Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676.

Bild:
<< vorherige Seite

Nachdenkliche Beschreibung
als Menschen allesamt bestimmt und unvermeidlich ist/
und die wir in dieser uns vergönten Lebenszeit auch uns
vorstellen und erwerben/ und endlich entweder in dem
Himmel/ oder in der Hölle annehmen und entpfangen
werden/ auch nachsinnlich etwas hier vorstellen/ und
noch ferner vorstellen wollen/ so fraget es sich nicht un-
billig; Wie arbeitet/ wie erbet und erwirbet man die
Seeligkeit? Wie arbeitet/ wie erbet und erwirbet man
die Unseeligkeit? Ob nun schon des HErrn Christi gantz-
er Vorsatz/ alles sein bemühen/ predigen und bitteres
Leidenswesen dahin eigentlich nur gerichtet war/ die
Menschen zu ihrer Seeligkeit an- und von ihrer Unsee-
ligkeit abzuweisen/ und durch sein eigen Exempel zu ver-
stehen zu geben/ wie man in der Welt der künftigen E-
wigkeit halber müsse gesinnet und bemühet sein/ so ist die
schuldigste folge dennoch wenig in der Welt erfolget/
und das eiferigste bemühen und arbeiten zu gantz ande-
ren und widrigen Zwekke eingerichtet: Man bedenke
doch/ da die allernützlichste/ nohtwendigste Bemühung
und Bearbeitung nach unserer ewigen Seeligkeit/ solte
und müste von uns allen/ bei uns allen/ allezeit und vor
allen Dingen aller wegen/ willig/ gernst/ zu unserem
selbst-eigenem Nutze angewendet werden/ wie solches
aus eingeführter Weltgewohnheit so kaltsinnig/ so ü-
berhin/ so nachlässig und fast verächtlich verrichtet und
einer von dem anderen dazu nicht angereitzet/ sondern
vielmehr abgereitzet werde?

Man bedenke hergegen der Weltleute und Sünd-
gierigen Menschen vermeinten Wolstand/ Sorgen-
volleste Bemühung/ stetswehrende eiferige Arbeit/ und
alles hochgespannetes Nachdenken? aber sage/ alles
warum? zu was Ende? zu was Genieß? Zwar zu einem
anscheinenden Blikke/ oder Augenblikks Glükke/ möch-
te man sagen; Aber alles in Warheit zu Erarbeitung/

Errin-

Nachdenkliche Beſchreibung
als Menſchen alleſamt beſtimmt und unvermeidlich iſt/
und die wir in dieſer uns vergoͤnten Lebenszeit auch uns
vorſtellen und erwerben/ und endlich entweder in dem
Himmel/ oder in der Hoͤlle annehmen und entpfangen
werden/ auch nachſinnlich etwas hier vorſtellen/ und
noch ferner vorſtellen wollen/ ſo fraget es ſich nicht un-
billig; Wie arbeitet/ wie erbet und erwirbet man die
Seeligkeit? Wie arbeitet/ wie erbet und erwirbet man
die Unſeeligkeit? Ob nun ſchon des HErꝛn Chriſti gantz-
er Vorſatz/ alles ſein bemuͤhen/ predigen und bitteres
Leidensweſen dahin eigentlich nur gerichtet war/ die
Menſchen zu ihrer Seeligkeit an- und von ihrer Unſee-
ligkeit abzuweiſen/ und durch ſein eigen Exempel zu ver-
ſtehen zu geben/ wie man in der Welt der kuͤnftigen E-
wigkeit halber muͤſſe geſinnet und bemuͤhet ſein/ ſo iſt die
ſchuldigſte folge dennoch wenig in der Welt erfolget/
und das eiferigſte bemuͤhen und arbeiten zu gantz ande-
ren und widrigen Zwekke eingerichtet: Man bedenke
doch/ da die allernuͤtzlichſte/ nohtwendigſte Bemuͤhung
und Bearbeitung nach unſerer ewigen Seeligkeit/ ſolte
und muͤſte von uns allen/ bei uns allen/ allezeit und vor
allen Dingen aller wegen/ willig/ gernſt/ zu unſerem
ſelbſt-eigenem Nutze angewendet werden/ wie ſolches
aus eingefuͤhrter Weltgewohnheit ſo kaltſinnig/ ſo uͤ-
berhin/ ſo nachlaͤſſig und faſt veraͤchtlich verrichtet und
einer von dem anderen dazu nicht angereitzet/ ſondern
vielmehr abgereitzet werde?

Man bedenke hergegen der Weltleute und Suͤnd-
gierigen Menſchen vermeinten Wolſtand/ Sorgen-
volleſte Bemuͤhung/ ſtetswehrende eiferige Arbeit/ und
alles hochgeſpannetes Nachdenken? aber ſage/ alles
warum? zu was Ende? zu was Genieß? Zwar zu einem
anſcheinenden Blikke/ oder Augenblikks Gluͤkke/ moͤch-
te man ſagen; Aber alles in Warheit zu Erarbeitung/

