuruͤck. Nur bis dahin, wo der Menſch nun aufhoͤrte, Eins mit der Natur zu ſeyn, und wo dieſe als etwas Aeußeres, als Gegenſtand vor ihn hintrat, ſehen wir die Geſchichte der Naturwiſſenſchaft mit der Urge- ſchichte unſres Geſchlechts unzertrennlich vereint. Von hier an begegnen wir dieſer nicht weiter, und was vor- hin als Naturcultus mit dem beſſeren Daſeyn des Menſchen, ja mit jedem Augenblick ſeines Lebens in- nigſt verſchmolzen war, tritt nun als Naturwiſſen- ſchaft auf, ohne ſichtlichen Zuſammenhang mit

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/25>, abgerufen am 29.03.2024.