Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schreiner, Olive (Übers. Helene Lobedan): Peter Halket im Mashonalande. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Menschen? Sie sind Thoren - alle Thoren! Mögen sie verderben!' so erzähle ihm diese Geschichte:

,Einst war ein kleiner Bach, der unter dem Schnee auf einem Berggipfel entsprang; so rein und blau wie der Himmel über ihm floß er anfangs zwischen dem fleckenlosen Schnee dahin. Doch als dieser zu Ende war, mußte der Bach zwischen zwei Wegen wählen: der eine führte an der Berglehne entlang, zwischen Steinen und Felsblöcken über sonnige Halden zum Meer, der andere Weg führte durch einen Abgrund. Das Bächlein zögerte erst, wand sich hierhin und dorthin. Vielleicht konnte es sich zwischen den Steinen mühsam auf der Berglehne herab einen Weg bahnen, wo noch keiner gewesen war. Dann würden sich die Ufer begrünt haben; Blumen wären entsprossen, die Vögel hätten ihre Nester gebaut und frohlockend im Sonnenschein wäre das Bächlein dem Meere zugeeilt, das alle Wasser zu sich ruft.

Aber der Weg wäre erst schwierig zwischen den Steinen gewesen und es wollte schneller vorwärts kommen; da wählte es den zweiten Weg und sprang mit einem Satz in den Abgrund und lag nun neunhundert Faden tief als dunkler Teich da. Kein Sonnenstrahl oder Sternenlicht konnte in die tiefe Felskluft hineinscheinen. Doch da es lebendig war, konnte es nicht ruhen, sondern sickerte durch die lockere Erde und das Geröll, bis es in ein tiefes von hohen

Menschen? Sie sind Thoren – alle Thoren! Mögen sie verderben!‘ so erzähle ihm diese Geschichte:

‚Einst war ein kleiner Bach, der unter dem Schnee auf einem Berggipfel entsprang; so rein und blau wie der Himmel über ihm floß er anfangs zwischen dem fleckenlosen Schnee dahin. Doch als dieser zu Ende war, mußte der Bach zwischen zwei Wegen wählen: der eine führte an der Berglehne entlang, zwischen Steinen und Felsblöcken über sonnige Halden zum Meer, der andere Weg führte durch einen Abgrund. Das Bächlein zögerte erst, wand sich hierhin und dorthin. Vielleicht konnte es sich zwischen den Steinen mühsam auf der Berglehne herab einen Weg bahnen, wo noch keiner gewesen war. Dann würden sich die Ufer begrünt haben; Blumen wären entsprossen, die Vögel hätten ihre Nester gebaut und frohlockend im Sonnenschein wäre das Bächlein dem Meere zugeeilt, das alle Wasser zu sich ruft.

Aber der Weg wäre erst schwierig zwischen den Steinen gewesen und es wollte schneller vorwärts kommen; da wählte es den zweiten Weg und sprang mit einem Satz in den Abgrund und lag nun neunhundert Faden tief als dunkler Teich da. Kein Sonnenstrahl oder Sternenlicht konnte in die tiefe Felskluft hineinscheinen. Doch da es lebendig war, konnte es nicht ruhen, sondern sickerte durch die lockere Erde und das Geröll, bis es in ein tiefes von hohen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0079" n="79"/>
Menschen? Sie sind Thoren &#x2013; alle Thoren! Mögen sie verderben!&#x2018; so erzähle ihm diese Geschichte:</p>
        <p>&#x201A;Einst war ein kleiner Bach, der unter dem Schnee auf einem Berggipfel entsprang; so rein und blau wie der Himmel über ihm floß er anfangs zwischen dem fleckenlosen Schnee dahin. Doch als dieser zu Ende war, mußte der Bach zwischen zwei Wegen wählen: der eine führte an der Berglehne entlang, zwischen Steinen und Felsblöcken über sonnige Halden zum Meer, der andere Weg führte durch einen Abgrund. Das Bächlein zögerte erst, wand sich hierhin und dorthin. Vielleicht konnte es sich zwischen den Steinen mühsam auf der Berglehne herab einen Weg bahnen, wo noch keiner gewesen war. Dann würden sich die Ufer begrünt haben; Blumen wären entsprossen, die Vögel hätten ihre Nester gebaut und frohlockend im Sonnenschein wäre das Bächlein dem Meere zugeeilt, das alle Wasser zu sich ruft.</p>
        <p>Aber der Weg wäre erst schwierig zwischen den Steinen gewesen und es wollte schneller vorwärts kommen; da wählte es den zweiten Weg und sprang mit einem Satz in den Abgrund und lag nun neunhundert Faden tief als dunkler Teich da. Kein Sonnenstrahl oder Sternenlicht konnte in die tiefe Felskluft hineinscheinen. Doch da es lebendig war, konnte es nicht ruhen, sondern sickerte durch die lockere Erde und das Geröll, bis es in ein tiefes von hohen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[79/0079] Menschen? Sie sind Thoren – alle Thoren! Mögen sie verderben!‘ so erzähle ihm diese Geschichte: ‚Einst war ein kleiner Bach, der unter dem Schnee auf einem Berggipfel entsprang; so rein und blau wie der Himmel über ihm floß er anfangs zwischen dem fleckenlosen Schnee dahin. Doch als dieser zu Ende war, mußte der Bach zwischen zwei Wegen wählen: der eine führte an der Berglehne entlang, zwischen Steinen und Felsblöcken über sonnige Halden zum Meer, der andere Weg führte durch einen Abgrund. Das Bächlein zögerte erst, wand sich hierhin und dorthin. Vielleicht konnte es sich zwischen den Steinen mühsam auf der Berglehne herab einen Weg bahnen, wo noch keiner gewesen war. Dann würden sich die Ufer begrünt haben; Blumen wären entsprossen, die Vögel hätten ihre Nester gebaut und frohlockend im Sonnenschein wäre das Bächlein dem Meere zugeeilt, das alle Wasser zu sich ruft. Aber der Weg wäre erst schwierig zwischen den Steinen gewesen und es wollte schneller vorwärts kommen; da wählte es den zweiten Weg und sprang mit einem Satz in den Abgrund und lag nun neunhundert Faden tief als dunkler Teich da. Kein Sonnenstrahl oder Sternenlicht konnte in die tiefe Felskluft hineinscheinen. Doch da es lebendig war, konnte es nicht ruhen, sondern sickerte durch die lockere Erde und das Geröll, bis es in ein tiefes von hohen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-21T10:10:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-21T10:10:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-21T10:10:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schreiner_halket_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schreiner_halket_1898/79
Zitationshilfe: Schreiner, Olive (Übers. Helene Lobedan): Peter Halket im Mashonalande. Berlin, 1898, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreiner_halket_1898/79>, abgerufen am 23.04.2024.