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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

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Erste Vorlesung.
"Reihen" von Elementepaaren als parallele oder zu einander normale,
sowie als horizontale oder vertikale.

Fasst man die individuellen Elementepaare unsres Denkbereiches 12
in's Auge, so wahrnimmt man solche von zweierlei Art, je nachdem
in i : j das i = j oder aber i j ist.

Im ersten Falle haben wir ein Elementepaar von der Form i : i.
Ein solches soll ein individuelles (binäres) "Selbstrelativ" genannt
werden.

Falls dagegen i j ist, so heisse i : j ein individuelles (binäres)
"Aliorelativ".

Ich übersetze hiemit einfach die von Peirce gegebnen Namen "self-
relative" und "aliorelative".

Es kann anstössig gefunden werden, dass "self-" oder "Selbst-" nicht,
wie die andern zur Zusammensetzung dieser Namen benutzten Wörter,
aus dem Lateinischen stammt. Wenn man nicht "Ipsirelativ" sagen will,
so könnte man auch "Idemrelativ" für unser "Selbstrelativ" nehmen. Andre
Möglichkeiten wären die, zu sagen:
Autorelativ und Heterorelativ,
oder Idio(Homo-?)relativ " Allorelativ

zur ersten Hälfte aus dem Griechischen, zur zweiten aus dem Lateinischen
genommen, desgleichen zur ersten Hälfte dem Deutschen entstammend:
Selbstrelativ und Anderrelativ
Eigenrelativ " Fremdrelativ.

Auch schlug mir ein Kollege vor, für Relativ "Beziehnis(s)" zu sagen.

Ich habe mich nach sorgfältiger Erwägung keinem dieser Vorschläge
anzubequemen vermocht. Dem letzten nicht, weil für die Wissenschaft
zur Deckung ihres Neubedarfs an Wörtern internationale Ausdrücke aus
toten, den klassischen Sprachen weitaus den Vorzug verdienen. Der Aus-
druck "Anderrelativ" gibt zu unangenehmen Anklängen Veranlassung, wenn
neben den Anderrelativen von andern Relativen oder gar von andern
Anderrelativen gesprochen werden muss. Die übrigen Ausdrücke erscheinen
weniger zutreffend, decken wol den Begriff minder genau.

Obwol nun also "Selbstrelativ" den erwähnten internationalen Rück-
sichten nicht ganz gerecht wird, will ich es beibehalten, den romanischen
Kulturvölkern es überlassend, sich ein Wort nach ihrem Geschmacke dafür
zu bilden; jenes erscheint mir als das beste und bezeichnendste wenigstens
für die germanische Sprachengruppe mit Einschluss der englischen Sprache.

In unsrer Tafel 12 stehen die individuellen Selbstrelative A : A,
B : B, etc. alle auf einer geraden Linie, welche von links oben nach
rechts unten diese Tafel mitten durchschneidet, und -- gemäss einer in
der Lehre von den Determinanten und den Matrices geläufigen Übung --
als die "Hauptdiagonale" der Tafel bezeichnet wird. Unter der Haupt-
diagonale von 12 verstehen wir also -- analytisch gefasst, wenn man es
unabhängig von geometrischen Veranschaulichungen, die eine bestimmte

Erste Vorlesung.
Reihen“ von Elementepaaren als parallele oder zu einander normale,
sowie als horizontale oder vertikale.

Fasst man die individuellen Elementepaare unsres Denkbereiches 12
in’s Auge, so wahrnimmt man solche von zweierlei Art, je nachdem
in i : j das i = j oder aber ij ist.

Im ersten Falle haben wir ein Elementepaar von der Form i : i.
Ein solches soll ein individuelles (binäres) „Selbstrelativ“ genannt
werden.

Falls dagegen ij ist, so heisse i : j ein individuelles (binäres)
Aliorelativ“.

Ich übersetze hiemit einfach die von Peirce gegebnen Namen „self-
relative“ und „aliorelative“.

Es kann anstössig gefunden werden, dass „self-“ oder „Selbst-“ nicht,
wie die andern zur Zusammensetzung dieser Namen benutzten Wörter,
aus dem Lateinischen stammt. Wenn man nicht „Ipsirelativ“ sagen will,
so könnte man auch „Idemrelativ“ für unser „Selbstrelativ“ nehmen. Andre
Möglichkeiten wären die, zu sagen:
Autorelativ und Heterorelativ,
oder Idio(Homo-?)relativ „ Allorelativ

zur ersten Hälfte aus dem Griechischen, zur zweiten aus dem Lateinischen
genommen, desgleichen zur ersten Hälfte dem Deutschen entstammend:
Selbstrelativ und Anderrelativ
Eigenrelativ „ Fremdrelativ.

Auch schlug mir ein Kollege vor, für Relativ „Beziehnis(s)“ zu sagen.

