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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891.

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§ 28. Taxirung von Aussagen nach der Gültigkeitsdauer.
lichen Aussagen. Denselben kommt zumeist eine von 0 und i ver-
schiedene "Gültigkeitsdauer" zu (sofern von einer solchen überhaupt
sich reden lassen wird), eine Gültigkeitsdauer, die nur eben ein ge-
wisses Gebiet von Zeitpunkten ausmacht. Ein einfaches Beispiel mag
dies verdeutlichen.

Stellen wir uns eine Person, einen "idealen Meteorologen" (!) vor,
der Tag und Nacht am selben Fleck unter freiem Himmel stehend
beständig ausruft und wiederholt: "Es regnet" (sc. soeben hier am
Platze), Es regnet, es regnet. So wird die Aussage wahr sein, so-
bald und solange wirklich Regentropfen auf dieses Individuum fallen,
und unwahr, sobald dies nicht der Fall ist. Die (auf gedachten Ort
bezogene) Aussage hat daher eine bestimmte Gültigkeitsdauer, welche
sich zusammensetzt aus den verschiedenen getrennten Zeiträumen, in
welchen wirklich Regenschauer sich über den Ort ergiessen (ergossen
haben und ergiessen werden).

Die Begriffe, Benennungen und Bezeichnungen des Aussagenkal-
kuls -- ein Stück weit, aber nicht durchaus: auch die Prinzipien des-
selben -- werden sich auch anwendbar erweisen auf die im geschil-
derten Sinne variablen Aussagen (die Aussagen variablen Sinnes bei
blos konstanter Form). Da einer solchen Aussage irgend welche Gültig-
keitsdauer (die i oder 0 nicht ausgeschlossen) zukommen kann, so er-
ledigen wir vorweg das Allgemeinere, wenn wir die ferneren Betrachtungen
jetzt an derlei Aussagen anknüpfen.

Zudem aber ordnen diesen variabelsinnigen Aussagen auch die-
jenigen konstanten Sinnes sich wirklich unter, indem z. B. die obigen
Aussagen a und b auch ihre Gültigkeitsdauern i und 0 behalten müssten,
wenn man das Präsens ihrer Kopula, anstatt wie oben als aoristisches,
nunmehr als gewöhnliches oder historisches auslegte, a nämlich deutete
als das Urteil: "2 x 2 ist soeben = 4" und b als: "2 x 2 ist soeben 5".

Eine Subsumtion:
[Formel 1] angesetzt zwischen irgend zwei Aussagen, wird hienach bedeuten: Die
Zeit, während welcher die Aussage a wahr ist, sei ganz enthalten in
der Zeit, während welcher die Aussage b wahr ist, d. h. immer, wann
(whenever, solange, sooft, sobald, falls) a gilt, gilt auch b. Kürzer
werden wir hiefür oft sagen: "Wenn a gilt, so gilt b"; "a bedingt b",
zieht es nach sich; "aus a folgt b". Ausdrücklich muss jedoch bemerkt
werden, dass der Zusammenhang zwischen den Gültigkeiten von a und
b damit durchaus nicht hingestellt werden soll als ein logischer oder
denknotwendiger, auch nicht als ein kausaler, oder dergleichen. Die

§ 28. Taxirung von Aussagen nach der Gültigkeitsdauer.
lichen Aussagen. Denselben kommt zumeist eine von 0 und i ver-
schiedene „Gültigkeitsdauer“ zu (sofern von einer solchen überhaupt
sich reden lassen wird), eine Gültigkeitsdauer, die nur eben ein ge-
wisses Gebiet von Zeitpunkten ausmacht. Ein einfaches Beispiel mag
dies verdeutlichen.

Stellen wir uns eine Person, einen „idealen Meteorologen“ (!) vor,
der Tag und Nacht am selben Fleck unter freiem Himmel stehend
beständig ausruft und wiederholt: „Es regnet“ (sc. soeben hier am
Platze), Es regnet, es regnet. So wird die Aussage wahr sein, so-
bald und solange wirklich Regentropfen auf dieses Individuum fallen,
und unwahr, sobald dies nicht der Fall ist. Die (auf gedachten Ort
bezogene) Aussage hat daher eine bestimmte Gültigkeitsdauer, welche
sich zusammensetzt aus den verschiedenen getrennten Zeiträumen, in
welchen wirklich Regenschauer sich über den Ort ergiessen (ergossen
haben und ergiessen werden).

Die Begriffe, Benennungen und Bezeichnungen des Aussagenkal-
kuls — ein Stück weit, aber nicht durchaus: auch die Prinzipien des-
selben — werden sich auch anwendbar erweisen auf die im geschil-
derten Sinne variablen Aussagen (die Aussagen variablen Sinnes bei
blos konstanter Form). Da einer solchen Aussage irgend welche Gültig-
keitsdauer (die i oder 0 nicht ausgeschlossen) zukommen kann, so er-
ledigen wir vorweg das Allgemeinere, wenn wir die ferneren Betrachtungen
jetzt an derlei Aussagen anknüpfen.

Zudem aber ordnen diesen variabelsinnigen Aussagen auch die-
jenigen konstanten Sinnes sich wirklich unter, indem z. B. die obigen
Aussagen a und b auch ihre Gültigkeitsdauern i und 0 behalten müssten,
wenn man das Präsens ihrer Kopula, anstatt wie oben als aoristisches,
nunmehr als gewöhnliches oder historisches auslegte, a nämlich deutete
als das Urteil: „2 × 2 ist soeben = 4“ und b als: „2 × 2 ist soeben 5“.

Eine Subsumtion:
[Formel 1] angesetzt zwischen irgend zwei Aussagen, wird hienach bedeuten: Die
Zeit, während welcher die Aussage a wahr ist, sei ganz enthalten in
der Zeit, während welcher die Aussage b wahr ist, d. h. immer, wann
(whenever, solange, sooft, sobald, falls) a gilt, gilt auch b. Kürzer
werden wir hiefür oft sagen: „Wenn a gilt, so gilt b“; „a bedingt b“,
zieht es nach sich; „aus a folgt b“. Ausdrücklich muss jedoch bemerkt
werden, dass der Zusammenhang zwischen den Gültigkeiten von a und
b damit durchaus nicht hingestellt werden soll als ein logischer oder
denknotwendiger, auch nicht als ein kausaler, oder dergleichen. Die

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 2, Abt. 1. Leipzig, 1891, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik0201_1891/37>, abgerufen am 19.04.2024.