Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachdenkliche Beschreibung
nenden Hitze/ auch werde die grimmige Kälte wüten/
wird man hernach mit ergrausen vernehmen:

Die Seel nun des Menschen/ als ein geistliches
unsterbliches unvergängliches Wesen/ sol auch mit ewig-
wehrender grausamster Straffe unaufhörlich mit ergrif-
fen werden/ welche Bestraffung von den Gelahrten ge-
nennet wird paena damni, paena privativa, die gleichsam
innerliche durchbrennende Seelen-Straffe/ und diese e-
wigwehrende erschrökliche Seelen Straffe wird in Teut-
scher Sprache recht genant die Angst Qwaal oder das
Höllen Leid: Dann weil in der Seel zwei Hauptver-
mögen verhanden seyn/ als unser Verstand und Wille;
So wird der Verstand in dem Höllischen Zustande gar
wol verstehen/ was verlohren/ was verseumt/ was ver-
schertzet; und hergegen was erlanget/ was erworben/ wor-
in man begriffen: Nemlich das Allerselichst-An-
schauen des Angesichts Gottes
ist verlohren/ der
Gnaden-Weg zu dem herrlichsten süssestem Himmelreich
ist verseumet/ die glorwürdigste ewige Seligkeit ist ver-
schertzet: Und hergegen hat man das Traurig-grausam-
ste aller Teuffel und unsaubrer Geister und das elendeste
Qwaal Wesen in der Höllischen Glut
erlanget/ die
unendliche Pein/ Angst und Noht an Leib und Seel erwor-
ben/ und wie man numehr in der allerelendesten ewigen
Reuseligkeit
sei begriffen: Und solches verständiges
Nachdenken und gnugsame Begreiffung wird den
Menschlichen Verstand des Verdamten in die unauß-
sprechliche qweelende Angst versetzen/ und dieses heisset
wol recht die grausame immer zunehmende Angst-
Qwaal
der Seel/ da es aufs aller bitterlichste Leid
sey[n]
und schmertzen wird/ daß man dieses alles nicht ehen-
der und besser betrachtet hat/ und solches heisset das Höl-
len Leid:
Nicht weniger ist unser Wille das andere
Haupt-Vermögen der Seel/ welcher immer dem Ver-

stan-

Nachdenkliche Beſchreibung
nenden Hitze/ auch werde die grimmige Kaͤlte wuͤten/
wird man hernach mit ergrauſen vernehmen:

Die Seel nun des Menſchen/ als ein geiſtliches
unſterbliches unvergaͤngliches Weſen/ ſol auch mit ewig-
wehrender grauſamſter Straffe unaufhoͤrlich mit ergrif-
fen werden/ welche Beſtraffung von den Gelahrten ge-
nennet wird pæna damni, pæna privativa, die gleichſam
innerliche durchbrennende Seelen-Straffe/ und dieſe e-
wigwehrende erſchroͤkliche Seelen Straffe wird in Teut-
ſcher Sprache recht genant die Angſt Qwaal oder das
Hoͤllen Leid: Dann weil in der Seel zwei Hauptver-
moͤgen verhanden ſeyn/ als unſer Verſtand und Wille;
So wird der Verſtand in dem Hoͤlliſchen Zuſtande gar
wol verſtehen/ was verlohren/ was verſeumt/ was ver-
ſchertzet; und hergegen was erlanget/ was erworben/ wor-
in man begriffen: Nemlich das Allerſelichſt-An-
ſchauen des Angeſichts Gottes
iſt verlohren/ der
Gnaden-Weg zu dem herꝛlichſten ſuͤſſeſtem Himmelreich
iſt verſeumet/ die glorwuͤrdigſte ewige Seligkeit iſt ver-
ſchertzet: Und hergegen hat man das Traurig-grauſam-
ſte aller Teuffel und unſaubrer Geiſter und das elendeſte
Qwaal Weſen in der Hoͤlliſchen Glut
erlanget/ die
unendliche Pein/ Angſt uñ Noht an Leib und Seel erwor-
ben/ und wie man numehr in der allerelendeſten ewigen
Reuſeligkeit
ſei begriffen: Und ſolches verſtaͤndiges
Nachdenken und gnugſame Begreiffung wird den
Menſchlichen Verſtand des Verdamten in die unauß-
ſprechliche qweelende Angſt verſetzen/ und dieſes heiſſet
wol recht die grauſame immer zunehmende Angſt-
Qwaal
der Seel/ da es aufs aller bitterlichſte Leid
ſey[n]
und ſchmeꝛtzen wird/ daß man dieſes alles nicht ehen-
der und beſſer betrachtet hat/ und ſolches heiſſet das Hoͤl-
len Leid:
Nicht weniger iſt unſer Wille das andere
Haupt-Vermoͤgen der Seel/ welcher immer dem Ver-

