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Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Was können ihre Tücken uns am Ende schaden? -- Uns nicht, aber dem armen Gretchen! Ich bleibe dabei: Sie sollten die Mamsell auf Ihr Gut schicken; da wäre sie auf einmal geborgen. -- So! Höre, Paul, du hast doch Gretchen nicht von deinem Projecte vorgegeplaudert? -- Bewahre, Sie weiß kaum, glaub' ich, daß wir ein Gut haben. -- Desto besser! sagt' ich, ihm lächelnd auf die Schulter klopfend. Adieu, alter Projektmacher!

11.

Ich trieb mich eine halbe Stunde in der Stadt herum. Als ich wieder zu meinem Hause zurückkam, sah ich den Baron S** im Thore stehen, einen alten Wüstling, der mir zuweilen die Ehre erweis't, mich seinen lieben Freund zu nennen. -- Eh, lieber Freund! rief er mich an, da er mich auf die Treppe zugehen sah, sind Sie in dem Hause bekannt? -- So ziemlich. Was steht zu Diensten, Herr Baron? -- Sagen Sie mir, liebster Freund, erwiderte er mit einem vertraulichen Lächeln, kennen Sie das wunderhübsche Mädchen, das hier im Hause wohnt? Sie ist, wie ich höre, erst vor ein paar Tagen angekommen und soll einem alten Grillenfänger Gesellschaft leisten, der vermuthlich gar nicht weiß, was er an ihr hat. -- Wie sieht das Mädchen ungefähr aus? fragte ich, an mich haltend. -- Er beschrieb mir Gretchen ganz genau. -- Und wo haben Sie das Wunder-

Was können ihre Tücken uns am Ende schaden? — Uns nicht, aber dem armen Gretchen! Ich bleibe dabei: Sie sollten die Mamsell auf Ihr Gut schicken; da wäre sie auf einmal geborgen. — So! Höre, Paul, du hast doch Gretchen nicht von deinem Projecte vorgegeplaudert? — Bewahre, Sie weiß kaum, glaub' ich, daß wir ein Gut haben. — Desto besser! sagt' ich, ihm lächelnd auf die Schulter klopfend. Adieu, alter Projektmacher!

11.

Ich trieb mich eine halbe Stunde in der Stadt herum. Als ich wieder zu meinem Hause zurückkam, sah ich den Baron S** im Thore stehen, einen alten Wüstling, der mir zuweilen die Ehre erweis't, mich seinen lieben Freund zu nennen. — Eh, lieber Freund! rief er mich an, da er mich auf die Treppe zugehen sah, sind Sie in dem Hause bekannt? — So ziemlich. Was steht zu Diensten, Herr Baron? — Sagen Sie mir, liebster Freund, erwiderte er mit einem vertraulichen Lächeln, kennen Sie das wunderhübsche Mädchen, das hier im Hause wohnt? Sie ist, wie ich höre, erst vor ein paar Tagen angekommen und soll einem alten Grillenfänger Gesellschaft leisten, der vermuthlich gar nicht weiß, was er an ihr hat. — Wie sieht das Mädchen ungefähr aus? fragte ich, an mich haltend. — Er beschrieb mir Gretchen ganz genau. — Und wo haben Sie das Wunder-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/50>, abgerufen am 29.03.2024.