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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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von Neapel besaß und die der Beschreibung nach,
welche uns Faccius in seinem Buche de viris illustri-
bus
davon gibt, die größte Ähnlichkeit mit der
ersten Tafel des Altargemäldes in der Boisseree-
schen Sammlung gehabt haben muß.

Doch nicht nur der heiligen Geschichte allein
weihte Johann van Eyck sein hohes Talent; er
hatte ja der Kunst die ganze sichtbare Welt zu eigen
erworben und achtete es daher nicht seiner unwür-
dig auch andere Gegenstände zu malen, oder die
Gestalt einzelner Menschen ihren Freunden und
der Nachwelt zu erhalten. Er malte mehrere Bild-
nisse seiner Zeitgenossen nach dem Leben und
schmückte diese oft mit schönen Landschaften im Hin-
tergrunde. Diese kleinern Gemälde von seiner
Hand wurden später zu hohen Preisen gesucht und
verkauft. Die verwittwete Königin von Ungarn,
Schwester Karls des fünften, gab einem Barbier
in Brügge, der so glücklich war durch Erbschaft
oder Zufall ein solches Bildchen zu besitzen, ein
Jahrgeld von hundert Gulden auf Zeitlebens dafür.
Es stellte in einem kleinen Raum ein Brautpaar


von Neapel beſaß und die der Beſchreibung nach,
welche uns Faccius in ſeinem Buche de viris illustri-
bus
davon gibt, die größte Ähnlichkeit mit der
erſten Tafel des Altargemäldes in der Boiſſerée-
ſchen Sammlung gehabt haben muß.

Doch nicht nur der heiligen Geſchichte allein
weihte Johann van Eyck ſein hohes Talent; er
hatte ja der Kunſt die ganze ſichtbare Welt zu eigen
erworben und achtete es daher nicht ſeiner unwür-
dig auch andere Gegenſtände zu malen, oder die
Geſtalt einzelner Menſchen ihren Freunden und
der Nachwelt zu erhalten. Er malte mehrere Bild-
niſſe ſeiner Zeitgenoſſen nach dem Leben und
ſchmückte dieſe oft mit ſchönen Landſchaften im Hin-
tergrunde. Dieſe kleinern Gemälde von ſeiner
Hand wurden ſpäter zu hohen Preiſen geſucht und
verkauft. Die verwittwete Königin von Ungarn,
Schweſter Karls des fünften, gab einem Barbier
in Brügge, der ſo glücklich war durch Erbſchaft
oder Zufall ein ſolches Bildchen zu beſitzen, ein
Jahrgeld von hundert Gulden auf Zeitlebens dafür.
Es ſtellte in einem kleinen Raum ein Brautpaar

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[72/0084] von Neapel beſaß und die der Beſchreibung nach, welche uns Faccius in ſeinem Buche de viris illustri- bus davon gibt, die größte Ähnlichkeit mit der erſten Tafel des Altargemäldes in der Boiſſerée- ſchen Sammlung gehabt haben muß. Doch nicht nur der heiligen Geſchichte allein weihte Johann van Eyck ſein hohes Talent; er hatte ja der Kunſt die ganze ſichtbare Welt zu eigen erworben und achtete es daher nicht ſeiner unwür- dig auch andere Gegenſtände zu malen, oder die Geſtalt einzelner Menſchen ihren Freunden und der Nachwelt zu erhalten. Er malte mehrere Bild- niſſe ſeiner Zeitgenoſſen nach dem Leben und ſchmückte dieſe oft mit ſchönen Landſchaften im Hin- tergrunde. Dieſe kleinern Gemälde von ſeiner Hand wurden ſpäter zu hohen Preiſen geſucht und verkauft. Die verwittwete Königin von Ungarn, Schweſter Karls des fünften, gab einem Barbier in Brügge, der ſo glücklich war durch Erbſchaft oder Zufall ein ſolches Bildchen zu beſitzen, ein Jahrgeld von hundert Gulden auf Zeitlebens dafür. Es ſtellte in einem kleinen Raum ein Brautpaar

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/84>, abgerufen am 23.04.2024.