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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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Fünfzehnte Vorlesung.
willen geschehen. Es soll in das Verständniss jener Formelsprache,
die vor der Wortsprache eben gewisse Vorzüge besitzt, den Studiren-
den praktisch einführen, soll eine gewisse Übung und Geläufigkeit im
Gebrauche dieser Zeichensprache anbahnen, die für die Formulirung
und Bewältigung späterer schwierigerer Probleme wertvoll oder uner-
lässlich ist.

Wir werden uns hiernächst enthalten, Aussagen etwa auch durch
Buchstaben darzustellen. Wo immer eine Aussage mit ihrer Gültig-
keitsdauer in Rechnung zu setzen ist, soll dieselbe mit Subjekt, Kopula
und Prädikat vollinhaltlich angegeben, "spezifizirt" in eine Klammer
geschrieben werden. Dergleichen in die sekundären Formeln ein-
gehende primäre Aussagen, welche somit als linke oder rechte Seite
einer Subsumtion oder Gleichung, oder ebendarin als Faktor, Summand,
vielleicht als Negand auch, auftreten, müssen demnach in diesen For-
meln jeweils ausgelegt, interpretirt werden als ihre "Gültigkeitsdauern"
oder "Klassen der Gelegenheiten ihrer berechtigten Anwendung".

Die Ewigkeit i, oder Gesamtklasse aller Gelegenheiten zu Aus-
sagen, werden wir von der Tafelfläche 1, wie ausgemacht, durch den
Tupfen unterscheiden.

Letztere 1 indess würde auch durch die erstere i sich durchweg er-
setzen lassen und durch sie wirklich zu ersetzen sein, falls man etwa die
Gebietsymbole a, b, c, x ... ebenfalls als Aussagen deuten, den reinen
Aussagenkalkul
also (als eine spezielle Anwendung des Gebietekalkuls) in
sich selbst
ausdrücken wollte.

Unsre primären Aussagen würden dann schon als sekundäre, unsre
sekundären als tertiäre zu bezeichnen sein.

Solches zu thun ist jederzeit erlaubt. Es hiesse das aber von einer sehr
viel allgemeineren Theorie nur einen ganz speziellen Unterfall hervorhebend
darstellen -- wie wir in den nächsten Paragraphen genauer darlegen werden.

Zur exakten Wiedergabe einiger Theoreme werden wir noch eines
Paares von neuen Zeichen bedürfen, die wir der Mathematik (zum,
wie sich im nächsten Paragraphen zeigt, vollkommen analogen Ge-
brauche) entlehnen, nämlich des "Summenzeichens" S (Sigma) und des
"Produktenzeichens" P (Pi).

Um nämlich auszudrücken, dass eine auf ein Gebiet x bezügliche
Aussage für jedes Gebiet x (aus unsrer Mannigfaltigkeit 1) gelte oder
gelten solle, werden wir das Zeichen [Formel 1] (gesprochen: Pi nach x von ...)
vor dieselbe setzen, und den entstehenden Ausdruck auch das Produkt,
genommen nach x, von der dahinterstehenden Aussage nennen.

Wenn mehreres, ein längerer oder komplizirter Ausdruck hinter dem
Zeichen steht, so frägt es sich, bis wohin die fragliche Aussage gehe, wo

Fünfzehnte Vorlesung.
willen geschehen. Es soll in das Verständniss jener Formelsprache,
die vor der Wortsprache eben gewisse Vorzüge besitzt, den Studiren-
den praktisch einführen, soll eine gewisse Übung und Geläufigkeit im
Gebrauche dieser Zeichensprache anbahnen, die für die Formulirung
und Bewältigung späterer schwierigerer Probleme wertvoll oder uner-
lässlich ist.

Wir werden uns hiernächst enthalten, Aussagen etwa auch durch
Buchstaben darzustellen. Wo immer eine Aussage mit ihrer Gültig-
keitsdauer in Rechnung zu setzen ist, soll dieselbe mit Subjekt, Kopula
und Prädikat vollinhaltlich angegeben, „spezifizirt“ in eine Klammer
geschrieben werden. Dergleichen in die sekundären Formeln ein-
gehende primäre Aussagen, welche somit als linke oder rechte Seite
einer Subsumtion oder Gleichung, oder ebendarin als Faktor, Summand,
vielleicht als Negand auch, auftreten, müssen demnach in diesen For-
meln jeweils ausgelegt, interpretirt werden als ihre „Gültigkeitsdauern“
oder „Klassen der Gelegenheiten ihrer berechtigten Anwendung“.

Die Ewigkeit i, oder Gesamtklasse aller Gelegenheiten zu Aus-
sagen, werden wir von der Tafelfläche 1, wie ausgemacht, durch den
Tupfen unterscheiden.

