Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Wäldern Virginiens, und in der geweihten
Versammlung nordischer Barden, prophetischer Wahn-
sinn, und eine wilde Weissagung begegnen.

So führen wir die Geschichte jener Zeit, wo der
Mensch noch Eins mit der Natur gewesen, und wo
sich die ewigen Harmonien und Gesetze derselben, deut-
licher als sonst je in seinem eignen Wesen ausgespro-
chen, dem Geist vorüber, damit nachher an diesem
großen Beyspiel auch in der untergeordneten Natur die
Einheit aller Einzelnen mit dem Ganzen verstanden
werde.

Wir nennen noch jetzt jene Augenblicke, wo sich
unser Wesen im innigsten Einklange mit der ganzen
äußern Natur befindet, die der höchsten Lust, des
höchstens Wohlseyns. Auch jene erste Zeit, welche
unser Geschlecht in tiefer Harmonie mit der ganzen
Natur verlebt, wird uns von allen Völkern der darauf
folgenden Vorwelt, als eine Zeit des seeligen Friedens,
und paradiesischer Freuden beschrieben. Sie ist es,
welche die Griechen und einige noch viel ältere Völker,
unter dem Nahmen des goldenen Zeitalters preisen.
Eine Zeit der Kindheit ist es gewesen, höher aber als
diese hülflose Kindheit, welche wir jezt kennen. Sterb-
liche Mütter sind es, welche jetzt gebähren, jener
Kindheit hat eine unsterbliche Mutter gepflegt, und der
Mensch ist von jener unmittelbaren Anschauung eines
ewigen Ideals ausgegangen, ist unbewußt in der Mit-

in den Waͤldern Virginiens, und in der geweihten
Verſammlung nordiſcher Barden, prophetiſcher Wahn-
ſinn, und eine wilde Weiſſagung begegnen.

So fuͤhren wir die Geſchichte jener Zeit, wo der
Menſch noch Eins mit der Natur geweſen, und wo
ſich die ewigen Harmonien und Geſetze derſelben, deut-
licher als ſonſt je in ſeinem eignen Weſen ausgeſpro-
chen, dem Geiſt voruͤber, damit nachher an dieſem
großen Beyſpiel auch in der untergeordneten Natur die
Einheit aller Einzelnen mit dem Ganzen verſtanden
werde.

