Bey grausamst Marterfronen füllen nur die eine Seite) Servitutem esse omnium malorum postremum, ipsa morte fugiendum, esse vitam spi- nosam: esse contemtibilem & miserrimam, vid. Coel. Rhodig. ant. lect. lib. 7. c. 31. Daß ewige Dienstbarkeit und Sclaverei auf dieser Welt das grösseste Elend und unglüklichster Ubelstand sei/ erkennet der jenige wol/ der es versuchet oder recht betrachtet/ was das sei/ sich Nacht und Tag seine Lebenszeit über im Joch der Dienstbar- keit/ bei Hunger und Kummer/ und unter Streichen und Schlägen/ mit harten Arbeiten und schändlichen Verrichtungen zerplagen/ und keinen Ausweg und Aufhörung/ als durch den Tod hoffen können: So ist dennoch aller Dienstzaum und hartes Selavenwesen gegen die grausamste Marterfronen in der Hölle nur ei- ne Lust und Augenblikk/ so mit der kurzen Lebenszeit muß aufhören/ und aller Dienstzwang in leiblicher Bemü- hung bestehet/ da hergegen die abqweelende höllische Dienstmarter/ und das peinlichste Feurfronen mit Leib und Seel wehret unaufhörlich und in Ewigkeit.
Sibi servire, sagt sonst Seneca, gravissima ser- vitus est, quam tamen discutere facile est, si desieris multa reposcere, si desieris tibi ferre mercedem, alias assidua est & ineluctabilis, per diem & noctem aequaliter premens sine intervallo: Sein eigener schändlicher Selave sein/ und sich selbst seinen Sünden und Lasteren/ als ein verfluchter Dienstknecht ergeben/ ist eine muhtwillige allerschändlichste Dienstbarkeit/ die Nacht und Tag nimmer aufhöret/ so fern man seinen eigenen Lasterlüsten liebkosen/ nachhangen und erfüllen wil: Dieses eigene Lust-Dienstwesen aber kan man/ wan man wil/ endern; es kan/ wan man wi/ durch uns selbst und in uns selbst aufhören: Die allertraurigste Angst Sclaverei aber in der Hölle/ die man ihm selbst
ver-
Nachdenkliche Beſchreibung
Bey grauſamſt Marterfronen fuͤllen nur die eine Seite) Servitutem eſſe omnium malorum poſtremum, ipſa morte fugiendum, eſſe vitam ſpi- noſam: eſſe contemtibilem & miſerrimam, vid. Cœl. Rhodig. ant. lect. lib. 7. c. 31. Daß ewige Dienſtbarkeit und Sclaverei auf dieſer Welt das groͤſſeſte Elend und ungluͤklichſter Ubelſtand ſei/ erkennet der jenige wol/ der es verſuchet oder recht betrachtet/ was das ſei/ ſich Nacht und Tag ſeine Lebenszeit uͤber im Joch der Dienſtbar- keit/ bei Hunger und Kummer/ und unter Streichen und Schlaͤgen/ mit harten Arbeiten und ſchaͤndlichen Verrichtungen zerplagen/ und keinen Ausweg und Aufhoͤrung/ als durch den Tod hoffen koͤnnen: So iſt dennoch aller Dienſtzaum und hartes Selavenweſen gegen die grauſamſte Marterfronen in der Hoͤlle nur ei- ne Luſt und Augenblikk/ ſo mit der kurzen Lebenszeit muß aufhoͤren/ und aller Dienſtzwang in leiblicher Bemuͤ- hung beſtehet/ da hergegen die abqweelende hoͤlliſche Dienſtmarter/ und das peinlichſte Feurfronen mit Leib und Seel wehret unaufhoͤrlich und in Ewigkeit.
Sibi ſervire, ſagt ſonſt Seneca, graviſſima ſer- vitus eſt, quam tamen diſcutere facile eſt, ſi deſieris multa repoſcere, ſi deſieris tibi ferre mercedem, alias aſſidua eſt & ineluctabilis, per diem & noctem æqualiter premens ſine intervallo: Sein eigener ſchaͤndlicher Selave ſein/ und ſich ſelbſt ſeinen Suͤnden und Laſteren/ als ein verfluchter Dienſtknecht ergeben/ iſt eine muhtwillige allerſchaͤndlichſte Dienſtbarkeit/ die Nacht und Tag nimmer aufhoͤret/ ſo fern man ſeinen eigenen Laſterluͤſten liebkoſen/ nachhangen und erfuͤllen wil: Dieſes eigene Luſt-Dienſtweſen aber kan man/ wan man wil/ endern; es kan/ wan man wi/ durch uns ſelbſt und in uns ſelbſt aufhoͤren: Die allertraurigſte Angſt Sclaverei aber in der Hoͤlle/ die man ihm ſelbſt
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Nachdenkliche Beſchreibung
Bey grauſamſt Marterfronen fuͤllen nur
die eine Seite) Servitutem eſſe omnium malorum
poſtremum, ipſa morte fugiendum, eſſe vitam ſpi-
noſam: eſſe contemtibilem & miſerrimam, vid. Cœl.
Rhodig. ant. lect. lib. 7. c. 31. Daß ewige Dienſtbarkeit
und Sclaverei auf dieſer Welt das groͤſſeſte Elend und
ungluͤklichſter Ubelſtand ſei/ erkennet der jenige wol/ der
es verſuchet oder recht betrachtet/ was das ſei/ ſich Nacht
und Tag ſeine Lebenszeit uͤber im Joch der Dienſtbar-
keit/ bei Hunger und Kummer/ und unter Streichen
und Schlaͤgen/ mit harten Arbeiten und ſchaͤndlichen
Verrichtungen zerplagen/ und keinen Ausweg und
Aufhoͤrung/ als durch den Tod hoffen koͤnnen: So iſt
dennoch aller Dienſtzaum und hartes Selavenweſen
gegen die grauſamſte Marterfronen in der Hoͤlle nur ei-
ne Luſt und Augenblikk/ ſo mit der kurzen Lebenszeit muß
aufhoͤren/ und aller Dienſtzwang in leiblicher Bemuͤ-
hung beſtehet/ da hergegen die abqweelende hoͤlliſche
Dienſtmarter/ und das peinlichſte Feurfronen mit Leib
und Seel wehret unaufhoͤrlich und in Ewigkeit.
Sibi ſervire, ſagt ſonſt Seneca, graviſſima ſer-
vitus eſt, quam tamen diſcutere facile eſt, ſi deſieris
multa repoſcere, ſi deſieris tibi ferre mercedem,
alias aſſidua eſt & ineluctabilis, per diem & noctem
æqualiter premens ſine intervallo: Sein eigener
ſchaͤndlicher Selave ſein/ und ſich ſelbſt ſeinen Suͤnden
und Laſteren/ als ein verfluchter Dienſtknecht ergeben/
iſt eine muhtwillige allerſchaͤndlichſte Dienſtbarkeit/ die
Nacht und Tag nimmer aufhoͤret/ ſo fern man ſeinen
eigenen Laſterluͤſten liebkoſen/ nachhangen und erfuͤllen
wil: Dieſes eigene Luſt-Dienſtweſen aber kan man/
wan man wil/ endern; es kan/ wan man wi/ durch uns
ſelbſt und in uns ſelbſt aufhoͤren: Die allertraurigſte
Angſt Sclaverei aber in der Hoͤlle/ die man ihm ſelbſt
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Schottel, Justus Georg: Grausame Beschreibung und Vorstellung Der Hölle Und der Höllischen Qwal . Wolfenbüttel, 1676, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schottel_hoelle_1676/122>, abgerufen am 19.04.2024.
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