Letztere 1 indess würde auch durch die erstere i sich durchweg er-
setzen lassen und durch sie wirklich zu ersetzen sein, falls man etwa die
Gebietsymbole a, b, c, x … ebenfalls als Aussagen deuten, den reinen
Aussagenkalkul
also (als eine spezielle Anwendung des Gebietekalkuls) in
sich selbst
ausdrücken wollte.

Unsre primären Aussagen würden dann schon als sekundäre, unsre
sekundären als tertiäre zu bezeichnen sein.

Solches zu thun ist jederzeit erlaubt. Es hiesse das aber von einer sehr
viel allgemeineren Theorie nur einen ganz speziellen Unterfall hervorhebend
darstellen — wie wir in den nächsten Paragraphen genauer darlegen werden.

Zur exakten Wiedergabe einiger Theoreme werden wir noch eines
Paares von neuen Zeichen bedürfen, die wir der Mathematik (zum,
wie sich im nächsten Paragraphen zeigt, vollkommen analogen Ge-
brauche) entlehnen, nämlich des „SummenzeichensΣ (Sigma) und des
ProduktenzeichensΠ (Pi).

Um nämlich auszudrücken, dass eine auf ein Gebiet x bezügliche
Aussage für jedes Gebiet x (aus unsrer Mannigfaltigkeit 1) gelte oder
gelten solle, werden wir das Zeichen [Formel 1] (gesprochen: Pi nach x von …)
vor dieselbe setzen, und den entstehenden Ausdruck auch das Produkt,
genommen nach x, von der dahinterstehenden Aussage nennen.

Wenn mehreres, ein längerer oder komplizirter Ausdruck hinter dem
Zeichen steht, so frägt es sich, bis wohin die fragliche Aussage gehe, wo

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[26/0050] Fünfzehnte Vorlesung. willen geschehen. Es soll in das Verständniss jener Formelsprache, die vor der Wortsprache eben gewisse Vorzüge besitzt, den Studiren- den praktisch einführen, soll eine gewisse Übung und Geläufigkeit im Gebrauche dieser Zeichensprache anbahnen, die für die Formulirung und Bewältigung späterer schwierigerer Probleme wertvoll oder uner- lässlich ist. Wir werden uns hiernächst enthalten, Aussagen etwa auch durch Buchstaben darzustellen. Wo immer eine Aussage mit ihrer Gültig- keitsdauer in Rechnung zu setzen ist, soll dieselbe mit Subjekt, Kopula und Prädikat vollinhaltlich angegeben, „spezifizirt“ in eine Klammer geschrieben werden. Dergleichen in die sekundären Formeln ein- gehende primäre Aussagen, welche somit als linke oder rechte Seite einer Subsumtion oder Gleichung, oder ebendarin als Faktor, Summand, vielleicht als Negand auch, auftreten, müssen demnach in diesen For- meln jeweils ausgelegt, interpretirt werden als ihre „Gültigkeitsdauern“ oder „Klassen der Gelegenheiten ihrer berechtigten Anwendung“. Die Ewigkeit i, oder Gesamtklasse aller Gelegenheiten zu Aus- sagen, werden wir von der Tafelfläche 1, wie ausgemacht, durch den Tupfen unterscheiden. Letztere 1 indess würde auch durch die erstere i sich durchweg er- setzen lassen und durch sie wirklich zu ersetzen sein, falls man etwa die Gebietsymbole a, b, c, x … ebenfalls als Aussagen deuten, den reinen Aussagenkalkul also (als eine spezielle Anwendung des Gebietekalkuls) in sich selbst ausdrücken wollte. Unsre primären Aussagen würden dann schon als sekundäre, unsre sekundären als tertiäre zu bezeichnen sein. Solches zu thun ist jederzeit erlaubt. Es hiesse das aber von einer sehr viel allgemeineren Theorie nur einen ganz speziellen Unterfall hervorhebend darstellen — wie wir in den nächsten Paragraphen genauer darlegen werden. Zur exakten Wiedergabe einiger Theoreme werden wir noch eines Paares von neuen Zeichen bedürfen, die wir der Mathematik (zum, wie sich im nächsten Paragraphen zeigt, vollkommen analogen Ge- brauche) entlehnen, nämlich des „Summenzeichens“ Σ (Sigma) und des „Produktenzeichens“ Π (Pi). Um nämlich auszudrücken, dass eine auf ein Gebiet x bezügliche Aussage für jedes Gebiet x (aus unsrer Mannigfaltigkeit 1) gelte oder gelten solle, werden wir das Zeichen [FORMEL] (gesprochen: Pi nach x von …) vor dieselbe setzen, und den entstehenden Ausdruck auch das Produkt, genommen nach x, von der dahinterstehenden Aussage nennen. Wenn mehreres, ein längerer oder komplizirter Ausdruck hinter dem Zeichen steht, so frägt es sich, bis wohin die fragliche Aussage gehe, wo

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/50>, abgerufen am 18.04.2024.