Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

bezeichnete. Als ich durch das Gebüsch gedrungen war, sah ich das Mädchen mit den zwei Buben ringen. Meinen Knotenstock in der Faust, stürzte ich auf die Elenden los. Sie wurden mich nicht gewahr, bis meine wiederholten Streiche sie aus ihrer brutalen Zerstreuung aufweckten. Die Schurken waren im Begriff, sich zur Wehre zu setzen, als ich sie plötzlich, von einem panischen Schrecken überfallen, entfliehen sah. Paul, mit meinen Pistolen bewaffnet, und der Postillon waren mir zur Seite; drohend und lärmend setzten sie den Flüchtigen nach. Das Mädchen, jetzt erst seiner Rettung gewiß, warf sich in heftiger Bewegung an meinen Hals. Wie aufgelös't von Angst und Freude, lag sie einen Augenblick in meinen Armen; aber schnell schien sie sich zu besinnen, und indem sie, über und über erröthend, sich aus meiner Umarmung wand, drückte sie meine Hand an ihre glühenden Lippen.

Paul und der Postillon kamen lachend auf uns zu. Sie hatten die Flüchtlinge nicht erreichen können und mußten sich begnügen, sie waldeinwärts verjagt zu haben. Das Mädchen ward nun erst ihren zerstörten Anzug gewahr; verschämt entfernte sie sich von uns, um ihn ein wenig zu ordnen und ihren zerstreuten Bündel zu suchen, der etwa fünfzig Schritte zurück am Wege lag. Paul sah ihr mit innigem Vergnügen nach, und der Postillon, dessen glotzende Augen der schlanken Gestalt gleichfalls nachstarrten, murmelte schmunzelnd: Blitz! 's ist eine hübsche Dirne! -- Ich dächte, Herr, sagte Paul, wir

bezeichnete. Als ich durch das Gebüsch gedrungen war, sah ich das Mädchen mit den zwei Buben ringen. Meinen Knotenstock in der Faust, stürzte ich auf die Elenden los. Sie wurden mich nicht gewahr, bis meine wiederholten Streiche sie aus ihrer brutalen Zerstreuung aufweckten. Die Schurken waren im Begriff, sich zur Wehre zu setzen, als ich sie plötzlich, von einem panischen Schrecken überfallen, entfliehen sah. Paul, mit meinen Pistolen bewaffnet, und der Postillon waren mir zur Seite; drohend und lärmend setzten sie den Flüchtigen nach. Das Mädchen, jetzt erst seiner Rettung gewiß, warf sich in heftiger Bewegung an meinen Hals. Wie aufgelös't von Angst und Freude, lag sie einen Augenblick in meinen Armen; aber schnell schien sie sich zu besinnen, und indem sie, über und über erröthend, sich aus meiner Umarmung wand, drückte sie meine Hand an ihre glühenden Lippen.

Paul und der Postillon kamen lachend auf uns zu. Sie hatten die Flüchtlinge nicht erreichen können und mußten sich begnügen, sie waldeinwärts verjagt zu haben. Das Mädchen ward nun erst ihren zerstörten Anzug gewahr; verschämt entfernte sie sich von uns, um ihn ein wenig zu ordnen und ihren zerstreuten Bündel zu suchen, der etwa fünfzig Schritte zurück am Wege lag. Paul sah ihr mit innigem Vergnügen nach, und der Postillon, dessen glotzende Augen der schlanken Gestalt gleichfalls nachstarrten, murmelte schmunzelnd: Blitz! 's ist eine hübsche Dirne! — Ich dächte, Herr, sagte Paul, wir

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0011"/>
bezeichnete. Als ich durch das Gebüsch                gedrungen war, sah ich das Mädchen mit den zwei Buben ringen. Meinen Knotenstock in                der Faust, stürzte ich auf die Elenden los. Sie wurden mich nicht gewahr, bis meine                wiederholten Streiche sie aus ihrer brutalen Zerstreuung aufweckten. Die Schurken                waren im Begriff, sich zur Wehre zu setzen, als ich sie plötzlich, von einem                panischen Schrecken überfallen, entfliehen sah. Paul, mit meinen Pistolen bewaffnet,                und der Postillon waren mir zur Seite; drohend und lärmend setzten sie den Flüchtigen                nach. Das Mädchen, jetzt erst seiner Rettung gewiß, warf sich in heftiger Bewegung an                meinen Hals. Wie aufgelös't von Angst und Freude, lag sie einen Augenblick in meinen                Armen; aber schnell schien sie sich zu besinnen, und indem sie, über und über                erröthend, sich aus meiner Umarmung wand, drückte sie meine Hand an ihre glühenden                Lippen.</p><lb/>
        <p>Paul und der Postillon kamen lachend auf uns zu. Sie hatten die Flüchtlinge nicht                erreichen können und mußten sich begnügen, sie waldeinwärts verjagt zu haben. Das                Mädchen ward nun erst ihren zerstörten Anzug gewahr; verschämt entfernte sie sich von                uns, um ihn ein wenig zu ordnen und ihren zerstreuten Bündel zu suchen, der etwa                fünfzig Schritte zurück am Wege lag. Paul sah ihr mit innigem Vergnügen nach, und der                Postillon, dessen glotzende Augen der schlanken Gestalt gleichfalls nachstarrten,                murmelte schmunzelnd: Blitz! 's ist eine hübsche Dirne! &#x2014; Ich dächte, Herr, sagte                Paul, wir<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0011] bezeichnete. Als ich durch das Gebüsch gedrungen war, sah ich das Mädchen mit den zwei Buben ringen. Meinen Knotenstock in der Faust, stürzte ich auf die Elenden los. Sie wurden mich nicht gewahr, bis meine wiederholten Streiche sie aus ihrer brutalen Zerstreuung aufweckten. Die Schurken waren im Begriff, sich zur Wehre zu setzen, als ich sie plötzlich, von einem panischen Schrecken überfallen, entfliehen sah. Paul, mit meinen Pistolen bewaffnet, und der Postillon waren mir zur Seite; drohend und lärmend setzten sie den Flüchtigen nach. Das Mädchen, jetzt erst seiner Rettung gewiß, warf sich in heftiger Bewegung an meinen Hals. Wie aufgelös't von Angst und Freude, lag sie einen Augenblick in meinen Armen; aber schnell schien sie sich zu besinnen, und indem sie, über und über erröthend, sich aus meiner Umarmung wand, drückte sie meine Hand an ihre glühenden Lippen. Paul und der Postillon kamen lachend auf uns zu. Sie hatten die Flüchtlinge nicht erreichen können und mußten sich begnügen, sie waldeinwärts verjagt zu haben. Das Mädchen ward nun erst ihren zerstörten Anzug gewahr; verschämt entfernte sie sich von uns, um ihn ein wenig zu ordnen und ihren zerstreuten Bündel zu suchen, der etwa fünfzig Schritte zurück am Wege lag. Paul sah ihr mit innigem Vergnügen nach, und der Postillon, dessen glotzende Augen der schlanken Gestalt gleichfalls nachstarrten, murmelte schmunzelnd: Blitz! 's ist eine hübsche Dirne! — Ich dächte, Herr, sagte Paul, wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:30:04Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/11
Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/11>, abgerufen am 19.04.2024.