ſtan-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0082" n="14"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nachdenkliche Be&#x017F;chreibung</hi></fw><lb/>
nenden <hi rendition="#fr">Hitze/</hi> auch werde die grimmige <hi rendition="#fr">Ka&#x0364;lte</hi> wu&#x0364;ten/<lb/>
wird man hernach mit ergrau&#x017F;en vernehmen:</p><lb/>
        <p>Die <hi rendition="#fr">Seel</hi> nun des Men&#x017F;chen/ als ein gei&#x017F;tliches<lb/>
un&#x017F;terbliches unverga&#x0364;ngliches We&#x017F;en/ &#x017F;ol auch mit ewig-<lb/>
wehrender grau&#x017F;am&#x017F;ter Straffe unaufho&#x0364;rlich mit ergrif-<lb/>
fen werden/ welche Be&#x017F;traffung von den Gelahrten ge-<lb/>
nennet wird <hi rendition="#aq">pæna damni, pæna privativa,</hi> die gleich&#x017F;am<lb/>
innerliche durchbrennende Seelen-Straffe/ und die&#x017F;e e-<lb/>
wigwehrende er&#x017F;chro&#x0364;kliche Seelen Straffe wird in Teut-<lb/>
&#x017F;cher Sprache recht genant die <hi rendition="#fr">Ang&#x017F;t Qwaal</hi> oder das<lb/><hi rendition="#fr">Ho&#x0364;llen Leid:</hi> Dann weil in der Seel zwei Hauptver-<lb/>
mo&#x0364;gen verhanden &#x017F;eyn/ als un&#x017F;er <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;tand</hi> und <hi rendition="#fr">Wille;</hi><lb/>
So wird der Ver&#x017F;tand in dem Ho&#x0364;lli&#x017F;chen Zu&#x017F;tande gar<lb/>
wol ver&#x017F;tehen/ was verlohren/ was ver&#x017F;eumt/ was ver-<lb/>
&#x017F;chertzet; und hergegen was erlanget/ was erworben/ wor-<lb/>
in man begriffen: Nemlich das <hi rendition="#fr">Aller&#x017F;elich&#x017F;t-An-<lb/>
&#x017F;chauen des Ange&#x017F;ichts Gottes</hi> i&#x017F;t verlohren/ der<lb/>
Gnaden-Weg zu dem her&#xA75B;lich&#x017F;ten &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;tem Himmelreich<lb/>
i&#x017F;t ver&#x017F;eumet/ die glorwu&#x0364;rdig&#x017F;te ewige Seligkeit i&#x017F;t ver-<lb/>
&#x017F;chertzet: Und hergegen hat man das Traurig-grau&#x017F;am-<lb/>
&#x017F;te aller Teuffel und un&#x017F;aubrer Gei&#x017F;ter und das <hi rendition="#fr">elende&#x017F;te<lb/>
Qwaal We&#x017F;en in der Ho&#x0364;lli&#x017F;chen Glut</hi> erlanget/ die<lb/>
unendliche Pein/ Ang&#x017F;t un&#x0303; Noht an Leib und Seel erwor-<lb/>
ben/ und wie man numehr in der allerelende&#x017F;ten <hi rendition="#fr">ewigen<lb/>
Reu&#x017F;eligkeit</hi> &#x017F;ei begriffen: Und &#x017F;olches ver&#x017F;ta&#x0364;ndiges<lb/>
Nachdenken und gnug&#x017F;ame Begreiffung wird den<lb/>
Men&#x017F;chlichen Ver&#x017F;tand des Verdamten in die unauß-<lb/>
&#x017F;prechliche qweelende Ang&#x017F;t ver&#x017F;etzen/ und die&#x017F;es hei&#x017F;&#x017F;et<lb/>
