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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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zog. Der Verlust, welchen die Kunst damals
erlitt, ist eben so wenig zu berechnen als zu
ersetzen, und die Errettung des Einzelnen mitten
im allgemeinen Untergange gränzt oft an Wunder.
Doch nicht nur verblendete Barbaren, auch Philipp
der zweite, König von Spanien, drohte dem ge-
schätztesten Kleinod der Stadt Gent. Er streckte
den eisernen Arm, der die unglücklichen Niederlande
vernichtend beherrschte, nach diesem Wunderbilde
aus, um es nach Spanien zu führen, und kaum
läßt es sich begreifen, wie allgemeine Bitten und
Vorstellungen ihn endlich bewegen konnten davon
abzustehen. Er begnügte sich mit einer Kopie
von der Hand des besonders auch in Spanien
hochberühmten Meisters Michael Coxies von
Mecheln. Dieser arbeitete für die damals sehr be-
trächtliche Summe von viertausend Gulden mit
unermüdlichem Fleiße zwei Jahre lang daran. Die
Pracht der Farben mag ihm manche unüberwindliche
Schwierigkeit entgegengestellt haben; unter andern
verzweifelte er daran, das Blau des Gewandes
der heiligen Jungfrau erreichen zu können, und


zog. Der Verluſt, welchen die Kunſt damals
erlitt, iſt eben ſo wenig zu berechnen als zu
erſetzen, und die Errettung des Einzelnen mitten
im allgemeinen Untergange gränzt oft an Wunder.
Doch nicht nur verblendete Barbaren, auch Philipp
der zweite, König von Spanien, drohte dem ge-
ſchätzteſten Kleinod der Stadt Gent. Er ſtreckte
den eiſernen Arm, der die unglücklichen Niederlande
vernichtend beherrſchte, nach dieſem Wunderbilde
aus, um es nach Spanien zu führen, und kaum
läßt es ſich begreifen, wie allgemeine Bitten und
Vorſtellungen ihn endlich bewegen konnten davon
abzuſtehen. Er begnügte ſich mit einer Kopie
von der Hand des beſonders auch in Spanien
hochberühmten Meiſters Michael Coxies von
Mecheln. Dieſer arbeitete für die damals ſehr be-
trächtliche Summe von viertauſend Gulden mit
unermüdlichem Fleiße zwei Jahre lang daran. Die
Pracht der Farben mag ihm manche unüberwindliche
Schwierigkeit entgegengeſtellt haben; unter andern
verzweifelte er daran, das Blau des Gewandes
der heiligen Jungfrau erreichen zu können, und

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[69/0081] zog. Der Verluſt, welchen die Kunſt damals erlitt, iſt eben ſo wenig zu berechnen als zu erſetzen, und die Errettung des Einzelnen mitten im allgemeinen Untergange gränzt oft an Wunder. Doch nicht nur verblendete Barbaren, auch Philipp der zweite, König von Spanien, drohte dem ge- ſchätzteſten Kleinod der Stadt Gent. Er ſtreckte den eiſernen Arm, der die unglücklichen Niederlande vernichtend beherrſchte, nach dieſem Wunderbilde aus, um es nach Spanien zu führen, und kaum läßt es ſich begreifen, wie allgemeine Bitten und Vorſtellungen ihn endlich bewegen konnten davon abzuſtehen. Er begnügte ſich mit einer Kopie von der Hand des beſonders auch in Spanien hochberühmten Meiſters Michael Coxies von Mecheln. Dieſer arbeitete für die damals ſehr be- trächtliche Summe von viertauſend Gulden mit unermüdlichem Fleiße zwei Jahre lang daran. Die Pracht der Farben mag ihm manche unüberwindliche Schwierigkeit entgegengeſtellt haben; unter andern verzweifelte er daran, das Blau des Gewandes der heiligen Jungfrau erreichen zu können, und

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/81>, abgerufen am 29.03.2024.