Wir nennen noch jetzt jene Augenblicke, wo ſich
unſer Weſen im innigſten Einklange mit der ganzen
aͤußern Natur befindet, die der hoͤchſten Luſt, des
hoͤchſtens Wohlſeyns. Auch jene erſte Zeit, welche
unſer Geſchlecht in tiefer Harmonie mit der ganzen
Natur verlebt, wird uns von allen Voͤlkern der darauf
folgenden Vorwelt, als eine Zeit des ſeeligen Friedens,
und paradieſiſcher Freuden beſchrieben. Sie iſt es,
welche die Griechen und einige noch viel aͤltere Voͤlker,
unter dem Nahmen des goldenen Zeitalters preiſen.
Eine Zeit der Kindheit iſt es geweſen, hoͤher aber als
dieſe huͤlfloſe Kindheit, welche wir jezt kennen. Sterb-
liche Muͤtter ſind es, welche jetzt gebaͤhren, jener
Kindheit hat eine unſterbliche Mutter gepflegt, und der
Menſch iſt von jener unmittelbaren Anſchauung eines
ewigen Ideals ausgegangen, iſt unbewußt in der Mit-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0021" n="7"/>
in den Wa&#x0364;ldern Virginiens, und in der geweihten<lb/>
Ver&#x017F;ammlung nordi&#x017F;cher Barden, propheti&#x017F;cher Wahn-<lb/>
&#x017F;inn, und eine wilde Wei&#x017F;&#x017F;agung begegnen.</p><lb/>
        <p>So fu&#x0364;hren wir die Ge&#x017F;chichte jener Zeit, wo der<lb/>
Men&#x017F;ch noch Eins mit der Natur gewe&#x017F;en, und wo<lb/>
&#x017F;ich die ewigen Harmonien und Ge&#x017F;etze der&#x017F;elben, deut-<lb/>
licher als &#x017F;on&#x017F;t je in &#x017F;einem eignen We&#x017F;en ausge&#x017F;pro-<lb/>
chen, dem Gei&#x017F;t voru&#x0364;ber, damit nachher an die&#x017F;em<lb/>
großen Bey&#x017F;piel auch in der untergeordneten Natur die<lb/>
Einheit aller Einzelnen mit dem Ganzen ver&#x017F;tanden<lb/>
werde.</p><lb/>
        <p>Wir nennen noch jetzt jene Augenblicke, wo &#x017F;ich<lb/>
un&#x017F;er We&#x017F;en im innig&#x017F;ten Einklange mit der ganzen<lb/>
a&#x0364;ußern Natur befindet, die der ho&#x0364;ch&#x017F;ten Lu&#x017F;t, des<lb/>
ho&#x0364;ch&#x017F;tens Wohl&#x017F;eyns. Auch jene er&#x017F;te Zeit, welche<lb/>
un&#x017F;er Ge&#x017F;chlecht in tiefer Harmonie mit der ganzen<lb/>
Natur verlebt, wird uns von allen Vo&#x0364;lkern der darauf<lb/>
folgenden Vorwelt, als eine Zeit des &#x017F;eeligen Friedens,<lb/>
und paradie&#x017F;i&#x017F;cher Freuden be&#x017F;chrieben. Sie i&#x017F;t es,<lb/>
welche die Griechen und einige noch viel a&#x0364;ltere Vo&#x0364;lker,<lb/>
unter dem Nahmen des goldenen Zeitalters prei&#x017F;en.<lb/>
Eine Zeit der Kindheit i&#x017F;t es gewe&#x017F;en, ho&#x0364;her aber als<lb/>
die&#x017F;e hu&#x0364;lflo&#x017F;e Kindheit, welche wir jezt kennen. Sterb-<lb/>
liche Mu&#x0364;tter &#x017F;ind es, welche jetzt geba&#x0364;hren, jener<lb/>
Kindheit hat eine un&#x017F;terbliche Mutter gepflegt, und der<lb/>
Men&#x017F;ch i&#x017F;t von jener unmittelbaren An&#x017F;chauung eines<lb/>
ewigen Ideals ausgegangen, i&#x017F;t unbewußt in der Mit-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0021] in den Waͤldern Virginiens, und in der geweihten Verſammlung nordiſcher Barden, prophetiſcher Wahn- ſinn, und eine wilde Weiſſagung begegnen. So fuͤhren wir die Geſchichte jener Zeit, wo der Menſch noch Eins mit der Natur geweſen, und wo ſich die ewigen Harmonien und Geſetze derſelben, deut- licher als ſonſt je in ſeinem eignen Weſen ausgeſpro- chen, dem Geiſt voruͤber, damit nachher an dieſem großen Beyſpiel auch in der untergeordneten Natur die Einheit aller Einzelnen mit dem Ganzen verſtanden werde. Wir nennen noch jetzt jene Augenblicke, wo ſich unſer Weſen im innigſten Einklange mit der ganzen aͤußern Natur befindet, die der hoͤchſten Luſt, des hoͤchſtens Wohlſeyns. Auch jene erſte Zeit, welche unſer Geſchlecht in tiefer Harmonie mit der ganzen Natur verlebt, wird uns von allen Voͤlkern der darauf folgenden Vorwelt, als eine Zeit des ſeeligen Friedens, und paradieſiſcher Freuden beſchrieben. Sie iſt es, welche die Griechen und einige noch viel aͤltere Voͤlker, unter dem Nahmen des goldenen Zeitalters preiſen. Eine Zeit der Kindheit iſt es geweſen, hoͤher aber als dieſe huͤlfloſe Kindheit, welche wir jezt kennen. Sterb- liche Muͤtter ſind es, welche jetzt gebaͤhren, jener Kindheit hat eine unſterbliche Mutter gepflegt, und der Menſch iſt von jener unmittelbaren Anſchauung eines ewigen Ideals ausgegangen, iſt unbewußt in der Mit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/21
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/21>, abgerufen am 19.04.2024.