wol recht die grau&#x017F;ame immer zunehmende <hi rendition="#fr">Ang&#x017F;t-<lb/>
Qwaal</hi> der Seel/ da es aufs aller bitterlich&#x017F;te <hi rendition="#fr">Leid<lb/>
&#x017F;ey<supplied>n</supplied></hi> und &#x017F;chme&#xA75B;tzen wird/ daß man die&#x017F;es alles nicht ehen-<lb/>
der und be&#x017F;&#x017F;er betrachtet hat/ und &#x017F;olches hei&#x017F;&#x017F;et das <hi rendition="#fr">Ho&#x0364;l-<lb/>
len Leid:</hi> Nicht weniger i&#x017F;t un&#x017F;er <hi rendition="#fr">Wille</hi> das andere<lb/>
Haupt-Vermo&#x0364;gen der Seel/ welcher immer dem Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;tan-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0082] Nachdenkliche Beſchreibung nenden Hitze/ auch werde die grimmige Kaͤlte wuͤten/ wird man hernach mit ergrauſen vernehmen: Die Seel nun des Menſchen/ als ein geiſtliches unſterbliches unvergaͤngliches Weſen/ ſol auch mit ewig- wehrender grauſamſter Straffe unaufhoͤrlich mit ergrif- fen werden/ welche Beſtraffung von den Gelahrten ge- nennet wird pæna damni, pæna privativa, die gleichſam innerliche durchbrennende Seelen-Straffe/ und dieſe e- wigwehrende erſchroͤkliche Seelen Straffe wird in Teut- ſcher Sprache recht genant die Angſt Qwaal oder das Hoͤllen Leid: Dann weil in der Seel zwei Hauptver- moͤgen verhanden ſeyn/ als unſer Verſtand und Wille; So wird der Verſtand in dem Hoͤlliſchen Zuſtande gar wol verſtehen/ was verlohren/ was verſeumt/ was ver- ſchertzet; und hergegen was erlanget/ was erworben/ wor- in man begriffen: Nemlich das Allerſelichſt-An- ſchauen des Angeſichts Gottes iſt verlohren/ der Gnaden-Weg zu dem herꝛlichſten ſuͤſſeſtem Himmelreich iſt verſeumet/ die glorwuͤrdigſte ewige Seligkeit iſt ver- ſchertzet: Und hergegen hat man das Traurig-grauſam- ſte aller Teuffel und unſaubrer Geiſter und das elendeſte Qwaal Weſen in der Hoͤlliſchen Glut erlanget/ die unendliche Pein/ Angſt uñ Noht an Leib und Seel erwor- ben/ und wie man numehr in der allerelendeſten ewigen Reuſeligkeit ſei begriffen: Und ſolches verſtaͤndiges Nachdenken und gnugſame Begreiffung wird den Menſchlichen Verſtand des Verdamten in die unauß- ſprechliche qweelende Angſt verſetzen/ und dieſes heiſſet wol recht die grauſame immer zunehmende Angſt- Qwaal der Seel/ da es aufs aller bitterlichſte Leid ſeyn und ſchmeꝛtzen wird/ daß man dieſes alles nicht ehen- der und beſſer betrachtet hat/ und ſolches heiſſet das Hoͤl- len Leid: Nicht weniger iſt unſer Wille das andere Haupt-Vermoͤgen der Seel/ welcher immer dem Ver- ſtan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/82
Zitationshilfe: Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/82>, abgerufen am 18.04.2024.