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Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

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der junge Knabe nach seinem Vater, und nach jenem
göttlicheren Ideal, durch welches diese Natur, und
aus ihr der Mensch geworden. Hierauf sehen wir in
der Geschichte der Naturwissenschaft, welche mit der
Urgeschichte unsres Geschlechts Eins ist, den alten
Bund des Menschen mit der Natur übertreten. Wie
die Nacht mit ihren hohen Gestirnen, verbleicht in der
Morgendämmerung eines neuen, höheren Bedürfnis-
ses, die alte Abhängigkeit und Harmonie mit der
Natur.

Aber vor der Morgendämmerung geht das kalte
Wehen der letzten Nachtwache vorher, und verlassen
von der mütterlichen Schwinge, erstarrt auf einige
Momente das noch zarte Geschlecht. Unter dem
Scepter der ehernen Zeit, als das kühne Volk die
Stimme in seinem Busen verstehen gelernt, und der
eigne Wille sich der Stimme der Mutter widersetzet,
sieht die Natur mit traurigem Unwillen den Geist des
Menschen sich ihren Armen entwinden, und ein an-
dres Gesetz, eine andre Heimath als die Erde selber
suchen. Da schweigt die Stimme der kühnen Begei-
sterung, der Mensch versteht die Natur nicht mehr,
und durch sein eignes Streben, verstoßen aus der Mit-
te der seeligen Anschauung, ist die alte Weisheit, nur
noch in der Asche glimmend, ihrem Untergange nahe.
Es verläugnen nun die Herrscher die alte Bestimmung,
und, vorhin ein Vorbild der Ergebung und heiligen
Anschauung, wird der König als Eroberer, ein Vor-

der junge Knabe nach ſeinem Vater, und nach jenem
goͤttlicheren Ideal, durch welches dieſe Natur, und
aus ihr der Menſch geworden. Hierauf ſehen wir in
der Geſchichte der Naturwiſſenſchaft, welche mit der
Urgeſchichte unſres Geſchlechts Eins iſt, den alten
Bund des Menſchen mit der Natur uͤbertreten. Wie
die Nacht mit ihren hohen Geſtirnen, verbleicht in der
Morgendaͤmmerung eines neuen, hoͤheren Beduͤrfniſ-
ſes, die alte Abhaͤngigkeit und Harmonie mit der
Natur.

Aber vor der Morgendaͤmmerung geht das kalte
Wehen der letzten Nachtwache vorher, und verlaſſen
von der muͤtterlichen Schwinge, erſtarrt auf einige
Momente das noch zarte Geſchlecht. Unter dem
Scepter der ehernen Zeit, als das kuͤhne Volk die
Stimme in ſeinem Buſen verſtehen gelernt, und der
eigne Wille ſich der Stimme der Mutter widerſetzet,
ſieht die Natur mit traurigem Unwillen den Geiſt des
Menſchen ſich ihren Armen entwinden, und ein an-
dres Geſetz, eine andre Heimath als die Erde ſelber
ſuchen. Da ſchweigt die Stimme der kuͤhnen Begei-
ſterung, der Menſch verſteht die Natur nicht mehr,
und durch ſein eignes Streben, verſtoßen aus der Mit-
te der ſeeligen Anſchauung, iſt die alte Weisheit, nur
noch in der Aſche glimmend, ihrem Untergange nahe.
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und, vorhin ein Vorbild der Ergebung und heiligen
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[9/0023] der junge Knabe nach ſeinem Vater, und nach jenem goͤttlicheren Ideal, durch welches dieſe Natur, und aus ihr der Menſch geworden. Hierauf ſehen wir in der Geſchichte der Naturwiſſenſchaft, welche mit der Urgeſchichte unſres Geſchlechts Eins iſt, den alten Bund des Menſchen mit der Natur uͤbertreten. Wie die Nacht mit ihren hohen Geſtirnen, verbleicht in der Morgendaͤmmerung eines neuen, hoͤheren Beduͤrfniſ- ſes, die alte Abhaͤngigkeit und Harmonie mit der Natur. Aber vor der Morgendaͤmmerung geht das kalte Wehen der letzten Nachtwache vorher, und verlaſſen von der muͤtterlichen Schwinge, erſtarrt auf einige Momente das noch zarte Geſchlecht. Unter dem Scepter der ehernen Zeit, als das kuͤhne Volk die Stimme in ſeinem Buſen verſtehen gelernt, und der eigne Wille ſich der Stimme der Mutter widerſetzet, ſieht die Natur mit traurigem Unwillen den Geiſt des Menſchen ſich ihren Armen entwinden, und ein an- dres Geſetz, eine andre Heimath als die Erde ſelber ſuchen. Da ſchweigt die Stimme der kuͤhnen Begei- ſterung, der Menſch verſteht die Natur nicht mehr, und durch ſein eignes Streben, verſtoßen aus der Mit- te der ſeeligen Anſchauung, iſt die alte Weisheit, nur noch in der Aſche glimmend, ihrem Untergange nahe. Es verlaͤugnen nun die Herrſcher die alte Beſtimmung, und, vorhin ein Vorbild der Ergebung und heiligen Anſchauung, wird der Koͤnig als Eroberer, ein Vor-

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Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/23>, abgerufen am 19.04.2024.