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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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Hinsicht auf Kunst seltne wissenschaftliche Bildung
des jungen Malers, sein durchdringend klarer Ver-
stand, die Sicherheit seines Urtheils, gewannen
ihm nach und nach das unumschränkteste Vertrauen
seines fürstlichen Freundes. Bei jeder Gelegenheit
suchte dieser ihn an seine Nähe zu fesseln, zog seine
Gesellschaft allen andern vor und befragte ihn bei
jedem bedeutenden Unternehmen um seine Meinung,
die er auch oft befolgte. Karl von Mander nennt
bei der Beschreibung dieses schönen Verhältnisses
Johann van Eyck Herzogs Philipps heimlichen Rath;
doch war er dieses wahrscheinlich nie dem Namen
nach wenn gleich in der Wirklichkeit.

Der Aufenthalt an diesem glänzenden Hofe
war für das Kunsttalent des Johann van Eyck von
nicht zu berechnendem unschäzbarem Werth. Schöne,
vornehm geschmückte Frauen, stattliche Fürsten mit
ihren geputzten Pagen, in glänzender Waffenrüstung
schimmernde Ritter und würdige Gestalten bedeu-
tender Staatsmänner umgaben ihn täglich; er sah
sie in den mannichfaltigsten Situationen sich bewe-
gen, gehen, reden, handeln, und seine Phantasie


Hinſicht auf Kunſt ſeltne wiſſenſchaftliche Bildung
des jungen Malers, ſein durchdringend klarer Ver-
ſtand, die Sicherheit ſeines Urtheils, gewannen
ihm nach und nach das unumſchränkteſte Vertrauen
ſeines fürſtlichen Freundes. Bei jeder Gelegenheit
ſuchte dieſer ihn an ſeine Nähe zu feſſeln, zog ſeine
Geſellſchaft allen andern vor und befragte ihn bei
jedem bedeutenden Unternehmen um ſeine Meinung,
die er auch oft befolgte. Karl von Mander nennt
bei der Beſchreibung dieſes ſchönen Verhältniſſes
Johann van Eyck Herzogs Philipps heimlichen Rath;
doch war er dieſes wahrſcheinlich nie dem Namen
nach wenn gleich in der Wirklichkeit.

Der Aufenthalt an dieſem glänzenden Hofe
war für das Kunſttalent des Johann van Eyck von
nicht zu berechnendem unſchäzbarem Werth. Schöne,
vornehm geſchmückte Frauen, ſtattliche Fürſten mit
ihren geputzten Pagen, in glänzender Waffenrüſtung
ſchimmernde Ritter und würdige Geſtalten bedeu-
tender Staatsmänner umgaben ihn täglich; er ſah
ſie in den mannichfaltigſten Situationen ſich bewe-
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[50/0062] Hinſicht auf Kunſt ſeltne wiſſenſchaftliche Bildung des jungen Malers, ſein durchdringend klarer Ver- ſtand, die Sicherheit ſeines Urtheils, gewannen ihm nach und nach das unumſchränkteſte Vertrauen ſeines fürſtlichen Freundes. Bei jeder Gelegenheit ſuchte dieſer ihn an ſeine Nähe zu feſſeln, zog ſeine Geſellſchaft allen andern vor und befragte ihn bei jedem bedeutenden Unternehmen um ſeine Meinung, die er auch oft befolgte. Karl von Mander nennt bei der Beſchreibung dieſes ſchönen Verhältniſſes Johann van Eyck Herzogs Philipps heimlichen Rath; doch war er dieſes wahrſcheinlich nie dem Namen nach wenn gleich in der Wirklichkeit. Der Aufenthalt an dieſem glänzenden Hofe war für das Kunſttalent des Johann van Eyck von nicht zu berechnendem unſchäzbarem Werth. Schöne, vornehm geſchmückte Frauen, ſtattliche Fürſten mit ihren geputzten Pagen, in glänzender Waffenrüſtung ſchimmernde Ritter und würdige Geſtalten bedeu- tender Staatsmänner umgaben ihn täglich; er ſah ſie in den mannichfaltigſten Situationen ſich bewe- gen, gehen, reden, handeln, und ſeine Phantaſie

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/62>, abgerufen am 23.04.2024.