Errin-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0212" n="144"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Nachdenkliche Be&#x017F;chreibung</hi></fw><lb/>
als Men&#x017F;chen alle&#x017F;amt be&#x017F;timmt und unvermeidlich i&#x017F;t/<lb/>
und die wir in die&#x017F;er uns vergo&#x0364;nten Lebenszeit auch uns<lb/>
vor&#x017F;tellen und erwerben/ und endlich entweder in dem<lb/>
Himmel/ oder in der Ho&#x0364;lle annehmen und entpfangen<lb/>
werden/ auch nach&#x017F;innlich etwas hier vor&#x017F;tellen/ und<lb/>
noch ferner vor&#x017F;tellen wollen/ &#x017F;o fraget es &#x017F;ich nicht un-<lb/>
billig; Wie arbeitet/ wie erbet und erwirbet man die<lb/>
Seeligkeit? Wie arbeitet/ wie erbet und erwirbet man<lb/>
die Un&#x017F;eeligkeit? Ob nun &#x017F;chon des HEr&#xA75B;n Chri&#x017F;ti gantz-<lb/>
er Vor&#x017F;atz/ alles &#x017F;ein bemu&#x0364;hen/ predigen und bitteres<lb/>
Leidenswe&#x017F;en dahin eigentlich nur gerichtet war/ die<lb/>
Men&#x017F;chen zu ihrer Seeligkeit an- und von ihrer Un&#x017F;ee-<lb/>
ligkeit abzuwei&#x017F;en/ und durch &#x017F;ein eigen Exempel zu ver-<lb/>
&#x017F;tehen zu geben/ wie man in der Welt der ku&#x0364;nftigen E-<lb/>
wigkeit halber mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ge&#x017F;innet und bemu&#x0364;het &#x017F;ein/ &#x017F;o i&#x017F;t die<lb/>
&#x017F;chuldig&#x017F;te folge dennoch wenig in der Welt erfolget/<lb/>
und das eiferig&#x017F;te bemu&#x0364;hen und arbeiten zu gantz ande-<lb/>
ren und widrigen Zwekke eingerichtet: Man bedenke<lb/>
doch/ da die allernu&#x0364;tzlich&#x017F;te/ nohtwendig&#x017F;te Bemu&#x0364;hung<lb/>
und Bearbeitung nach un&#x017F;erer ewigen Seeligkeit/ &#x017F;olte<lb/>
und mu&#x0364;&#x017F;te von uns allen/ bei uns allen/ allezeit und vor<lb/>
allen Dingen aller wegen/ willig/ gern&#x017F;t/ zu un&#x017F;erem<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t-eigenem Nutze angewendet werden/ wie &#x017F;olches<lb/>
aus eingefu&#x0364;hrter Weltgewohnheit &#x017F;o kalt&#x017F;innig/ &#x017F;o u&#x0364;-<lb/>
berhin/ &#x017F;o nachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;ig und fa&#x017F;t vera&#x0364;chtlich verrichtet und<lb/>
einer von dem anderen dazu nicht angereitzet/ &#x017F;ondern<lb/>
vielmehr abgereitzet werde?</p><lb/>
        <p>Man bedenke hergegen der Weltleute und Su&#x0364;nd-<lb/>
gierigen Men&#x017F;chen vermeinten Wol&#x017F;tand/ Sorgen-<lb/>
volle&#x017F;te Bemu&#x0364;hung/ &#x017F;tetswehrende eiferige Arbeit/ und<lb/>
alles hochge&#x017F;pannetes Nachdenken? aber &#x017F;age/ alles<lb/>
warum? zu was Ende? zu was Genieß? Zwar zu einem<lb/>
an&#x017F;cheinenden Blikke/ oder Augenblikks Glu&#x0364;kke/ mo&#x0364;ch-<lb/>
te man &#x017F;agen; Aber alles in Warheit zu Erarbeitung/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Errin-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0212] Nachdenkliche Beſchreibung als Menſchen alleſamt beſtimmt und unvermeidlich iſt/ und die wir in dieſer uns vergoͤnten Lebenszeit auch uns vorſtellen und erwerben/ und endlich entweder in dem Himmel/ oder in der Hoͤlle annehmen und entpfangen werden/ auch nachſinnlich etwas hier vorſtellen/ und noch ferner vorſtellen wollen/ ſo fraget es ſich nicht un- billig; Wie arbeitet/ wie erbet und erwirbet man die Seeligkeit? Wie arbeitet/ wie erbet und erwirbet man die Unſeeligkeit? Ob nun ſchon des HErꝛn Chriſti gantz- er Vorſatz/ alles ſein bemuͤhen/ predigen und bitteres Leidensweſen dahin eigentlich nur gerichtet war/ die Menſchen zu ihrer Seeligkeit an- und von ihrer Unſee- ligkeit abzuweiſen/ und durch ſein eigen Exempel zu ver- ſtehen zu geben/ wie man in der Welt der kuͤnftigen E- wigkeit halber muͤſſe geſinnet und bemuͤhet ſein/ ſo iſt die ſchuldigſte folge dennoch wenig in der Welt erfolget/ und das eiferigſte bemuͤhen und arbeiten zu gantz ande- ren und widrigen Zwekke eingerichtet: Man bedenke doch/ da die allernuͤtzlichſte/ nohtwendigſte Bemuͤhung und Bearbeitung nach unſerer ewigen Seeligkeit/ ſolte und muͤſte von uns allen/ bei uns allen/ allezeit und vor allen Dingen aller wegen/ willig/ gernſt/ zu unſerem ſelbſt-eigenem Nutze angewendet werden/ wie ſolches aus eingefuͤhrter Weltgewohnheit ſo kaltſinnig/ ſo uͤ- berhin/ ſo nachlaͤſſig und faſt veraͤchtlich verrichtet und einer von dem anderen dazu nicht angereitzet/ ſondern vielmehr abgereitzet werde? Man bedenke hergegen der Weltleute und Suͤnd- gierigen Menſchen vermeinten Wolſtand/ Sorgen- volleſte Bemuͤhung/ ſtetswehrende eiferige Arbeit/ und alles hochgeſpannetes Nachdenken? aber ſage/ alles warum? zu was Ende? zu was Genieß? Zwar zu einem anſcheinenden Blikke/ oder Augenblikks Gluͤkke/ moͤch- te man ſagen; Aber alles in Warheit zu Erarbeitung/ Errin-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/212
Zitationshilfe: Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/212>, abgerufen am 29.03.2024.