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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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Hubert ward nach Karl von Manders Ver-
sicherung in der Johannis-Kirche zu Gent unfern
seiner Schwester Margarethe begraben. Dieß
läßt vermuthen, daß letztere den Brüdern von
Brügge nach Gent gefolgt sey, vielleicht um sie
bei der großen Arbeit mit ihrem Talent nach
Kräften zu unterstützen, denn sie bedurften wohl
bei dem ihren Schülern verborgnen Geheimnisse
ihrer Kunst einer treuen verschwiegnen Gehülfin.
Margarethe starb bekanntlich vor Huberts Ableben,
und was kann ungezwungner uns entgegen treten,
was stimmt besser mit Johann van Eycks Geist
und Gemüth, als die Vermuthung, daß er beiden
ihm durch Geist und Talent noch mehr als durch
Bande des Bluts verwandten Geschwistern hier ein
Gedächtniß stiften wollte auf dem unter ihren
Augen, mit ihrer Hülfe, begonnenen großen Werke,
welches er nun allein vollenden mußte.

Nicht nur Himmel und Erde, Leben und
Hoffen des Menschen, umfaßte dieses ungeheure
Werk; unter der Haupttafel desselben, auf einer
Art von Fuß oder Gestell worauf diese ruhte, war


Hubert ward nach Karl von Manders Ver-
ſicherung in der Johannis-Kirche zu Gent unfern
ſeiner Schweſter Margarethe begraben. Dieß
läßt vermuthen, daß letztere den Brüdern von
Brügge nach Gent gefolgt ſey, vielleicht um ſie
bei der großen Arbeit mit ihrem Talent nach
Kräften zu unterſtützen, denn ſie bedurften wohl
bei dem ihren Schülern verborgnen Geheimniſſe
ihrer Kunſt einer treuen verſchwiegnen Gehülfin.
Margarethe ſtarb bekanntlich vor Huberts Ableben,
und was kann ungezwungner uns entgegen treten,
was ſtimmt beſſer mit Johann van Eycks Geiſt
und Gemüth, als die Vermuthung, daß er beiden
ihm durch Geiſt und Talent noch mehr als durch
Bande des Bluts verwandten Geſchwiſtern hier ein
Gedächtniß ſtiften wollte auf dem unter ihren
Augen, mit ihrer Hülfe, begonnenen großen Werke,
welches er nun allein vollenden mußte.

Nicht nur Himmel und Erde, Leben und
Hoffen des Menſchen, umfaßte dieſes ungeheure
Werk; unter der Haupttafel deſſelben, auf einer
Art von Fuß oder Geſtell worauf dieſe ruhte, war

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[66/0078] Hubert ward nach Karl von Manders Ver- ſicherung in der Johannis-Kirche zu Gent unfern ſeiner Schweſter Margarethe begraben. Dieß läßt vermuthen, daß letztere den Brüdern von Brügge nach Gent gefolgt ſey, vielleicht um ſie bei der großen Arbeit mit ihrem Talent nach Kräften zu unterſtützen, denn ſie bedurften wohl bei dem ihren Schülern verborgnen Geheimniſſe ihrer Kunſt einer treuen verſchwiegnen Gehülfin. Margarethe ſtarb bekanntlich vor Huberts Ableben, und was kann ungezwungner uns entgegen treten, was ſtimmt beſſer mit Johann van Eycks Geiſt und Gemüth, als die Vermuthung, daß er beiden ihm durch Geiſt und Talent noch mehr als durch Bande des Bluts verwandten Geſchwiſtern hier ein Gedächtniß ſtiften wollte auf dem unter ihren Augen, mit ihrer Hülfe, begonnenen großen Werke, welches er nun allein vollenden mußte. Nicht nur Himmel und Erde, Leben und Hoffen des Menſchen, umfaßte dieſes ungeheure Werk; unter der Haupttafel deſſelben, auf einer Art von Fuß oder Geſtell worauf dieſe ruhte, war

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/78>, abgerufen am 29.03.2024.