Ich habe mich nach sorgfältiger Erwägung keinem dieser Vorschläge
anzubequemen vermocht. Dem letzten nicht, weil für die Wissenschaft
zur Deckung ihres Neubedarfs an Wörtern internationale Ausdrücke aus
toten, den klassischen Sprachen weitaus den Vorzug verdienen. Der Aus-
druck „Anderrelativ“ gibt zu unangenehmen Anklängen Veranlassung, wenn
neben den Anderrelativen von andern Relativen oder gar von andern
Anderrelativen gesprochen werden muss. Die übrigen Ausdrücke erscheinen
weniger zutreffend, decken wol den Begriff minder genau.

Obwol nun also „Selbstrelativ“ den erwähnten internationalen Rück-
sichten nicht ganz gerecht wird, will ich es beibehalten, den romanischen
Kulturvölkern es überlassend, sich ein Wort nach ihrem Geschmacke dafür
zu bilden; jenes erscheint mir als das beste und bezeichnendste wenigstens
für die germanische Sprachengruppe mit Einschluss der englischen Sprache.

In unsrer Tafel 12 stehen die individuellen Selbstrelative A : A,
B : B, etc. alle auf einer geraden Linie, welche von links oben nach
rechts unten diese Tafel mitten durchschneidet, und — gemäss einer in
der Lehre von den Determinanten und den Matrices geläufigen Übung —
als dieHauptdiagonale“ der Tafel bezeichnet wird. Unter der Haupt-
diagonale von 12 verstehen wir also — analytisch gefasst, wenn man es
unabhängig von geometrischen Veranschaulichungen, die eine bestimmte

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[12/0026] Erste Vorlesung. „Reihen“ von Elementepaaren als parallele oder zu einander normale, sowie als horizontale oder vertikale. Fasst man die individuellen Elementepaare unsres Denkbereiches 12 in’s Auge, so wahrnimmt man solche von zweierlei Art, je nachdem in i : j das i = j oder aber i ≠ j ist. Im ersten Falle haben wir ein Elementepaar von der Form i : i. Ein solches soll ein individuelles (binäres) „Selbstrelativ“ genannt werden. Falls dagegen i ≠ j ist, so heisse i : j ein individuelles (binäres) „Aliorelativ“. Ich übersetze hiemit einfach die von Peirce gegebnen Namen „self- relative“ und „aliorelative“. Es kann anstössig gefunden werden, dass „self-“ oder „Selbst-“ nicht, wie die andern zur Zusammensetzung dieser Namen benutzten Wörter, aus dem Lateinischen stammt. Wenn man nicht „Ipsirelativ“ sagen will, so könnte man auch „Idemrelativ“ für unser „Selbstrelativ“ nehmen. Andre Möglichkeiten wären die, zu sagen: Autorelativ und Heterorelativ, oder Idio(Homo-?)relativ „ Allorelativ zur ersten Hälfte aus dem Griechischen, zur zweiten aus dem Lateinischen genommen, desgleichen zur ersten Hälfte dem Deutschen entstammend: Selbstrelativ und Anderrelativ Eigenrelativ „ Fremdrelativ. Auch schlug mir ein Kollege vor, für Relativ „Beziehnis(s)“ zu sagen. Ich habe mich nach sorgfältiger Erwägung keinem dieser Vorschläge anzubequemen vermocht. Dem letzten nicht, weil für die Wissenschaft zur Deckung ihres Neubedarfs an Wörtern internationale Ausdrücke aus toten, den klassischen Sprachen weitaus den Vorzug verdienen. Der Aus- druck „Anderrelativ“ gibt zu unangenehmen Anklängen Veranlassung, wenn neben den Anderrelativen von andern Relativen oder gar von andern Anderrelativen gesprochen werden muss. Die übrigen Ausdrücke erscheinen weniger zutreffend, decken wol den Begriff minder genau. Obwol nun also „Selbstrelativ“ den erwähnten internationalen Rück- sichten nicht ganz gerecht wird, will ich es beibehalten, den romanischen Kulturvölkern es überlassend, sich ein Wort nach ihrem Geschmacke dafür zu bilden; jenes erscheint mir als das beste und bezeichnendste wenigstens für die germanische Sprachengruppe mit Einschluss der englischen Sprache. In unsrer Tafel 12 stehen die individuellen Selbstrelative A : A, B : B, etc. alle auf einer geraden Linie, welche von links oben nach rechts unten diese Tafel mitten durchschneidet, und — gemäss einer in der Lehre von den Determinanten und den Matrices geläufigen Übung — als die „Hauptdiagonale“ der Tafel bezeichnet wird. Unter der Haupt- diagonale von 12 verstehen wir also — analytisch gefasst, wenn man es unabhängig von geometrischen Veranschaulichungen, die eine bestimmte

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/26>, abgerufen am 29.03.2024.